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Bücher / Morascha
Koscher leben...
Jüdische Weisheit
 
 

Vorwort zum
"Handbuch Antirassismus"
von Mirko Heinemann,
Alfred Schobert,
Claudia Wahjudi

Über 100 Menschen wurden in Deutschland seit der Wiedervereinigung ermordet - weil sie nichtdeutscher Herkunft waren oder weil sie von einer vermeintlichen Norm abwichen. Das sind die extremen Formen rechter Gewalt.

Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus, Hass auf Behinderte, Obdachlose, Lesben und Schwule zeigen sich auch im Alltag, auf der Straße, im Supermarkt und in den Betrieben, im Wahlkampf, auf Popkonzerten und auf dem Schulhof. Doch gerade Verbrechen wie der Pogrom von Rostock und die Anschläge von Solingen, Mölln und Hoyerswerda haben viele Menschen alarmiert, die nicht in einer Gesellschaft leben wollen, in der Rassismus und Antisemitismus allgegenwärtig sind. Sie haben sich zu Initiativen zusammengeschlossen - weil sie selbst von rechter Gewalt betroffen sind und sich wehren wollen oder weil sie sich verpflichtet fühlen, ihr entgegenzutreten. In Großstädten wie auf dem Land haben sich viele Hunderte Projekte gegründet. Sie vermitteln Opfern rechter Gewalt Rechtsanwältinnen und Ärztinnen, sie beraten Migrantinnen und Flüchtlinge, sammeln Informationen über Bürgerrechte oder die rechte Szene. Sie drucken Broschüren und stellen ihr Wissen ins Internet. Sie veranstalten Feste und rufen zu Demonstrationen auf, sie diskutieren mit Schülerinnen genauso wie mit Betriebsräten, sie versuchen, Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu nehmen. Kurz: Sie leisten wichtige Arbeit. Denn Migration und die Wahrung der Menschenrechte gehören zu den drängendsten Themen der nächsten Zukunft - weltweit und auch in einem Europa, das nicht länger Sicherheit und Wohlstand für alle verspricht. Die jüngsten Wahlsiege europäischer Rechtspopulisten sind nur der Vorschein kommender Konflikte.

Das Handbuch Antirassismus möchte die Arbeit der Initiativen und Verbände würdigen. Es will auf ihre Notwendigkeit aufmerksam machen und unterschiedliche Handlungsansätze vorstellen. Und es möchte Engagierten helfen, Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen auszutauschen sowie Leserinnen dazu anregen, selbst tätig zu werden.

Der erste Teil des Buches führt in das Thema ein und bietet einen Überblick über Grundbegriffe von Analyse und Kritik. Was ist überhaupt unter Rassismus und Antisemitismus zu verstehen? Woran erkennt man sie? Wie äußern sie sich? Die dargestellten Konzepte und Kontroversen sollen Einsteigern helfen, sich auf diesem schwierigen Feld zu orientieren. Sie sollen das analytische Rüstzeug bieten für das eigene Engagement und den Umgang mit dem politischen Diskurs und dem der Medien, deren Anteil am Aufkommen eines rassistischen Klimas nicht unterschätzt werden darf. Auf den letzten Seiten des einführenden Teils haben wir eine Auswahl von weiterführender Literatur zum Thema zusammengetragen.

Der zweite Teil stellt die Initiativen vor, sowohl bundesweit tätige Projekte wie regionale Gruppen, nutzbare Archive und nützliche Publikationen. Über jedes der rund 700 Projekte informiert eine Kurzbeschreibung.
Sechs Initiativen haben wir ausführlicher porträtiert, um die Breite der Handlungsmöglichkeiten zu illustrieren: die Antifa Dresden, Asyl in der Kirche Berlin, den Bildungsverein Dien Hong in Rostock, den jüdischen Onlinedienst haGalil aus München, das bundesweit agierende Kultur-Netzwerk Kanak Attak und die Opferperspektive Brandenburg.

Das Handbuch Antirassismus ist als Nachschlagewerk gedacht. Der Adressenteil, der die Projekte vorstellt, gliedert sich geographisch. Am Anfang stehen in alphabetischer Reihenfolge die Initiativen, die bundesweit agieren. Es folgen die Initiativen in den sechzehn Bundesländern - von Baden-Württemberg bis Thüringen. Diese Kapitel führen zunächst die landesweit arbeitenden Initiativen alphabetisch auf; dann kommen die lokalen Projekte und Initiativen, sortiert nach Postleitzahlen und damit nach Städten, Gemeinden und Stadtteilen. Die Namen der Projekte haben wir ausgeschrieben (Abkürzungen finden sich in Klammern), studentische Projekte sind unter der jeweiligen Universität zu finden. Diese Struktur soll eine optimale Handhabung bei der Suche nach Initiativen in Wohnort-Nähe ermöglichen. Ein alphabetisches Register am Schluss hilft, Projekte zu finden, deren Name die Leserinnen zwar kennen, nicht jedoch deren Wirkungskreis.

