Antisemitismus in Osteuropa:
Ungarn und die Slowakische Republik
Die unterschätzte Gefahr
RealVideo
Autor : Markus
Rosch, report münchen,
http://www.br-online.de
Geschändete Friedhöfe in der Slowakei.
Antisemitische Hetze der übelsten Art in Ungarn. Das Gespenst des
Antisemitismus kehrt zurück. In den meisten EU-Beitrittsländern sind
Rassenhass und Judenfeindlichkeit immer noch an der Tagesordnung.
report München fährt in die Slowakei. Dort
gibt es nur noch eine kleine jüdische Gemeinde. Im Zweiten Weltkrieg
wurden hier 100.000 Juden von den Nazis ermordet. Heute leben in der
Hauptstadt Bratislava etwa 5000 Juden. Tamara Archebova ist
eine von ihnen. Die Mutter zweier Kinder hat in letzter Zeit Angst
abends auf die Strasse zu gehen und als Jüdin erkannt zu werden.
Übergriffe von Jugendlichen und Skinheads haben stark zugenommen.
Auch deshalb traut Tamara sich schon lange nicht mehr ihren
Davidstern offen zu tragen. Sie sagt:
„Ich sehe hier Parallelen zum Anfang des Nationalsozialismus in
Deutschland in den 30iger Jahren. Die Nazis wollten angeblich die
Ordnung in der Gesellschaft wiederherzustellen. Bei uns ist es im
Moment ähnlich.“
Der lange Zeit verdeckte Antisemitismus in der Slowakei zeigt sich
immer offener. Jüdische Einrichtungen werden geschändet, mit
Hassparolen wird Angst erzeugt. Michal Vasecka, Direktor im
unabhängigen Institut für öffentliche Studien (Institut of Public
Affairs), untersucht den Antisemitismus in der Slowakei.
Ergebnis: Rassenfeindlichkeit nimmt zu, staatliche Maßnahmen dagegen
gibt es wenig:
„Viele Leute betrachten die Juden immer noch als gefährlich für
die Entwicklung der slowakischen Gesellschaft. Ich würde auch sagen,
dass es in der slowakischen Elite wenig Sensibilität gegenüber den
Auswüchsen des Antisemitismus gibt.“
Die Slowakische Regierung aber sieht wenig Handlungsbedarf. Das
Problem wird heruntergespielt. Der Vize-Premier Pal CSAKY
sagt:
„Wir haben einen Regierungsrat, der sich alle zwei Monate trifft
und über die Bedürfnisse der Minderheiten redet, die Situation ist
gut und stabil.“
Tamara Archebova ist auf dem jüdischen Friedhof in
Bratislava. Im Gedenken an den Völkermord in der Slowakei. Sie
hofft, dass durch die Öffnung nach Europa die Situation für die
slowakischen Juden verbessern wird:
„Von dem Beitritt erwarte ich mir, dass die Leute mehr reisen
werden. Hauptsächlich junge Leute machen dadurch Erfahrungen.
Vielleicht werden sie toleranter gegenüber Minderheiten und anderen
Kulturen und dass könnte unsere Gesellschaft verändern.“
report München fährt die Donau abwärts weiter nach Budapest.
Heute lebt hier die größte jüdische Gemeinde in Osteuropa. Über eine
halbe Million ungarischer Juden überlebten den Nazi-Terror nicht.
Besuch am Denkmal für die ermordeten Juden des Zweiten Weltkrieges.
Jedes Schild trägt einen Namen. Hier trifft report München
die Antisemitismusforscherin Magdolna Marsovszky. Sie
beobachtet in letzter Zeit in Ungarn den Anstieg eines nationalen
Antisemitismus. Dieser Antisemitismus ist subtil und oft
verschlüsselt, denn:
„Antisemitismus ist in Ungarn ein nationaler Antisemitismus, das
heißt, dass man sich hier unter Nation eine homogene Gemeinschaft
vorstellt. Das ist kombiniert mit der Ethnisierung des Volkes, also
man stellt sich das Volk als homogene Gemeinschaft, als Magyarentum
vor. In einer solchen Situation sehen wir von der
Antisemitismusforschung, dass Exklusion erfolgt, irgendwelche
Gruppen müssen ausgegrenzt werden. Und das sind in Ungarn meistens
die Juden.“
Besuch in der Skythen-Buchhandlung in der Budapester Innenstadt.
