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Schwarze Antisemiten:
Die "Tribu K"

Eine rassistische und antisemitische Sekte von französischen Schwarzen schürt Spannungen

Von Bernard Schmid, Paris

In seiner Ausgabe vom 13. Juni 06 schreibt das Jugendmagazin jetzt der Süddeutschen Zeitung: "Es muss eine erschreckende Szene gewesen sein. In der Rue des Rosiers, die mitten im Pariser Marais-Viertel die jüdischste aller Gassen ist, tauchte an einem friedlichen Sonntagnachmittag eine Bande von dunkelhäutigen jungen Männern auf, gut zwei Dutzend, kräftige Kerle allesamt, manche bewaffnet mit Baseball-Schlägern, in dunkler Kleidung, ihre Haare unter straffen Bandanas verborgen. Einige hatten die Kapuzen ihrer Trainingsjacken hochgeschlagen. Angeführt wurden sie von einem jungen Menschen, der sich Kémi Séba nennt. Sie suchten Streit und suchten Gegner, mit denen sie sich prügeln wollten. Touristen zogen sich verschreckt zurück, die Händler und Anwohner verschwanden in ihren Läden und Häusern. 'Wo sind die Chefs der Jüdischen Verteidigungsliga', schrien die schwarzen Eindringlinge und erfreuten sich an den ängstlichen Reaktionen der Flaneure und Anwohner."

Diese Schilderung deckt sich mit mehreren, weitgehend identischen Beschreibungen, die seit Ende Mai in der französischen Presse erschienen sind. Ihr Gegenstand ist ein Vorfall, der sich am Sonntag, den 28. Mai 2006 im Marais abspielte – dem alten jüdischen Viertel im historischen Pariser Stadtkern, das mittlerweile auch bei besserverdienenden Homosexuellen als schickes Wohnviertel gilt. Er sorgte auch auf internationaler Ebene für Schlagzeile, bis hin zum 'City Journal', das vom US-amerikanischen Manhattan Institute herausgegeben wird. Am 06. Juni berichtete es unter der Überschrift "Black anti-Semites storm Paris' old Jewish quarter" über die Vorgänge, die sich acht Tage vorher zutrugen. Dabei fällt die Überschrift dann doch zu reißerisch aus, denn von einem "Stürmen" des Marais-Viertels zu sprechen, ist zweifellos übertrieben – es handelte sich um das Eindringen einer Bande von 20 bis 25 jungen Männern, die sich vor dem Heranrücken der Polizei wieder verzog. Zu physischer Gewalt kam es nicht, der Einschüchterungseffekt war jedoch erheblich.

Hingegen trifft der Ausdruck "schwarze Antisemiten" die Charakterisierung der Gruppe, die hinter dem Ereignis stand, vollkommen richtig. Man kann die "Tribu K", die den Zwischenfall organisiert hat, auch ansonsten und ganz allgemein als rassistisch und ethno-zentristisch charakterisieren. Im folgenden soll die politisch-ideologische Natur dieser Gruppierung, die nunmehr ins Visier des französischen Innenministers Nicolas Sarkozy geraten ist, näher skizziert werden. Voraus geschickt sei noch, dass die militant auftretende Kleingruppe für den auf die o.g. Vorfälle folgenden (Pfingst-) Sonntag, den 04. Juni, erneut ihr Eindringen in das Marais-Viertel angekündigt hatte. Dieses Mal tauchte sie aber nicht auf. Wenn ihr Kommen auch ausblieb, so profitierte sie doch von dem erheblichen Medienrummel, der durch ihre Ankündigung und die Ereignisse der Vorwoche entstanden war. Journalisten und Reporter waren ebenso vor Ort wie Polizisten.

