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Missachtung wichtiger Arbeit:
Einheitsgewerkschaft ohne Dischereit?

Esther Dischereit, Kulturbeauftragte des DGB Bezirks Berlin-Brandenburg, streitet vor Gericht um ihre Wiedereinstellung.

Von Martin Jander (Berlin)

Gewalt tritt in verschiedenen Formen auf. Esther Dischereit, bis zum 30. Juni diesen Jahres Kulturbeauftragte des DGB Bezirks Berlin Brandenburg, hat sie vor allem als Missachtung ihrer Arbeit erfahren. Der DGB hat ihr gekündigt. Die Missachtung jüdischer Gewerkschafter hat in den deutschen Gewerkschaften ihre eigene Geschichte. Dischereits Chancen für eine gerichtlich erzwungene Wiedereinstellung stehen aber dennoch nicht schlecht.

Missachtet haben ihre Arbeit nicht die vielen BesucherInnen der verschiedenen Ausstellungen und Lesungen, die sie in den letzten Jahren organisiert hat. Missachtet haben ihre Arbeit auch nicht die vielen Künstler und die Nutzer der Antirassismus-Website des DGB (www.respekt.dgb.de), die sie hauptamtlich betreute. Missachtet haben ihre Arbeit die DGB-Kollegen, die ihr jetzt gekündigt haben: Der DGB Vorsitzende Michael Sommer und der Vorsitzende des DGB Berlin und Brandenburg Dieter Scholz.

Zur Erklärung ließen die zur Linken gerechneten Gewerkschafter den Geschäftsführer des DGB Bezirks Berlin Brandenburg äußern, dass in der gegenwärtigen Krise Einsparungen unausweichlich seien, deshalb müsse "gegenüber Fachbereichen wie Arbeitsmarkt-, Wirtschafts-, Jugend- oder Sozialpolitik (…) die Kulturarbeit zurücktreten".

Offenbar haben beide Funktionäre, trotz jahrelanger Zusammenarbeit mit Dischereit, nicht gewusst, dass sie eine der ziemlich bekannten deutsch-jüdischen Schriftstellerinnen ist, die sich mit dem Thema der Folgen der Shoah in Essays, Gedichten, Filmen und Hörspielen auseinandersetzt. Hätten sie sich mit der Literatur von Esther Dischereit beschäftigt, wäre ihnen möglicherweise eine Passage aus dem Buch aufgefallen, mit dem die Schriftstellerin 1988 bekannt wurde: "Joemis Tisch".

Esther Dischereit schildert in dem Buch u. a. einen Konflikt aus dem DGB der 80er Jahre. Es ist keine erfundene Geschichte. Damals wurde um ein neues Programm der Gewerkschaften gestritten. Insbesondere ging es darum, in welche Traditionen sich die "Einheitsgewerkschaft" stellt. Als einige Kollegen den Versuch machten, in der Traditionsformel neben Kommunisten, Sozialdemokraten und Christen auch Juden zu erwähnen, wurden sie mehrheitlich niedergestimmt. An Rosa Luxemburg, Siegfried Aufhäuser, Franz L. Neumann, Max Diamant u. v. a. wollte man sich nicht mehr erinnern. Das galt damals wie heute. Die Gewerkschaftslinke ist offenbar blind geworden.

Weil der DGB offenbar nicht wusste, wen er mit Esther Dischereit als Kulturbeauftragte kündigt und in welche Tradition er sich damit stellt, wurde er von der breiten Welle des Protestes überrascht. Viele nicht öffentliche Briefe erreichten den DGB-Bundesvorstand und den DGB in Berlin, außerdem ein offener Brief mit sehr vielen prominenten Unterschriften.

Die Protestierer wollen und können nicht einsehen, wie man in Berlin und Brandenburg, die beide ganz deutlich mit Problemen des rechten Radikalismus zu kämpfen haben, eine demokratische und antinazistische Kulturarbeit einer international angesehenen Schriftstellerin einstellen kann. Wäre nicht, wenn schon gespart werden muss, auch eine Umverteilung von Einkommen bei den DGB Beschäftigten untereinander möglich gewesen?

