Nationalismus und Antisemitismus
Der Zusammenhang zwischen der Entstehung
antisemitischer Strukturen und nationalistischer Ideologien in der
arabischen Welt unter besonderer Berücksichtigung des ägyptischen
Nationalismus bis 1920
Von Jens Heibach
7. Zusammenfassung
In dieser Arbeit wurde der Versuch
unternommen, die Hintergründe und Ursachen der Entstehung des
arabischen Antisemitismus zu beleuchten. Zwei grundlegende Ansätze
waren hierzu in der wissenschaftlichen Literatur zu diesem Thema zu
finden. Dabei kann die Antisemitismusthese von Küntzel (2003) und
Wistrich (2002), nach welcher der arabischen Antisemitismus im Wesen
des Islams verankert und – wenn auch nicht immer offenkundig –
ebenso in der frühen Phase des jüdisch-muslimischen Zusammenlebens
präsent gewesen sei, einer genaueren Analyse nicht standhalten.
Die These des Antisemitismusimport
hingegen liefert einen plausiblen Erklärungsansatz, lässt jedoch
gleichzeitig andere Fragen offen. So kann sie nicht ausreichend
erklären, warum bereits vor der Zuspitzung des Palästinakonflikts
zahlreiche nicht-christliche Ägypter oder Araber antisemitisch
dachten – und warum diese in der Regel einem nationalistischen oder
islamisch-modernistischen Hintergrund hatten. Aus diesem Grund kann
die Import-These um die These des nationalen Antisemitismus ergänzt
und erweitert werden.
Analog zur Situation in Europa muss
die Entstehung des moderne Antisemitismus in der arabischen Welt im
Zusammenhang mit dem Aufkommen nationalistischer Bewegungen gesehen
werden, die ein an ethnische Kategorien geknüpftes, nationales
arabisches (beziehungsweise ägyptisches) Bewusstsein in der
Bevölkerung etablieren. Die Grundlage hiefür wird wiederum vom
islamischen Modernismus geschaffen, der erstmals eine Betonung des
arabischen Elements im Islams einräumt. Der ägyptische und arabische
Nationalismus bilden dann einen nationalen Antisemitismus heraus,
der folgendermaßen zusammengefasst werden kann: Eine anhand
ethnischer Kategorien konstruierte Wir-Gruppe, die Nation, grenzt
sich von anderen Ihr-Gruppen, sprich anderen "Völkern", ab und setzt
diesem völkischen Weltbild die nationale Nicht-Identität der Juden
gegenüber. Das völkische Kollektiv kann sich seiner sozialen
Existenz eben gerade deshalb sicher sein, weil die Negation der
nationalen Ordnung das parasitäre, individualistische und
zersetzende Bild vom "Juden" ist.
Richtig bleibt, dass der
Palästinakonflikt der Hauptgrund der heutigen Verbreitung
antisemitischer Stereotype in der arabisch-islamischen Welt ist. Die
Auseinandersetzung um Palästina und die aus arabischer Sicht
katastrophale Niederlage im ersten israelisch-arabischen Krieg
bewirken den entscheidenden Schub in der Schaffung des arabischen
nationalen Bewusstseins. In den darauf folgenden Jahren sind es vor
allem arabische Nationalisten, die antisemitische Propaganda aktiv
fördern. Auch in dieser Hinsicht spielt der arabische Nationalismus
eine folgenschwere Rolle. Schwerer hingegen wiegt, dass der
arabische Nationalismus mit seinen völkischen Kategorien den Code
zum Verständnis der aus Europa stammenden antisemitischen Klischees
liefert und damit in der Tat als der entscheidende Faktor in der
Genese des arabischen Antisemitismus zu bewerten ist.
8.
Literaturverzeichnis
hagalil.com
01-11-2005
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