Hintergründe der Vorfälle

Den (angebliche) Anlass für die "Strafexpedition" bzw. das Eindringen in den Marais vom 28. Mai bildete die Forderung nach "Rache" an Mitgliedern der rechtsextremen "Jüdischen Verteidigungsliga" (LDJ, Ligue de défense juive), die ganz gern in den Straßen des Marais ihre Aufkleber verklebt. Die LDJ ist der französische Ableger der - in den USA und Israel, aber nicht in Frankreich formell verbotenen - rassistischen Kach-Bewegung, der u.a. der rechtsextreme Mörder Baruch Goldstein (1994) angehörte. Ende Februar 2006, als die Affäre um die Entführung und grauenhafte Ermordung des jungen Juden Ilan Halimi durch eine kriminelle Bande (die in ihm als Juden einen Menschen mit notwendig reichen Angehörigen ausgemacht hatte) für Schlagzeilen und für Entsetzen sorgte, hatte die LDJ zeitweise unbeteiligte Schwarze sowie maghrebinische Immigranten angegriffen. Denn der Chef der Bande, der durch seine eigene Leute als "Gehirn der Barbaren" bezeichnete Youssouf Fofana, war ein Schwarzer, und andere Bandenmitglieder waren maghrebinischer Herkunft, denen aber auch weiße Franzosen und ein Sohn portugiesischer Einwanderer zur Seite standen.

Daraufhin hatte die Ethno-Sekte "Tribu K" ihrerseits Rache geschworen. Sie verstieg sich sogar dazu, eine Form von Solidarität mit Youssouf Fofana zu bekunden: Dessen Bestrafung wurde zwar nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern die Gruppierung zog sich darauf zurück, einen "fairen Prozess" für ihn zu fordern – bezeichnete ihn aber zugleich, auf Grundlage "ethnischer" Zugehörigkeit, als "Bruder". Die LDJ (die tatsächlich auf unakzeptable Weise Rache und Selbstjustiz forderte, und ankündigte: "Fofana, die Juden bekommen Deinen Kopf") wurde seitens der "Tribu K" mit folgenden haarsträubenden Worten bedroht: "Wenn ihr jemals in Versuchung geratet, unserem Bruder auch nur ein Haar zu krümmen, statt ihn ein faires Verfahren haben zu lassen, dann werden wir uns sorgfältig um die Schläfenlocken Eurer Rabbiner kümmern." Das E-Mail mit diesem Text soll, über die Extremisten der LDJ hinaus, aber auch an andere (nicht näher benannte) jüdische Organisationen gegangen sein (so die Tageszeitung 'Libération' vom 01. Juni, aus der auch das Zitat stammt).

In Gestalt der "Tribu K" auf der einen, und der LDJ auf der anderen Seite haben sich die "Richtigen" gefunden, denn auf beiden Seite stehen sich Ethno-Extremisten gegenüber. Aber der - anfänglich mal – reale Konflikt mit der LDJ (die in Wirklichkeit auch nur eine Gruppierung ist, die allenfalls über ein paar hundert Mitglieder oder aktive Sympathisanten verfügt) hat sich für die "Tribu K" längst zum Vorwand entwickelt, um in Konflikt mit Teilen der jüdischen Community im allgemeinen zu treten. Schon das o.g. Zitat zeugt davon, weil die LDJ einerseits und jüdische Rabbiner andererseits schon mal sehr unterschiedliche "Ziele" ihrer Hassausbrüche darstellen. Ansonsten spricht die "Tribu K" davon, die Konfrontation mit – wie sie sich ausdrückt – "den jüdischen Milizen" aktiv zu suchen. Dazu rechnet sie neben der LDJ auch den Betar, eine politische und teilweise paramilitärischen Organisation, die dem französischen Likud-Block nahe steht. Der Betar steht ebenfalls weit rechts im politischen Spektrum, ohne derart extremistisch und durchgeknallt zu sein wie die LDJ.