Den nahe liegenden Weg, Schaden für das Ansehen der Organisation dadurch abzuwenden, dass man die Kündigung zurück nimmt, wählte der DGB nicht. Stattdessen versuchte er es mit Erpressung. Man bot eine Abfindung an. Gegen eine geringe Summe Geldes und vage in Aussicht gestellte Honorarverträge sollte Esther Dischereit bereit sein, der Kündigung zuzustimmen. Sie hat sich das einige Zeit überlegt. Schließlich hat sie nicht nur für sich selbst sondern auch für zwei Kinder zu sorgen, die in der Ausbildung sind. Nach reiflicher Überlegung aber hat sie abgelehnt. Es geht ja in diesem Verfahren nicht nur um Esther Dischereit. Es geht darum, wie wichtig für die Gewerkschaften in einer Krisensituation Kultur- und Antirassismusarbeit ist.

Die Chancen Esther Dischereits das am 15.11.2006 anberaumte Arbeitsgerichtsverfahren in Berlin (Raum 219, 9 Uhr 45, Magdeburger Platz 1) als Siegerin zu verlassen, stehen nicht schlecht. Der DGB als Arbeitgeber hat nämlich nicht nur die kulturpolitische Arbeit Esther Dischereits sträflich missachtet. Während der letzten Verhandlung vor dem Arbeitsgericht wurde bekannt, dass er es auch versäumt hat, den Betriebsrat von der Kündigung Dischereits fristgerecht in Kenntnis zu setzen.

Wie auch immer dieses Verfahren ausgehen wird, mit der Missachtung der Arbeit Esther Dischereits und mit der Missachtung der Proteste gegen ihre Kündigung erweist sich der DGB einen Bärendienst.

Esther Dischereit über "Einheitsgewerkschaft":

Heute will ich mit dir über die Gewerkschaft sprechen. »Einheitsgewerkschaft«: Wie ich neulich lese, ist dieser Begriff sehr blaß. Ich kann das nur bestätigen. Die Konstruktion bezieht sich auf die Leiden der Geschichte. In ihren rituellen Aufzählungen - bei anderen Menschen sind das Waschungen - reihen sich Christen, Kommunisten und Sozialdemokraten Grab an Grab.
Juden, was haben die dabei zu tun. Erstens liegen ihre Gräber woanders, und zweitens ist das doch kein Kampfbegriff. Es geht doch hier um die Arbeiterbewegung.
Und sofern jüdische Arbeiter betroffen sind, wird ihrer in den Begriffen Kommunisten und Sozialisten mitgedacht. Christlich mag hier ausgeschlossen werden. Also mit der Einheitsgewerkschaft werden bekanntlich Lehren gezogen - aus den Opfern - der Christen, Kommunisten und Sozialisten. Für andere Opfer ist man nicht zuständig. Vielleicht kommen einem da noch Zigeuner hinterher. Nein, wir wollen bei der Wahrheit bleiben. Das nehm ich auf meine Kappe, als Landesvorstand ganz persönlich.
Erst dieser Mensch da vorne, typisch Journalist, beantragt die Einfügung der Juden. Kann man darüber abstimmen? Die Juden werden jetzt als Opfer abgestimmt. Ich bin dagegen. Wer dafür ist, hebe seine Hand?
Nur wenig Hände heben sich, noch weniger sind rausgegangen. Also: ich stelle fest: die Juden haben wir herausgestimmt aus diesem Antrag.
Die Leute springen von den Stühlen und klatschen.
Ganz vorne stehen die alten und die neuen Kommunisten. »Dem Typ, der diesen Antrag stellte, dem könnt' ich eine langen.« Der Betriebsrat wälzt seine dünn behaarte Glatze auf ihn zu. »Mit mir net«, brüllt die Proletenfaust.
Für diesen blassen Gemeinschaftsbegriff ist in dem alten kampferprobten Saal wirklich etwas los - wenigstens dies eine Mal.
Auszug aus dem Buch "Joemis Tisch" (Frankfurt a. M. 1988), S. 66/67

Offener Brief an den DGB:
Esther Dischereit nicht kündigen!

Wir halten ihre Arbeit im Zusammenhang mit den rechtsradikalen Umtrieben in Berlin und Brandenburg für unverzichtbar. Wenn der DGB diese Arbeit einstellt, wäre dies ein völlig falsches Signal...

Eiszeit:
Ein lesenswerter Gedichtband von Esther Dischereit
Die 1952 in Heppenheim geborene Schriftstellerin, die in Frankfurt studierte und seit den achtziger Jahren in Berlin lebt, hat bereits in mehreren Erzählungen, Gedicht-, Essaybänden und Hörspielen ihre Auffassungen zum Thema dargelegt...

hagalil.com 17-10-2006

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