Rechtsextremismus im Internet
Klaus Parker
3. Offizielle Gegenstrategien
Das Internet folgt, wie oben ausgeführt, seinen eigenen technischen
Grundlagen. Es ignoriert grundsätzlich jegliche nationalstaatliche Grenzen
und damit auch die jeweiligen Rechtsordnungen. Es ist dem Grunde nach
unbeherrschbar. Von Zeit zu Zeit wohlfeil auftauchende Patentrezepte werden
zum Scheitern verurteilt sein:
3.1 Filtersoftware
Hierbei soll die weiterzuleitende bzw. anzuzeigende Webseite auf
bestimmte in einer Datenbank geschlüsselte Begriffe untersucht werden. Eine
Filterung des gesamten Textes nach Reizbegriffen würde zwangsläufig auch
Seiten indizieren, die sich im Sinne der staatsbürgerlichen Aufklärung mit
Rechtsextremismus und Neonazismus beschäftigen. Wahrscheinlich wäre die
Internetseite des Bundesamtes für Verfassungsschutz eine der ersten
ausgefilterten Internetseiten, weil dort Namen und Begriffe aus der rechten
Szene zwangsläufig auftauchen.
Filtersoftware kann durchaus nützlich sein, wenn diese in
Eigenverantwortung des Nutzers betrieben wird. Dieser kann dann bestimmen,
welche Internetinhalte er bzw. seine minderjährigen Kinder nicht zur
Kenntnis nehmen wollen oder sollen.
3.2 Sperrung rechtsextremistischer Seiten durch Zugangsanbieter
Das Netz und seine Protokolle wurden konzipiert, um Daten trotz Störung
zu übermitteln. Die Sperrung von abrufbar gehaltenen Seiten ist eine solche
"Störung". Diese "läßt das Netz nicht zu". Dies soll an einem Beispiel
erläutert werden:
Für einen Access-Provider stellt die Möglichkeit der Änderung in der von
ihm betriebenen DNS-Server-Datenbank die naheliegenste und oftmals einzige
Möglichkeit von Seitensperrungen dar. Die eigentliche Zieladresse, die der
Rechner des Nutzers ansteuert, besteht nicht in dem bekannten URL, wie z.B.
"www.irgendwo.de", sondern in einem numerischen Zifferblock wie
127.45.120.200, der sog. IP-Nummer. Die Zuordnung des URL zur eigentlichen
IP Adresse erfolgt über das "Domain Name System". Bei der Eingabe eines URL
wird also zunächst ein DNS-Server angesteuert, der anhand der Datenbank die
IP-Adresse ermittelt. In der Regel vergibt der Access-Provider die
EP-Adresse des von ihm genutzten DNS-Server an den Nutzer.
Alle weltweit vorhanden DNS-Server gleichen den jeweiligen Datenbestand
untereinander ab und aktualisieren ihn. Jedoch kann der Betreiber eines
solchen Servers bestimmte Datensätze von der Aktualisierung ausschließen und
so die Zuordnung von URL und Ziel-BP manipulieren. Er kann mithin z.B. den
URL www.vho.org (ein von dem flüchtigen Rechtsextremisten Germar Rudolf
betriebenes "revisionistisches" Internetangebot) in der Datenbank mit der IP
194.8.192.40 verknüpfen. Dies ist die D?, die dem URL
www.verfassungsschutz.de, mithin dem Bundesamt für Verfassungsschutz
zugeordnet ist. Der Nutzer landet also nicht auf der von ihm angesteuerten
rechtsextremistischen Seite, sondern auf einer beliebigen, vom
Access-Provider bestimmten anderen Seite, im -fiktiven- Beispielfall eben
beim BfV in Köln.
Diese "Sperrung" ist aber vom Nutzer mit wenigen Eingaben in der
Browser-Konfiguration zu umgehen. Er braucht sich lediglich eines anderen
der unzähligen DNS-Server zu bedienen und sich diesen nicht von seinem
Access-Provider vorgeben zu lassen.