Aber bei ihrem Eindringen in den Marais ergingen die "Tribu K"-Aktivisten oder –Schläger sich auch in Beschimpfungen und Drohungen gegen jüdische Händler, die bis zum Beweis des Gegenteils schlichtweg nichts mit den Gruppen LDJ und Betar zu tun haben. Mindestens ein betroffener Händler hat Anzeige wegen rassistischer/antisemitischer Beschimpfungen erhoben. Der Chef der "Tribu K" erklärte gegenüber der französischen Presse (zitiert aus 'Libération' vom 31. Mai): "Am Sonntag wollten wir den Kriminellen (aus) der jüdischen Gemeinschaft gegenüber treten, die Mitglieder der schwarzen Gemeinschaft zusammen geschlagen haben. Wenn das bedeutet, Antisemit zu sein, dann bin ich Antisemit." Hier wird deutlich, dass die Rede nicht (oder nicht hauptsächlich, nicht allein) von einer gegnerischen politischen Struktur ist, sondern von der Konfrontation mit einer anderen Bevölkerungsgruppe.

Reaktionen und Verbotsdrohungen

Infolge der Vorfälle vom letzten Wochenende im Mai machte der französische Innenminister ab dem (Montag) 29. Mai Druck, um die Abschaltung der Homepage der "Tribu K" zu erreichen. Ab dem Dienstag Vormittag, 30. Mai war der Zugang zu der Webpage tatsächlich gesperrt. Das Innenministerium prüft Verbotsmaßnahmen gegen die Gruppierung, und der Minister Nicolas Sarkozy geißelte bei einem Besuch im Marais am 31. Mai ihre "wahnhaften, absurden und Äußerungen", die ebenso von Antisemitismus geprägt seien wie "ins Reich der Psychiatrie" gehörten.

Die Antirassismusorganisation SOS Racisme und die jüdische Studentenunion UEJF fordern ihrerseits die Auflösung der Gruppierung. Dagegen verlangt der Rechtsaußenpolitiker Philippe de Villiers, der kurz nach Innenminister Sarkozy im Marais aufkreuzte und diesem (durch Forderung nach schärferen Repressionsmaßnahmen) die Show zu stehlen versuchte, den Mitgliedern der Gruppierung "die französische Staatsbürgerschaft zu entziehen" und sie aus Frankreich zu entfernen. Er tut damit so, als ob es sich um ein Problem der "Reinhaltung" Frankreichs handele, das dadurch sozusagen wieder blütenweiß unschuldig werde. In Wirklichkeit handelt es sich mitnichten um ein Problem der Grenzziehung zwischen 'guten' und 'schlechten' Bevölkerungen, sondern um ein politisches (kein "ethnisches") Problem. Denn das Beispiel der "Tribu K" belegt doch just, dass Rassismus wirklich keine Grenzen kennt – und dass beispielsweise auch (manche) Schwarze, die selbst Opfer von eindeutigem Rassismus wurden oder werden, durchaus selber Rassisten sein oder werden können.

Die "Tribu K" : Eine ethnozentristische Sekte

Die Gruppierung, deren französischer Name "Tribu K" (ausgesprochen Tribü Ka) wörtlich so viel wie "Stamm K" bedeutet, akzeptiert für sich selbst die Bezeichnung als Sekte. Sie ist weit davon entfernt, auch nur in Ansätzen eine Massenbewegung darzustellen: Ihre Mitgliederzahl beträgt laut Innenminister Nicolas Sarkozy 30, nach anderen Angaben 50 Personen (vgl. 'Libération' vom 31. Mai 2006).

An ihrer Spitze steht ein als charismatisch geltender 25jähriger Chef, der sich Kémi Séba nennen lässt und sich über seine bürgerliche Identität und Biographie ziemlich konsequent ausschweigt. Lange Zeit war sein ziviler Name nicht bekannt, der nach jüngeren Angaben (die in verschiedenen Quellen miteinander übereinstimmen) Stellio Gilles Robert Capochini lautet. Nach der Mehrzahl der verfügbaren Informationen ist der Mann im ostfranzösischen Strasbourg (Straßburg) geboren, von Eltern, die aus Benin stammen - wo der Name Capochini tatsächlich weit verbreitet ist. Demnach läge das oben zitierte 'City-Journal' falsch, das (soweit übersehbar, als einzige Quelle) behauptet, seine beiden Eltern stammten aus Haiti und von der Côte d'Ivoire/Elfenbeinküste.

