PRESSEERKLÄRUNG DES ZENTRALRATS DER JUDEN IN
DEUTSCHLAND
Normalfall:
Rechtsextremismus in Deutschland
„Nicht die rechtsextremistischen Exzesse der letzten Monate allein
sind der Skandal, sondern vielmehr die bagatellisierende Haltung der
Politik“, so die Präsidentin des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Charlotte Knobloch.
„Angesichts der Vorfälle in Pretzien und Parey, die
ja nur die Spitze des Eisberges rechtsextremistischer Vorfälle in
Sachsen-Anhalt und bundesweit sind, ist die nach solchen Vorfällen
übliche Betroffenheitsdebatte von Verantwortlichen in Politik,
Gesellschaft und Medien empörend und zudem eine Verhöhnung all
jener, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus engagieren“, so
Knobloch.
„Die Vorfälle der letzten Tage und Wochen sind keine
Einzelfälle, sondern die Fortsetzung einer langen Kette von
Ereignissen in den letzten Jahren, die die Politik und andere
verantwortliche Gruppen der Gesellschaft trotz vielfacher Mahnungen
und einer Vielzahl an Hinweisen, bewusst verschlafen haben. Die
Rechten sind nicht erst eine Gefahr für die offene Gesellschaft,
wenn sie in den Parlamenten sitzen. Aber selbst das stößt zunehmend
auf Verständnis und immer offenere Zustimmung in weiten Teilen der
Gesellschaft. Die Wahlergebnisse sprechen eine deutliche Sprache“,
so Knobloch.
„Die dramatische Häufung rechtsextremistischer
Vorfälle in jüngster Zeit kommt nicht von ungefähr“, meint der
Vizepräsident des Zentralrats, Dr. Dieter Graumann, zu den Ursachen
der Vorfälle in Sachsen-Anhalt und Berlin-Altglienicke. „So was
kommt von so was! Die völlig missglückte Reaktion des
Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Prof. Böhmer, nach der
Tagebuchverbrennung in Pretzien war ein trauriges Beispiel für die
Hilf- und Ratlosigkeit vieler Politiker. Sie war inhaltlich nicht
nur beschämend, sondern musste von all denjenigen geradezu als
Bestätigung aufgefasst werden, die wegsehen statt eingreifen“, so
Graumann.
Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hatte nach der
öffentlichen Verbrennung des Tagesbuches von Anne Frank in Pretzien,
nicht nur den örtlichen Bürgermeister, unter dessen Augen alles
geschah, sogar ausdrücklich in Schutz genommen, sondern hat bis
heute keine erkennbaren Konsequenzen für die Bildungs- und
Jugendarbeit in Sachsen-Anhalt gezogen.
„Das Fehlverhalten der Politik ist aber die „conditio
sine qua non“ für die immer enthemmter und gewalttätiger auftretende
Fratze des Antisemitismus und des Rassismus in Deutschland. Wer
beispielsweise die Jugend- und Bildungsarbeit immer häufiger dem
finanzpolitischen Kahlschlag opfert, der darf sich nicht wundern,
dass ganze Generationen von Jugendlichen und Kindern in
extremistische Lager abrutschen und Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit zur Normalität werden“, so Graumann.
„Aber nicht nur die Jugend ist gefährdet. Auch die
Erwachsenen sind für rassistische und neonazistische Parolen immer
häufiger empfänglich. Die Fußballkreisliga-Partie vom 26. September
zwischen Makkabi und Altglienicke in Berlin ist ein trauriger Beweis
dafür – einer von vielen“, meint Graumann.
„Das geradezu grotesk milde Urteil des Sportgerichts
des Berliner Fußball-Verbandes ist jedoch nicht nur lächerlich,
sondern brandgefährlich in seiner fatalen Signalwirkung, denn es
verharmlost und bagatellisiert“, so Graumann, der auch Präsident des
Makkabi-Sportvereins von Frankfurt/Main ist. Es belohnt das Wegsehen
und die Feigheit angesichts von Rassismus und Menschenfeindlichkeit.
Es ist ein Signal gegen das Engagement und gegen die Zivilcourage
und eine Ermutigung für die Verharmloser im Land.
„Die Richter des Sportgerichts haben eine wichtige
Chance vertan, dem Dauerskandal von offenem Antisemitismus und
Rassismus in deutschen Fußballstadien entschieden entgegenzutreten.
Eine moralische Bankrotterklärung nach den positiven Signalen der
Fußballweltmeisterschaft und ein klarer Gegensatz zum erklärten
Engagement des DFB gegen Rassismus im Sport“ davon ist Graumann
überzeugt.
Die Präsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch
fordert daher, eine nachhaltige und parteiübergreifende Initiative,
mit vielfältigen Gegenstrategien, die innerhalb der Gesellschaft
verankert sind. „Nur die gemeinsame politische und juristische
Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Rassismus und Neonazismus
kann langfristig Erfolg haben“, so Knobloch.
In der Bekämpfung des Antisemitismus mangelt es am
wirklichen Wollen:
Zentralrat fordert verlässliche Unterstützung für haGalil
Antisemitismus ist in den letzten Jahren wieder
verstärkt aktuelle gesellschaftliche Erscheinungen und Thema
politischer Debatten...
Rechtsextremismus im Aufwind:
Antisemitismus - kleinster gemeinsamer
Nenner der NS-Szene
Durch einen "Antisemitismus der Andeutungen" wird
versucht, latent vorhandene Einstellungen in der Bevölkerung
anzusprechen. Die Szene nutzte einmal mehr tagespolitische,
insbesondere nahost-bezogene, Ereignisse und Gedenktage, um ihren
judenfeindlichen Ansichten in der Öffentlichkeit eine breite
Resonanz zu verschaffen...
Europäischer Antisemitismus in Geschichte
und Gegenwart:
Die These von der Jüdischen Weltverschwörung
Auf dem Jüdischen Friedhof in Prag treffen sich einmal in hundert
Jahren zu einer ausgemachten Stunde die Vertreter der zwölf Stämme
Israels und beraten über das mittelfristige Vorgehen auf dem Weg zur
gänzlichen Beherrschung der Welt...
Unheilige Allianzen:
Antisemitismus im Islam und im europäisch-amerikanischen Kulturkreis
Noch immer gibt es die alte, weit verbreitete Position, muslimischer
Antisemitismus in Nahost, Europa oder Amerika sei, soweit überhaupt
vorhanden, im wesentlichen auf den arabisch-israelischen Konflikt
zurückzuführen; er werde nach dessen "Lösung", für die vor allem
Israel verantwortlich gemacht werden müsse, daher bald wieder
verschwinden...
hagalil.com 16-10-06 |