Bisher gab es außerhalb des Internet kaum Möglichkeiten, all diese Projekte auf einen Blick kennen zu lernen. Sie arbeiten oft im Schatten der Medienberichterstattung, ohne dass eine größere Öffentlichkeit auf sie aufmerksam wird. Deshalb soll das vorliegende Buch über Initiativen informieren, ohne ihre Arbeit inhaltlich und politisch zu bewerten. Mit einer Ausnahme, nämlich der Grundhaltung, aus der heraus dieses Buch entstand: Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus verdient Respekt.

Dies anzuerkennen, motivierte die Autorinnen, die rund 700 Adressen zusammenzutragen und zu verifizieren. Die Fülle der Sammlung hinterlässt viele Fragen, deren detaillierte Erörterung jedoch über den Rahmen dieses Buches hinausginge. Offen bleiben Fragen nach Möglichkeiten der Vernetzung und der Effizienz verschiedener Strategien, nach Chancen und Grenzen ehrenamtlicher Arbeit genauso wie nach der inhaltlichen Steuerung durch die Förderpolitik - und natürlich nach Menschen- und Weltbildern sowie politischen Anschauungen. Dessen sind wir uns bewusst. Doch vielleicht kann dieses Buch manche Anregung zu den Debatten liefern, wie sie an verschiedenen Stellen, ob in Basisgruppen, Kommunen oder der Bundespolitik, geführt werden.

Wir haben versucht, die Daten auf den uns letztmöglichen Stand zu bringen (Frühsommer 2002). Trotzdem gibt es viele Gründe dafür, warum sich Fehler nicht ausschließen lassen. Sei es, dass die Förderung, auf die ein Projekt angewiesen ist, in der Zeit zwischen Redaktionsschluss und Veröffentlichung gestrichen wurde. Oder, dass die Person, die treibende Kraft einer Initiative war, in eine andere Stadt umgezogen ist oder Mitwirkende ihr Ehrenamt nicht mehr mit ihrem Beruf in Einklang bringen konnten. Oder sei es, dass sich Initiativen nach einer Reihe von Veranstaltungen schlicht wieder auflösten. Weitere Unsicherheitsfaktoren sind Landtagswahlen wie zuletzt in Sachsen-Anhalt und die Bundestagswahl 2002. Neue politische Mehrheiten verändern auch die Förderpolitik.

Das Buch erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. So haben wir auf die Nennung der kommunalen Ausländerbeauftragten weitgehend verzichtet: Ihre Namen und Anschriften sind in der Regel über die Landesbeauftragten erhältlich. Ähnliches gilt für viele landesweit agierende Vereine: Ihre Lokalstellen haben wir nur gelistet, wenn sie konkrete Hilfe vor Ort - etwa Asylberatung - anbieten. In Regionen, in denen sehr viele Projekte tätig sind, konnten wir nicht alle nennen, sondern haben versucht, die gesellschaftliche Streuung abzubilden. Nicht aufgenommen haben wir Initiativen, über die uns keine gesicherten Informationen vorlagen und die auf unsere Anrufe, Faxe oder Mails nicht geantwortet haben.

Danken möchten wir Marius Babias und dem Team der Kokerei Zollverein | Zeitgenössische Kunst und Kritik für die Initiative zu diesem Buch und seine Umsetzung. Dank gilt auch dem Zitty-Verlag Berlin und dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung für technische Unterstützung und Logistik, der Familie Hirschfeld für großzügige logistische Hilfe und Martin Greve für seinen kritischen Blick.

Ein Kompendium wie das Handbuch Antirassismus erfordert immer wieder Aktualisierung. Das ist viel Arbeit, jedoch eine, die lohnt. Als wir Ende 2001 mit den Recherchen begannen, haben wir nicht damit gerechnet, dass es so viele Menschen sind, die sich gegen Rassismus und Antisemitismus engagieren. Das Ergebnis hat unsere Erwartungen weit übertroffen. Allein diese Erkenntnis war die Mühe wert. Wir gestehen gerne, hin- und hergerissen zu sein zwischen der Überlegung, dass es gemessen an der Zahl der Projekte und Initiativen um diese Republik besser bestellt sein müsste, und der Vorstellung, wie sie denn aussähe, wenn es all diese Initiativen nicht gäbe.

Mirko Heinemann, Alfred Schobert, Claudia Wahjudi

hagalil.com 13-10-2002


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