Das ebenfalls bereits zitierte 'Jetzt-Magazin' schreibt über den jungen Mann: "Der 24-jährige Kémi Séba, in Straßburg geboren, hat früh schon selbst erfahren, was Rassismus ist, als er von weißem Pöbel angespuckt wurde, von Leuten, die es witzig finden, auf Fußballplätzen Affenschreie nachzuäffen, wenn sie einen Schwarzen sehen. So wird die Gewalt gesät, das sind Erfahrungen, die noch immer viele aus den Vorstädten machen müssen - und manche wehren sich, indem sie selbst Rassisten werden." Diese Zusammenfassung trifft den Nagel, in ihrem letzten Satz, haargenau auf den Kopf.

Im Dezember 2002 begründete Capochini alias 'Kémi Séba' eine eigene politische Partei unter dem Namen "le Parti Kémite", aber anscheinend hatte er nicht sehr viel Erfolg damit. Im Dezember 2004 nahm er einen neuen Anlauf und gründete (durch Abspaltung vom erfolglosen "Parti Kémite") eine neue Organisation - dieses Mal in Gestalt einer eher sektenähnlichen Gruppierung, deren Quasi-Guru er selbst ist, eben der "Tribu K". Durch soziale Hilfsmaßnahmen für gesellschaftlich total gescheiterte bzw. an den Rand gedrängte junge Schwarze, etwa im Falle von "Schulversagen", in manchen Trabantenstädten konnte die Gruppierung einige Anhänger gewinnen.

Ihre Ideologie lässt sich als ethnozentristische, neue (Pseudo-)Religion bezeichnen, die durch diese Gruppierung selbst begründet worden ist und propagiert wird. Dennoch kann man sagen, dass die "Tribu K" nur die durchgeknallte, extrem zugespitzte Erscheinungsform einer diffusen ideologischen Strömung darstellt, die (jedenfalls in einigen ihrer wichtigsten Merkmale) über die Reihen der sektenähnlichen Gruppe hinaus reicht.

"Auserwähltes Volk" : Die Kémiten

Die "Tribu K" behauptet, die Schwarzen seien "das auserwählte Volk" in einem göttlichen Plan. Dieses bezeichnet sie, mit einem von ihr neu geschaffenen Namen, als "Kemiten" (daher auch der Name "Stamm K", als Abkürzung für die Begriffsschöpfung). Die Charakterisierung als "Schwarze" lehnt sie strikt ab, da dies "die Sprachregelung der Sklavenhalter" sei.

In ihrer pseudo-religiösen und ethnischen Ideologie war das Alte Ägypten die erste und wichtigste menschliche Hochkultur, deren sämtliche Angehörige und Träger in Wirklichkeit - entgegen verbreiteten Darstellungen – alle Schwarze bzw. Kemiten gewesen seien. (Tatsächlich waren die Nubier, die aus dem Süden des damaligen Ägypten und dem heutigen Sudan kamen, schwarz. Aber nicht alle Bewohner des alten Ägypten.) Von ihr stammten alle anderen Kulturen ab, weshalb die Kemiten eben dazu berufen seien, die anderen Völkerschaften anzuleiten, die noch auf allen Vieren gekrochen seien, als das damalige Ägpyten bereits ein großes Königreich war. Deshalb bezieht die Sekte sich in ihrer pseudo-religiösen Mixtur auch auf den altägyptischen Gott Aton. Im Rahmen eines selbst entworfenen Kults hat die Gruppierung auch exotische Begriffe für ihre (aktiven) Anhänger kreiert: So heißen die männlichen Mitglieder ("Brüder") bei ihnen Medzatonen, und die "Schwestern" Aset.

