Unverzichtbare Arbeit:
US-Germanistinnen unterstützen Esther Dischereit
Die "Coalition of Women in
German" fordert die Wiedereinstellung der Kulturbeauftragten des DGB Berlin
Brandenburg
Von Martin Jander
In einem offenen Brief hat
sich eine einflussreiche Vereinigung von Germanistinnen in den USA
(Coalition of Women in German) an den Deutschen Gewerkschaftsbund gewandt
und ihn aufgefordert, Esther Dischereit wieder einzustellen. Die
Kulturbeauftragte des DGB Berlin-Brandenburg war zum 1.7.2006 gekündigt
worden. Sie streitet vor dem Arbeitsgericht um ihre Wiedereinstellung.
Die US-Germanistinnen, die sich für feministische Ansätze
in der Literatur- und Kulturwissenschaft einsetzen, hatten Esther Dischereit
im Herbst 2006 zu ihrer Jahreskonferenz in die USA eingeladen, weil sie - so
heißt es in dem offenen Brief - "ihre Beiträge zur geschichtspolitischen
Auseinandersetzung über den Holocaust in Deutschland für herausragend und
unverzichtbar halten." Esther Dischereit habe mit ihrer Literatur
"entscheidende Beiträge zur Neuentstehung jüdischer Kultur in Deutschland
nach der Shoah" geleistet. Gerade im Angesicht der starken rechtsradikalen
Strömungen in Berlin und in den fünf neuen Bundesländern sei ihre
Kulturarbeit für den DGB unverzichtbar. Frau Professor Dr. Julie Klassen,
Präsidentin der "Coalition of Women in German", schreibt in dem Brief: "Der
DGB sollte stolz darauf sein über eine solch international profilierte
Mitarbeiterin zu verfügen."
Der DGB erhält im Zusammenhang mit der Kündigung seiner Kulturbeauftragten
in Berlin-Brandenburg damit bereits den zweiten offenen Brief. Im Juni 2006
hatten Künstlerinnen, Schriftsteller, Wissenschaftlerinnen und Freunde der
Autorin und Gewerkschaftssekretärin
öffentlich gebeten,
die Kündigung rückgängig zu machen. Auch innergewerkschaftlich hatte die
Kündigung für Aufsehen gesorgt. Der Landesvorstand Medien der Gewerkschaft
ver.di in Berlin-Brandenburg hatte an den DGB-Bundesvorsitzenden geschrieben
und Esther Dischereit, als Zeichen seiner Unterstützung, als Referentin zu
seiner Konferenz am 4. November 2006 eingeladen.
Erfolg hatten die Proteste bislang nicht. Statt die Kündigung zurück zu
nehmen, bot der DGB Esther Dischereit lediglich eine geringe Abfindung an.
Die Chancen für eine Wiedereinstellung Dischereits stehen trotzdem nicht
schlecht. Da der DGB Berlin-Brandenburg bei der Kündigung seiner
Kulturbeauftragten viele Formfehler beging, ist es nicht ausgeschlossen,
dass die Autorin und Gewerkschaftssekretärin in der nächsten Verhandlung vor
dem Arbeitsgericht (06. Dezember 2006, 9.00 Uhr, Saal 219, Berliner
Landesarbeitsgericht, Magdeburger Platz 1) gegen ihren Arbeitgeber gewinnt.
Eines ist bislang jedenfalls schon abzusehen, mit der Kündigung Esther
Dischereits schadet der Dachverband der deutschen Gewerkschaften nicht nur
Esther Dischereit sondern auch sich selbst.
Offener Brief an den
DGB:
Esther Dischereit nicht kündigen!
Wir halten ihre Arbeit im
Zusammenhang mit den rechtsradikalen Umtrieben in Berlin und Brandenburg für
unverzichtbar. Wenn der DGB diese Arbeit einstellt, wäre dies ein völlig
falsches Signal...
Missachtung wichtiger Arbeit:
Einheitsgewerkschaft ohne Dischereit?
Esther Dischereit, Kulturbeauftragte des DGB Bezirks Berlin-Brandenburg,
streitet vor Gericht um ihre Wiedereinstellung...
Offener Brief an den DGB:
Kündigung von Esther Dischereit zurücknehmen!
An
Michael Sommer
DGB Bundesvorsitzender
Henriette Herz Platz 2
10178 Berlin
E-Mail: marion.knappe@dgb.de |
An
Ernst-Dietrich Scholz
DGB Vorsitzender Bezirk Berlin Brandenburg
Keithstrasse 1-3
10787 Berlin
E-Mail: dieter.pienkny@dgb.de |
An den Deutschen Gewerkschaftsbund:
Die Coalition of Women in German (Koalition der Frauen in der Germanistik)
ist eine internationale professionelle Organisation von AkademikerInnen, die
sich für feministische Ansätze in der Literatur- und Kulturwissenschaft
einsetzt und insbesondere die Überschneidungen zwischen Geschlecht,
Sexualität, Klasse, Rasse und Ethnizität zum Gegenstand akademischer und
aktivistischer Arbeit macht. Unsere Organisation strebt die Aufhebung von
Diskriminierungen in Wissenschaft, Kultur und Lehre an. Wir protestieren
daher gegen die Kündigung der Kulturbeauftragten Esther Dischereit im DGB
Bezirk Berlin Brandenburg zum 1.7.2006 und unterstützen Frau Dischereit in
ihrer gerichtlichen Klage auf Wiedereinstellung. Wir haben Esther Dischereit
in diesem Jahr als Ehrengast zur Jahreskonferenz unserer Organisation in die
USA eingeladen, weil wir ihre Beiträge zur geschichtspolitischen
Auseinandersetzung über den Holocaust in Deutschland für herausragend und
unverzichtbar halten. Sie hat entscheidende Beiträge zur Neuentstehung
jüdischer Kultur in Deutschland nach der Shoah geleistet. Der DGB sollte
stolz darauf sein, über eine solche international profilierte Mitarbeiterin
zu verfügen.
Wir betrachten die Marginalisierung von Kulturarbeit, zu
der auch die von Frau Dischereit betreute Antirassismusarbeit für den
Deutschen Gewerkschaftsbund im Bezirk Berlin-Brandenburg gehört (www.respekt.dgb.de),
als eine bedauerliche und falsche Reaktion auf Sparzwänge. Gerade in
Hinsicht auf die alarmierenden Wahlerfolge rechtsradikaler Parteien in den
fünf neuen Bundesländern und in Berlin (rechtsradikale Parteien sind in fünf
Bezirksparlamente eingezogen), können wir der Eliminierung der Kulturarbeit,
in der solche Tendenzen thematisiert werden, als sozial weniger wichtiger
Arbeit nicht zustimmen.
Wir plädieren an den Deutschen Gewerkschaftsbund, seine Kündigung von Frau
Dischereit rückgängig zu machen.
Prof. Dr. Julie Klassen
Präsidentin, Coalition of Women in German (www.womeningerman.org)
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