iw 2000 / TSh''S
Der iw Brennpunkt vom 11.August
2000 / 10 Aw 5760
Deutschland:
Initiative
«Gesicht zeigen»
Ein Aktionsbündnis
mobilisiert
Prominente gegen Rechts
Von Ralf Balke
«Öffentlicher Widerstand aller
Demokraten muss etwas ganz Selbstverständliches sein,» fordert der
Sprecher der deutschen Bundesregierung Uwe-Karsten Heye angesichts der
nicht abreissen wollenden Welle rechtsextremistischer Gewalttaten. «Es
muss Schluss sein damit, überall Menschen in Angst vorzufinden.» Bei
Appellen allein soll es nicht bleiben.
Gemeinsam mit Paul Spiegel und
Michel Friedman vom Zentralrat der Juden in Deutschland kündigte er
deshalb am Montag in Düsseldorf die Gründung einer breiten
Bürgerinitiative gegen Rechts an. Viel Prominenz soll mit von der Partie
sein, unter anderem der TV-Moderator Günter Jauch, die Schauspielerin
Veronica Ferres und das Team der TV-Soap «Gute Zeiten - Schlechte
Zeiten». Ihr Ziel: In Ost und West, ganz besonders aber in den kleinen
und mittleren Städten, so die Initiatoren, gilt es, den öffentlichen
Raum, der vielerorts von den Rechtsextremen beherrscht wird, wieder
zurückzuerobern. Unter dem Namen «Gesicht zeigen» soll
staatsbürgerliches Engagement in Bewegung gebracht werden. Ende
September ist daher eine Grossveranstaltung in Berlin geplant, auf der
das endgültige Konzept von «Gesicht zeigen» einer breiten Öffentlichkeit
vorgestellt wird.
Nachhaltig aufrütteln will mit
dieser Initiative ganz besonders der Zentralrat der Juden in
Deutschland. «Wir haben in Deutschland eine Situation, wie wir nie
geglaubt haben, dass sie so einmal sein wird,» bringt sein Vorsitzender
Paul Spiegel die Stimmung in vielen jüdischen Gemeinden auf den Punkt.
Daher die Unterstützung. Und Zentralratmitglied Michel Friedman hofft,
«durch eine breite Bürgerinitiative für Pluralismus» die Initiative
zugunsten aller Demokraten zurückzugewinnen. «Hass darf nicht salonfähig
werden», fordert Friedman. «Wehe uns, wenn wir das Thema nicht ernst
nehmen.» Ihn mache es ganz besonders wütend, dass für die Rechte der
Hunde sofort Zehntausende Menschen auf die Strasse gingen, für die
Rechte von Menschen sich jedoch nur ein paar hundert einfinden.
Gleichzeitig reagierte Friedman auf Forderungen aus den Reihen der CDU,
eine Reform des Grundrechts auf Asyl als eine der Strategien im Kampf
gegen Rechts in Erwägung zu ziehen. «Die CDU darf nicht die Stimmen der
Rechtsradikalen erobern wollen.»
Alle Unterstützer von «Gesicht
zeigen» betonen, dass es sich dabei um eine gesamtdeutsche
Bürgerinitiative handelt. Zwar ist die Zahl der rechtsextremen
Gewalttaten in den neuen Bundesländern besonders hoch, doch stammen die
Drahtzieher aller neonazistischen Organisationen aus dem Westen.
«Vielerorts regiert die Angst,» so Regierungssprecher Heye, «selbst
viele Lokalredaktionen trauen sich aus Frucht vor Repressalien nicht
mehr, eine einzige Zeile über die Aktivitäten von Rechtsextremisten in
ihren Gemeinden zu berichten.» Diesen Trend gilt es umzukehren.
Geplant sind Patenschaften vor
Ort. Lokale Initiativen sollen finanziell und personell in ihrer
Aufklärungsarbeit unterstützt werden. Oder ganz konkret: Strassenbahn-
und Busfahrer werden angewiesen, bei Übergriffen von Rechtsextremisten
in öffentlichen Verkehrsmitteln sofort zu handeln und die Polizei zu
holen. Eine entsprechende Ausrüstung mit Handys und Funk wird gestellt,
die Mitarbeiter geschult.
«Kann man als Ausländer sich noch
trauen, nach Deutschland zu kommen?» so der Zentralratsvorsitzende Paul
Spiegel abschliessend, «diese Frage muss in Zukunft wohl hoffentlich
niemand mehr stellen müssen.»
Lesen Sie hierzu aus iw Nr.31
Über Hass und Hetze im Internet
... und was dagegen getan werden kann
- und getan wird
Weitere
Schwerpunkte im iw
Nr. 32 vom 11. August 2000-08-09
- Thema: Augenschein in Israels
Norden: (fast) alles ruhig
- Israel: Unter der Lupe: die
Gewerkschaften
- Schweiz: Macht Kunst aus
Email: Rivka Mayer, die Gattin des scheidenden israelischen
Botschafters Ytzchak Mayer
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