Die Gruppierung tritt gegen "Rassenmischung" ein, die sie als eine "Infektion" bezeichnet, durch welche das reine schwarze Volk degeneriere. Menschen mit weißer Hautfarbe bezeichnet sie als "Leucodermes" ; dieser ebenfalls neu geschaffene Begriff setzt sich zusammen aus einem altgriechischen Begriff für 'weiß' (wie im medizinischen Wort für weiße Blutkörperchen, Leukozyten) und dem Suffix –derme für 'Haut'. Den Schwarzen bzw. "Kemiten" kommt, laut der Gruppenideologe, eine Rolle als natürlicher "Führungsgruppe der Menschheit" (guide de l'humanité) zu. Konsequenter Weise verwehrt die Gruppierung "Weißen, Arabern und Juden" jeden Zutritt zu ihren Versammlungen. Insofern grenzt die Sekte sich von allen Nicht-Schwarzen oder Nicht-"Kemiten" gleichermaßen ab.

Ein besonderer Stellenwert kommt dennoch der Abgrenzung von den Juden zu. Denn nicht zufällig klingt der Begriff "Kemiten" wie "Semiten" (auf französisch: kémites und sémites). Und auch die Begrifflichkeit vom "auserwählten Volk", unter Anspielung auf das Alte Testament der Bibel, soll wohl den Anspruch verdeutlichen, die Juden von ihrem Platz in der Überlieferung der bekannten monotheistischen Religionen zu verdrängen – und einen neu geschaffenen Mythos an die Stelle der biblischen Geschichtsschreibung zu setzen.

Schwarze und Juden: Wunsch nach "Opferkonkurrenz"

Was dahinter steckt, ist folgendes: Die Leute von "Tribu K" beschweren sich einerseits darüber, dass Schwarze in den verbreiteten Darstellungen, wie sie durch die monotheistischen Religionen benutzt werden, oft nicht vorkommen – oder nur in untergeordneter Rolle, wie etwa als einer der "Heiligen drei Könige" zu Anfang des Neuen Testament. So stellten die christlichen Kirchen Gott über historisch sehr lange Zeiträume hinweg durchgehend als weißen Mann dar (in kindlichen Darstellungen mit langem Rauschebart usw.). Bei den christlichen Kirchen auf dem afrikanischen Kontinent hat sich das vielleicht inzwischen geändert - da werden schon auch mal Schwarze als Modell für Darstellungen der biblischen Erzählungen genommen . Aber in Frankreich, wo auch circa 2 Millionen Schwarze leben (mitsamt den Staatsbürgern in den "Überseegebieten": Antillen, La Réunion), natürlich nicht.

Deshalb besteht das Herangehen der "Tribu K"-Leute darin, zu sagen, man müsse eine neue Religion kreieren bzw. (angeblich) "wieder entdecken", die den Schwarzen ihren angemessenen Platz gebe. Diese Erscheinung ist als solche nicht völlig neu, so behauptet beispielsweise auch die Rastafari-Bewegung, auf der Suche nach den Wurzeln der Schwarzen in einer afrikanischen Hochkultur – an die es wieder anzuknüpfen gelte – fündig geworden zu sein. Nur glaubte die Rastafari-Bewegung, in einem (mystisch verklärten) tausendjährigen Äthiopien fündig geworden zu sein, und bezog sich nicht auf das Alte Ägypten. Und die Rastafaris wirken eher freakig-harmlos oder jedenfalls vergleichsweise unaggressiv, neben der "Tribu K" und ihrer Ideologie (auch wenn die Rastafari-Bewegung ihrerseits dennoch einige bedenkliche Elemente, etwa eine scharfe Homophobie, enthält).