Offen wird hier Hetzpropaganda zum Verkauf angeboten. Die Titel: Der
ertappte Kapitalist, Der Landesverräter. Normalität in Ungarn, wir
der Journalist Laszlo Gyori meint:
„Wenn man jeden Tag die Normen verletzt und niemand dagegen
auftritt, dann gibt es irgendwann keine Normen mehr und ich habe
manchmal das Gefühl, dass wir Zeiten erleben, die ähnlich denen der
Weimarer Republik sind.“
Und Normen werden oft verletzt. Mit dem Schriftsteller Rudolf
Ungvary schauen wir uns eine wöchentliche Sendung des
ungarischen Fernsehens an. Thema: Die ‚Judenfrage‘. Parallelen zur
Sprache des Nationalsozialismus sind unüberhörbar. In der Talkrunde
wird vom Moderator unterschwelliger Antisemitismus transportiert.
Ungvary kämpft gegen diesen versteckten Antisemitismus, wird deshalb
oft angefeindet. Angst macht ihm der offene Rassenhaß in den Medien:
„Das sind Losungen, dass versteht jeder, auch auf der rechten
Seite: Aha, die Juden und auch auf der linken und liberalen Seite,
versteht man das es um Juden geht. Das ist ein aggressives Spiel, um
die ganze ungarische Rechte unter einer Führung zu vereinigen.“
Diskussion im Zentrum der jüdischen Gemeinde. Marton Miklos
erzählt seine Geschichte: Er hat den Holocaust als Einziger seiner
Familie überlebt, kam freiwillig nach Ungarn zurück, hoffte genug
erlitten zu haben. Religion interessierte ihn lange nicht. Nun aber
wird er sich seines Judentums wegen der ständigen Angriffe und
Beschuldigungen wieder bewusst, fühlt sich ausgegrenzt. Er sagt:
„Ich bin empört...Und dies nachdem sie aus diesem Land 600.000
Menschen verjagt haben. Alle wussten, was ihr Schicksal sein wird.
Jetzt gibt es wieder verdeckten Antisemitismus und die gleiche
Sprache wie damals und das empört mich.“
In der ungarischen Politik benutzen die Konservativen mit Hilfe
ihres Medienapparats bewusst den Antisemitismus, um Wählerstimmen zu
gewinnen. Das linke Spektrum sieht diesen Kampagnen weitgehend
hilflos zu. In Europa ist das bisher unbemerkt geblieben.
Magdolna Marsovszky meint:
„Aber wenn irgendwo ein Kulturkampf herrscht, wie zum Beispiel in
Ungarn, und wenn der Kulturkampf ab und an in Gewalt umzuschlagen
droht, dann meine ich, dass man auf der europäischen Ebene einen
Dialog anfangen müsste, warum das so passiert.“
Magdolna Marsovszky fordert nun mehr Wachsamkeit. Der Antisemitismus
in den neuen Beitrittsländern, nicht nur in Ungarn und der Slowakei,
muss bekämpft werden. Der EU wird hier eine Schlüsselrolle zukommen.
Sendung vom 28.06.2004
Nur Polit - Folklore?
Der Antisemitismus
in Ungarn
Von Magdalena Marsovszky
Da dem Hass erfüllten ungarischen Kulturkampf ein massiver
Antisemitismus zugrunde liegt, der jedes Mal wächst, wenn eine
konservative Koalition das Land regiert, muss ihm in dieser Arbeit
auch breiter Raum gewährt werden.
Piroschka von
Hódmezövásárhelykutasipuszta:
Ungarns Weg nach rechts
außen
Von Magdalena Marsovszky
Die Medienpolitik der
"positiven Diskriminierung" ermöglicht es Abgeordneten vom rechten
Rand, rassistisches und antisemitisches Gedankengut öffentlich zu
machen. Der Hass gilt Liberalen und "Interkosmopoliten"...
Ungarns Premier Orbán:
Zu Gast bei den
Rechtsradikalen
Magdalena Marsovszky
Regelmäßig besucht
der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán die Redaktion der
rechtsradikalen Hetzsendung ,Vasárnapi Újság' (dt. Sonntagsmagazin)
des öffentlich-rechtlichen ,Kossuth Rádió Budapest', so zuletzt Ende
Januar 2002...
Aus der Rezeption des Nobelpreises für Imre Kertész in Ungarn:
"Geschmacksterror einer Minderheit"
Dokument der Kultursendung "Éjjeli Menedék"
(Nachtflucht) des öffentlich-rechtlichen Fernsehens am 22.11.2002,
22.55 Uhr, von Magdalena Marsovszky aus dem Ungarischen übersetzt,
leicht redigiert und mit kurzen Kommentaren versehen...
Wahlkampf:
Göttliches Ungarn
Vor den
Parlamentswahlen am Wochenende bestimmen nationalistische Parolen
die politische Auseinandersetzung in Ungarn.
Zwischen Wahrheitsfindung und Amnesie:
Das
‚Haus des Terrors’ in Budapest
Das neue-alte Haus der Dunkelheit war am Vorabend des zweiten
Gedenktages der kommunistischen Opfer, dem 24. Februar 2002, Licht
überflutet...
hagalil.com
10-09-2004
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