Nationalismus und Antisemitismus
Der Zusammenhang zwischen der Entstehung
antisemitischer Strukturen und nationalistischer Ideologien in der
arabischen Welt unter besonderer Berücksichtigung des ägyptischen
Nationalismus bis 1920
Von Jens Heibach
Der arabische Antisemitismus
ist – seitdem der Nahe Osten nach den Anschlägen des 11. Septembers
ins deutsche öffentliche Bewusstsein getreten ist – eines der
Themen, die nicht mehr nur ausschließlich in der wissenschaftlichen
Fachwelt, sondern vermehrt auch im deutschen Blätterwald diskutiert
werden. Die von dieser Seite oft zu vernehmenden monokausalen
Erklärungsmuster lassen eine intensivere Beschäftigung mit den
Gründen dieses Phänomens notwendig erscheinen.
Diese Arbeit untersucht die
Ursachen für die weite Verbreitung antisemitischer Stereotype in der
arabischen Bevölkerung. Dabei soll der Versuch unternommen werden,
arabischen Antisemitismus stärker mit dem Phänomen des Nationalismus
in Verbindung zu bringen. Die bisherige Forschung zu diesem Thema
lässt sich grob in zwei Richtungen unterteilen. Die eine Richtung
(Küntzel 2003; Wistrich 2002) geht davon aus, dass etwa die
Zuspitzung des Nahostkonflikts durch den bereits bestehenden
Antisemitismus in der islamisch geprägten Welt zu erklären ist. Die
andere Position (Kiefer 2002; Lewis 1987) erkennt im arabischen
Antisemitismus die Reaktion auf die Konflikte zwischen Arabern und
Israel. Das neuste Konzept in der Antisemitismusforschung, das
Konzept des nationalen Antisemitismus des Soziologen Klaus Holz
(2001), legt allerdings nahe, dass Antisemitismus vor allem ein aus
dem Nationalismus resultierendes Phänomen ist. Die zentrale Frage
dieser Arbeit soll daher sein, ob dieses in Hinblick auf Europa
entwickelte Konzept auch auf die Verhältnisse des Nahen und
Mittleren Osten übertragen werden kann.
Um dieser Fragestellung
einigermaßen gerecht zu werden, werden in der in der Untersuchung
zeitliche und regionale Einschränkungen vorgenommen. So beschränkt
sich die Arbeit auf den Zeitraum bis 1920 und schwerpunktmäßig auf
Ägypten, um einen gewissen Grad zeitlichen und regionalen Abstands
zur Region Palästina zu gewährleisten, die aufgrund ihrer besonderen
Umstände Verzerrungen der Untersuchungsergebnisse verursachen
könnte. Nach Klärung der für die Untersuchung bedeutsamen Begriffe
soll zunächst eine kurze Beschreibung der Umbruchsphase zu Beginn
des 19. Jahrhunderts erfolgen. Die hieraus resultierenden Probleme
bereiten den Boden für die Entwicklung des ägyptischen (und
arabischen) Nationalismus, auf den aber erst nach einer Beschreibung
der europäischen Pendants und Vorbilder eingegangen wird. Erst dann
wird die Verbindung zwischen ägyptischen Nationalismus und
Antisemitismus untersucht. Abschließend werden die Ergebnisse in den
Kontext der Antisemitismusforschung von Klaus Holz gestellt.
Die Regeln der Umschrift der
arabischen Wörter und Namen ins Deutsche folgen den Empfehlungen der
Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG). Lexikalisierte Wörter
(z.B. Koran) sowie in der Literatur verwendete Namen und Begriffe
wurden übernommen, um potentiellen Unklarheiten vorzubeugen (z.B.
Neguib Azoury). Die den einzelnen Kapiteln dieser Untersuchung
zugrunde liegenden Literatur ist den jeweiligen Anmerkungen zu
entnehmen.
Diese Arbeit wurde als
Zwischenprüfungsarbeit am Institut für Islamwissenschaft der FU
Berlin eingereicht.
1. Eine erste Annäherung
- Was ist Antisemitismus?
2. Der Eintritt der europäischen "Moderne"
in den Vorderen Orient und die Folgen
3. Die verschiedenen Gesichter des
Nationalismus
4. Ägyptischer und arabischer Nationalismus
bis 1920
5. Nationalismus und aufkeimender
Antisemitismus in Ägypten bis 1920
6. Nationaler Antisemitismus in Ägypten und
in der arabischen Welt?
7. Zusammenfassung
8. Literaturverzeichnis
hagalil.com
01-11-2005
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