Andererseits gibt es in einem Teil der schwarzen Bevölkerung (wie auch bei anderen Minderheiten und Migrantengruppen) eine neidvolle Selbstvergleichung mit der jüdischen Bevölkerung in Frankreich. Diese beruht im Kern auf der Aussage : "Die sind eine Minderheit wie wir, aber ökonomisch besser integriert, stärker im öffentlichen Leben präsent, meistens in besseren Berufen als unsere Leute". Was, zumindest bezogen auf den Durchschnitt (da auch 25 % der französischen Juden arm sind, und es natürlich auch reiche Schwarze gibt), im allgemeinen auch zutrifft. Als seit 2.000 Jahren in Frankreich lebende Minderheit haben die Juden natürlich auch mehr Spuren in der Geschichtsschreibung oder im historischen Gedächtnis hinterlassen. Und zumindest heute (nach der Shoah, da offener Antisemitismus vom Staat und in weiten Teilen der Gesellschaft tabuisiert wird) versucht man diese Spuren auch positiv hervor zu heben. Viele Migrantengruppen vergleichen sich selbst und ihre eigene Stellung in der französischen Gesellschaft damit. Sei es, um zu sagen: "Wir müssen zusammen halten, uns anstrengen und es schaffen, genau so Wahrnehmung zu finden". Oder sei es auch, um den Juden ihre "privilegierte Stellung" vorzuwerfen und die eigene Zurücksetzung durch deren "Privilegierung" (sich selbst) zu "erklären".

Bei manchen schwarzen Vertretern (die aber ganz klar eine Minderheit darstellen!) führt das zu einem regelrechten Hass. Einem Hass, dessen Protagonisten eine Aufrechnung betreiben dergestalt, dass sie sagen: "Die Juden sind auch deshalb eine besonders gut behandelte Minderheit, weil man sie aufgrund der Shoah immer nur mit Samthandschuhen anfasst. Aber genau deshalb spricht man nicht von der Sklaverei und anderen Verbrechen gegen die Menschheit/Menschlichkeit."

Das ist, was man klassisch als "Opferkonkurrenz" (oder Anerkennungskonkurrenz) bezeichnet. Ein ähnliches Phänomen gibt es auch in den USA, wo eine sich stark negativ von den Juden abgrenzende Strömung der schwarzen Gesellschaft in Gestalt der "Nation of Islam" des Predigers Louis Farrakhan existiert. Der "Tribu K"-Begründer, der sich Kémi Séba nennen lässt, gehörte übrigens ursprünglich selbst einer (kleinen) französischen "Black muslim"-Gruppe an, die mit Farrakhans Ideen und Strömung sympathisiert. Später wandte er sich aber von ihr ab, mit der Begründung, die Black muslims bezögen sich ja positiv auf den Islam – was aber nicht sein dürfe, dass dieser ja einer von Arabern (und damit Semiten, oder jedenfalls Nicht-Kemiten) begründete Religion und damit eine fremdrassige Schöpfung sei.

"Tribu K" und Dieudonné

Die Erscheinung der "Opferkonkurrenz" oder Anerkennungskonkurrenz prägt etwa stark den Werdegang eines Dieudonné. Also jenes Theatermachers mit französischen und kamerunischen Eltern, der wesentlich einflussreicher ist (oder zumindest bis in jüngere Vergangenheit hinein war) als die Sekte "Tribu K", aber ebenfalls mit immer stärkeren antisemitischen Tendenzen hervor tritt. Dieudonné fing als antirassistischer Universalist anfing - und steigert sich aber seit zwei bis drei Jahren in einen immer fanatischeren Judenhass hinein. Und da kann man ihm auch nicht mehr damit kommen, dass der "Code Noir" (das unter dem Monarchen Ludwig/Louis XIV. eingeführte Gesetzbuch zur Regelung der Sklaverei) bereits in seinem Artikel 1 die Bestimmung enthält, dass "Juden von diesem Kommerz ausgeschlossen sind". Dieudonné hat auch darauf eine vermeintliche Antwort, die freilich jedweder historischen Grundlage entbehrt: Die jüdischen Händler hätten es vorher so arg getrieben (Kinder von Sklaven ertränkt, "männliche Erwachsene kastriert", ...) dass "die Christen einschreiten mussten"...