Es gibt noch diverse andere Möglichkeiten, derartige "Sperrungen" ins
Leere laufen zu lassen, die hier nicht im Einzelnen erläutert werden sollen.
Unrühmlich haben sich mit derlei Augenwischerei in der jüngsten
Vergangenheit diverse eidgenössische Internet-Service-Provider auf Druck des
Schweizer Bundespolizeiamtes in Bern hervortun müssen. Die "Sperrung" von
Seiten eines berüchtigten US-Dienstes, der fast ausschließlich
neonazistische Haßseiten in seinen Unterverzeichnissen hostet, wurde
dahingehend bewußt wahrheitswidrig kommentiert, besagte Sites "wären vom
Netz". Das waren sie aber nicht! Die Schweizer Access-Provider hatten
lediglich ihren Kunden dunkle Sonnenbrillen untergejubelt, damit diese
glauben sollten, die scheinende Sonne sei der Mond.
3 Ehemaliges offenes Forum zum Thema Antisemitismus des jüdischen
Online-Magazins haGalil, April 1999.
3.3 Vereinheitlichung der Rechtslage
Aufgrund der Grenzenlosigkeit des Mediums Internet entfalten nationale
Gesetze praktisch, d.h. in ihrer Durchsetzbarkeit, nur eine geringe Wirkung.
Dennoch besteht in bezug auf Delikte der Volksverhetzung, mithin in bezug
auf Hate-Speech-Delikte, durchaus ein international anerkannter
Mindeststandard für die jeweils nationale Gesetzgebung. Die hier wohl
bedeutendste Ausnahme hierzu stellen die USA dar.
Nach dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom
19. Dezember 1966 verpflichten sich die Vertragsstaaten, jedes Eintreten für
nationalistischen, rassistischen oder religiösen Hass, durch welches zur
Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird, zu
verbieten. Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von
Rassendiskriminierung vom 9. Mai 1966 verpflichtet die Vertragsstaaten, jede
Verbreitung von Ideen, die sich auf die Überlegenheit einer Rasse oder den
Rassenhass gründen, jedes Aufreizen zur Rassendiskriminierung und jede
Gewalttätigkeit oder Aufreizung dazu gegen eine Rasse oder Personengruppe
anderer Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit sowie jede Unterstützung
rassenkämpferischer Betätigung einschließlich ihrer Finanzierung zu einer
nach dem Gesetz strafbaren Handlung zu erklären. Dieser Konvention sind 154
Staaten beigetreten. Die jeweilige Umsetzung dieser Konvention in nationales
Recht erfolgt selbstredend vor dem Hintergrund der unterschiedlichen
historischen Erfahrung der Nationen. Geprägt durch die Geschichte des 20.
Jahrhunderts ist das deutsche Strafrecht
streng ausgestaltet. In der Ausgestaltung der Vorgaben der Konvention kommen
Österreich, die Schweiz, Frankreich, die Niederlande und Israel der
rechtlichen Situation in Deutschland sehr nahe.
Die USA haben zwar die oben angeführte CERD-Convention ratifiziert,
jedoch einen Verfassungsvorbehalt gemacht. Insofern läuft in den USA
aufgrund des ersten Zusatzartikels zur Verfassung von 1791 (First Amendment:
"Congress shall make no law... abridging the freedom of speech ...")
die Umsetzung der Konvention ins Leere. Es ist nicht damit zu rechnen, daß
die USA sich der internationalen Poenalisierung von Hate-Speech anschließen.
4.
Wirksame Gegenstrategien
Klaus Parker, Studium der
Pädagogik in Bremen sowie der Rechtswissenschaften in Hagen und Bremen. Er
ist zuständig für den Bereich "Rechtsextremismus im Internet" bei dem
jüdischen Online-Magazin haGalil
und lebt in Berlin.
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