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Zuwenig Distanz:
"Blauäugig oder Einäugig?"

Das Hamburger Orient-Institut und sein Leiter Udo Steinbach stehen in der Kritik"

„Ein ständiger Spagat zwischen orientwissenschaftlicher Grundlagenforschung und Aktualitätsbezug“ – so sieht Professor Udo Steinbach seinen Job als Leiter des Deutschen Orient-Institutes in Hamburg. Daß er dabei zu erstaunlichen gymnastischen Leistungen fähig ist, stellte Steinbach beispielsweise am 6. Januar 2003 in Salzgitter-Bad unter Beweis. Dort hielt der Islamwissenschaftler in der Evangelischen Propstei einen Vortrag zum Kampf gegen den islamistischen Terrorismus und die Situation im Nahen Osten. Dabei sagte Steinbach unter anderem: „Wir müssen dann auch einmal darüber nachdenken, was wir als Terrorismus bezeichnen wollen. Wenn wir sehen, wie israelische Panzer durch palästinensische Dörfer fahren und sich die verzweifelten Menschen mit Steinen wehren, dann müssen wir im Blick auf Warschau und im Blick auf den Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto auch fragen dürfen, war das nicht auch Terror?“

Dieser Vergleich läßt zwei Interpretationen zu. Entweder droht den Palästinensern die Vernichtung, wobei die Israelis die Rolle der SS übernehmen. Oder, die Juden im Warschauer Ghetto waren nicht wirklich von der Vernichtung bedroht. Zur wahren Ursache des Terrors schickte Steinbach seiner Analogie voran: „Müssen wir uns nicht fragen, was los ist, wenn ein anständiger und normaler junger Mann, der leben will, wie jeder andere auch, sich einen Sprengstoffgürtel umschnallt und sich in die Luft sprengt, nur weil er sonst keinen Ausweg sieht, sich seine Würde zu bewahren?“

Diese Aussage kam zu einer Zeit, in der die deutsche Islamwissenschaft sich nach dem 11. September kritisch fragen lassen musste – und sich zu einem Teil auch selbst fragte – ob sie die Entwicklungen in der arabischen Welt nicht etwas zu optimistisch (vielleicht auch: wohlwollend) eingeschätzt und den Islamismus voreilig als besiegt angesehen hat. So war Steinbachs These vom „Paradigmenwechsel“ im Iran, nach dem nicht mehr die Gesellschaft sich um die Islamisten drehe, sondern, dass sich die Islamisten nach der Gesellschaft richten müssten noch im Jahr 2001 nicht nur populär, sondern galt als durchaus auf andere islamische Staaten übertragbar.

Das Bewahren der Würde als Motiv zu nennen, warum ein „anständiger“ Palästinenser sich und eine größtmögliche Zahl Unschuldiger ins Jenseits befördert, ist auch deshalb wohl sehr dürftig für den Leiter eines renommierten und staatlich mitfinanzierten Islam-Forschungsinstitutes. Steinbach gehört trotzdem zu jenen Nahostexperten, die von einer TV-Talkrunde zur nächsten ziehen. Als ob er noch nie etwas vom modernen Dschihadismus und seinem Märtyrerkult gehört hätte, entlastete Steinbach also Selbstmordattentäter pauschal von der Verantwortung für ihr Handeln und stellte ihren suizidalen Terror auf eine Stufe mit dem Überlebenskampf der Juden im Warschauer Ghetto.

Natürlich blieb sein Vergleich nicht unwidersprochen. So forderten unter anderem der damalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Alexander Brenner, und das Simon-Wiesenthal-Center Steinbachs Rücktritt als Institutsleiter. Ohne Erfolg. Auch die Menschrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth, Mitglied im Kuratorium des Deutschen Orient-Institutes, ist inzwischen hellhörig geworden und findet die Zitate „nicht unproblematisch“. Die Gruppe Archiv e.V. und zahlreiche Privatpersonen richten sich nun erneut mit der Forderung an die Öffentlichkeit und das Kuratorium des Institutes, Konsequenzen zu ziehen. Die Verniedlichung des islamistischen Terrors scheint kein Einzelfall. Schon mehrfach geriet das Orient-Institut, ein wichtiger „Thinktank“ der Bundesregierung für Informationen und Meinungen über den Nahen und Mittleren Osten in die Schlagzeilen. Mangel an Distanz zu Islamisten lautet immer wieder der Vorwurf.

So lud der „Islamischer Weg e.V.“ Steinbach im Dezember 2003 zu einer Podiumsdiskussion in Bremen zum Thema „Freiheit ohne Gerechtigkeit ist Freiheit zur Ungerechtigkeit“ ein. Die Moderation hatte Yavuz Özoguz, der als Betreiber der Website muslim-markt.de für Hisbolla und Hamas wirbt und zum Boykott des „Pseudostaates Israels“ aufruft. Auch bei der als verfassungsfeindlich eingestuften Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs ist Steinbach ein gern gesehener Gast.

Angesprochen auf die möglichen Gefahren, die von Islamisten in Deutschland ausgehen, erklärte Steinbach im Frühjahr 2000: „Es gibt eine neue Offenheit im Dialog. Und der antisemitische Duktus in vielen Publikationen hat sich entschärft.“ Hätte sich Steinbach inzwischen ausdrücklich von ihnen distanziert, könnte man diese und andere Thesen als wissenschaftliche Fehldiagnose ansehen. Bisher hat Steinbach aber nicht den Eindruck erweckt, dass er seinen Irrtum eingesehen oder gar bedauert hätte.

Ein echter Problemfall ist Steinbachs langjähriger Mitarbeiter Aziz Alkazaz, der im ARD-Presseclub die versammelten Journalisten mit Sympathiebekundungen für Saddam Hussein überraschte. Menschenrechtsorganisationen wie Medico international und Pro Asyl werfen dem Orient-Institut seit Jahren vor, mit Alkazaz einen „Chefpropagandisten des Saddam-Regimes“ zu beschäftigen. Trotzdem erhielt der Jubel-Iraker Rückendeckung von seinem Vorgesetzten Steinbach. Alkazaz sei gegenüber dem irakischen Ex-Diktator vielleicht „etwas blauäugig“, ließ Steinbach wissen.

Die Frage ist, ob Blauäugigkeit im Orient-Institut nicht zum Programm gehört.
Am 29. Mai wird Steinbach als Experte an einem Workshop mit Diskussion in der PDS-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin teilnehmen. Thema: "Der Nahostkonflikt – eine Herausforderung für die europäische Linke?" Vielleicht hat der Professor bis dahin neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Wesen des Terrors.

Bitte beteiligen Sie sich an der Unterschriftenaktion:
Offener Brief:
An die Mitglieder des Kuratoriums des Deutschen Orient-Instituts, Hamburg
Open Letter:
To the members of the board of trustees of the German Orient Institute, Hamburg
Bisherige Unterzeichner

hagalil.com 14-05-2004


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