Manche Protagonisten einer solchen Tendenz im politischen Denken stellen dann auch die bestehenden Schutzvorschriften, die sich u.a. gegen Holocaustleugnung und antisemitische Äußerungen richten (aber daneben auch gegen rassistische Hetze, denn die gesetzliche Grundlage ist dieselbe), als "ungerechtfertigte Tabusierung aller Kritik des jüdischen Einflusses" in Frage. Gar so weit geht Dieudonné in der Regel noch nicht. Aber in seinem Interview mit der nationalrevolutionär geprägten Monatszeitschrift "Le Choc du mois" (Nummer 1 der neuen Folge, Mai 2006) spricht er sich aber gegen die Loi Gayssot aus. Das ist jenes Gesetz von 1990, das das seit 1972 bestehende Anti-Rassismus-Strafgesetz verschärft und die Strafbarkeit der Holocaust-Leugnung in dieses hinein integriert. Dieudonné tut dies im Namen der "notwendigen Freiheit der historischen Debatte" - letztere dürfe ganz allgemein nicht durch Gesetze über die Geschichtsschreibung reglementiert werden. Gleichzeitig fordert er in demselben Interview die Einrichtung eines neuen Gesetzes zur Anerkennung der Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschheit/Menschlichkeit. Das ist widersprüchlich, wenngleich Dieudonné das durch eine Pirouette auszugleichen versucht, indem er sagt, das von ihm geforderte letztgenannte Gesetz solle "der historischen Debatte ihren Freiraum belassen".

Man muss betonen, dass es sich bei diesem radikalen Flügel (ob es sich nun um den ideologisch abdriftenden Dieudonné, oder um die weit einflusslosere "Tribu K" handele) um eine kleine Minderheit handelt. Viele, vor allem christliche Schwarze verstehen sich selbst auch als pro-jüdisch, da sie sich positiv auf die Bibel beziehen und/oder weil sie sich eher mit der Leidensgeschichte der europäischen Juden identifizieren, anstatt diese als Konkurrenz zum Erinnern an das Leiden der schwarzen Opfer von Sklaverei und Kolonialismus aufzufassen. Und nur wenige Schwarze meinen, dass sie auf Dauer gesellschaftlich etwas gewinnen können, indem sie selbst zu Rassisten werden. Der neu gegründete CRAN als eine Art "Zentralrat der Schwarzen" etwa hat eine klar antirassistisch-universalistische Position. Dieudonné spricht sich deshalb auch gegen den CRAN aus, mit dem (im o.g. Interview benutzten) demagogischen Argument, dieser sei "kommunitaristisch" und er selbst sei "Anhänger der universalistischen Republik" - was nun wirklich reichlich demagogisch verdreht ist. Aber es gibt eben auch eine rassistische und antijüdische Minderheit, die sich ähnlich entwickelt wie die Farrakhan-Strömung in den USA. In ihrem Vorwort zum Interview mit Dieudonné vergleicht die nationalrevolutionäre Zeitschrift "Le Choc du mois" diesen deshalb auch mit Louis Farrakhan, in Frageform (die Beantwortung der Frage nach einer Ähnlichkeit allerdings offen lassend).

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Agieren von Dieudonné und jenem der "Tribu K", oder nicht? Heute distanziert Dieudonné M'Bala M'Bala sich klar vom Extremismus dieser Sekte, was ihm eine wohlfeile Profilierung als "moderater Vertreter" verschaffen soll. Umgekehrt möchte auch die "Tribu K" heutzutage nicht mehr viel von Dieudonné wissen, dem sie vorwirft, dem "Integrationismus" in die weiße Mehrheitsgesellschaft zu fröhnen – während sie selbst konsequent "afrozentristisch" sei und sich separatistisch geriert, d.h. für die klare Trennung von der weißen bzw. "durchmischten" Mehrheitsgesellschaft eintritt.

Dem war aber nicht immer so. Im Februar 2004, als Dieudonné zum ersten Mal mit massiven Gegenmobilisierungen (aus der jüdischen Community) nach seinen vorangehenden öffentlichen Sprüchen konfrontiert war, kam es zu einer Solidaritätskundgebung für den Theatermacher vor dem Pariser Olympia-Saal, wo er vorher einen Auftritt wegen Gewaltdrohungen hatte absagen müssen. Aus diesem Anlass soll Dieudonné den damaligen "Parti Kémite" damit beauftragt haben, den Ordnerdienst für die Versammlung zu stellen. Dies wird jedenfalls in einem Artikel behauptet, der unter http://www.surlering.com/article.php/id/4716 veröffentlicht worden ist. Und in den Anfangsmonaten nach ihrer Neugründung, Ende 2004, hielt die nunmehrige "Tribu K" ihre Versammlungen in den Räumlichkeiten des "Théâtre de la Main d'Or" ab – traf sich also in dem Theater, das Dieudonné persönlich gehört. Über Kontakte zwischen dem Theater und der "Tribu K" berichtete auch die rechtsbürgerliche Tageszeitung 'France Soir' in ihrer Ausgabe vom 13. Mai 2005 (Mitglieder der Sekte seien in dem Theater "als Freunde empfangen worden") und die jüdische Monatszetschrift "L'Arche" unter der Feder des Rechtsextremismus-Spezialisten Jean-Yves Camus in ihrer Nummer vom Juni 2005. In den darauf folgenden Monaten kam es dann allerdings zu erheblichen Spannungen, da die "Tribu K" Dieudonné vorwarf, dass sein Theater auch für Weiße bzw. ein gemischtes Publikum offen stehe – während letzterer ihr vorwarf, dass ihre Treffen nur "Kemiten" offen stünden, was Dieudonné als rassistische Praxis bezeichnet. Dem Reinheitsgebot der "Kemiten"-Sekte kann Dieudonné (der einen kamerunischen Vater und eine bretonische Mutter hat) im übrigen ohnehin nicht genügen.

Auf einer Homepage, die aber als Quelle mit höchster Vorsicht zu genießen ist (da es sich um eine Website weißer rechter Rassisten handelt) ist im übrigen ein Foto dokumentiert, das – angeblich – Dieudonné auf einer Demonstration im Mai 2005 zeigt, der von Bodyguards der "Tribu K" geschützt wird. Dies ist möglich (Dieudonné war tatsächlich auf der fraglichen Demonstrationen anwesend), dass es sich bei seinen Begleitern auf der Abbildung tatsächlich um Anhänger der Sekte handelt, wird allein durch das Foto noch nicht bewiesen. Die Homepage ist ansonsten zwar gewiss nicht von Sympathien für schwarze Rassisten und ihre Ideologie geprägt, wohl aber von ekelerregendem "weißem" Rassismus gegen (vor allem moslemische) Einwanderer. (Und hier dennoch die Quelle für das Foto)

Heute distanziert Dieudonné sich hörbar und vernehmlich von den Ethno-Spinnern der "Tribu K". Seine eigene Ideologie wird dadurch nicht besser.

Frankreichs Rechtsaußen (5):
Dieudonné schüttet Öl ins Feuer
Erstmals kann Dieudonné seit einigen Wochen nicht länger behaupten, er sei "noch nie gerichtlich verurteilt worden" für seine Hetzäußerungen, sondern er habe immer "Recht bekommen". Bis dahin hatte er es tatsächlich immer geschafft, Freisprüche zu erzielen...

hagalil.com 14-06-2006

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