[ENGLISH]
An die Damen und Herren Mitglieder des Kuratoriums des
Deutschen Orient-Instituts,
Hamburg
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir wenden uns an Sie als Kuratoriumsmitglieder des
Deutschen Orient Institutes in Hamburg, einer wissenschaftlichen
Einrichtung, deren Unterhalt zu nicht unerheblichen Teilen aus
Mitteln des Auswärtigen Amtes, also aus Steuermitteln bestritten
wird. Als Kuratorium, seinem Begriff nach Gremium zur Pflege und
sorgfältigen Betreuung der entsprechenden Einrichtung, obliegt es
Ihnen, gerade auf den internationalen Ruf einer Institution bedacht
zu sein, der in Zeiten der Bedrohung durch islamistischen
Terrorismus eine besondere Verantwortung zukommt.
Der Leiter dieser wissenschaftlichen Einrichtung,
Prof. Udo Steinbach, hat am 6. Januar 2003 auf einer Veranstaltung
in Salzgitter-Bad die palästinensischen Selbstmordattentäter mit den
jüdischen Kämpfern des Warschauer Ghettos verglichen. Steinbach
führte aus: "Wenn wir sehen, wie israelische Panzer durch
palästinensische Dörfer fahren und sich die verzweifelten Menschen
mit Steinen wehren, dann müssen wir im Blick auf Warschau und im
Blick auf den Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto auch fragen
dürfen, war das dann nicht auch Terror?"
Indem Steinbach das Bild des Steinewerfers bemüht,
der gegen Panzer ankämpft, verschweigt er nicht nur etwa, dass von
palästinensischer Seite bekanntlich nicht ausschließlich Steine
eingesetzt werden. Er projiziert auch die Israelis in der Rolle der
Nazi-Deutschen, das heißt in Vernichtungsabsicht handelnd, und die
Palästinenser in der Rolle der Juden, was zweierlei bedeuten kann:
Entweder verteidigen die Palästinenser ihre Existenz, oder aber die
Juden waren gar nicht von Vernichtung bedroht, sondern haben
vielleicht – Stichwort Terror – gar übertrieben. Beide Bedeutungen
schließen sich nicht aus, im Gegenteil, in der einen wie in der
anderen Richtung bedienen sie das antisemitische Ressentiment.
“Müssen wir uns nicht fragen, was los ist, wenn ein
anständiger und normaler junger Mann, der leben will, wie jeder
andere auch, sich einen Sprengstoffgürtel umschnallt und sich in die
Luft sprengt, nur weil er sonst keinen Ausweg sieht, sich seine
Würde zu bewahren?”, leitete Steinbach seinen Vergleich ein, und in
dieser harmlos und naiv formulierten Frage wiederholt sich die
Zweischneidigkeit des Vergleichs. Denn entweder haben die Juden im
Warschauer Ghetto um ihre “Würde” gekämpft, oder die Palästinenser
wählen, weil sie ohnehin ermordet werden, den Tod im Kampf. Egal
wie, ob nun der Aufstand im Ghetto zum Kampf um “Würde” verniedlicht
oder den Palästinensern das Recht auf Verzweiflungstaten angesichts
drohender Vernichtung bescheinigt wird, am Ende bleiben das Problem
bei Steinbach die Juden.
Steinbach möchte sich nicht festlegen, er muss es
auch nicht. Indem er die eliminatorisch-antisemitische Motivation
islamistischen Terrors leugnet, entlastet er zugleich die Deutschen
und die Palästinenser von der Verantwortung für ihr Tun und benennt
den vermeintlich eigentlichen Schuldigen. Der Vergleich von
jüdischen Ghettokämpfern mit arabischen Selbstmord-Killern und
israelischen Soldaten mit SS-Schergen ist eine bewusste
Verharmlosung der Nazi-Verbrechen, eine Verniedlichung Hitlers und
eine ungeheuerliche Schändung des Andenkens der jüdischen Toten.
Prof. Steinbach als Leiter einer vom Auswärtigen Amt
mitfinanzierten Einrichtung hat mit seinem Vergleich nicht nur den
Vernichtungsantisemitismus relativiert, sondern ihn als gerechten
Widerstand legitimiert. Er lehnt bis heute Konsequenzen aus seinen
indiskutablen Äußerungen ab.
Der Fall ‚Steinbach’ stellt unbestreitbar einen
Skandal dar: zum einen, weil er seine Behauptungen mehrfach – auch
öffentlich - wiederholt und bekräftigt hat, wie z.B. der von ihm
verfaßten Presseerklärung vom 6. Juni 2003 oder seiner am 16. April
2003 im Evangelischen Pressedienst veröffentlichten Stellungnahme zu
entnehmen ist; zum anderen aufgrund der Tatsache, daß er nach wie
vor die Leitung des Orient-Instituts innehat. Aus diesem Grund hat
dieser Brief offenen Charakter und wird auch den Medien zur
Verfügung gestellt.
Wir als Unterzeichner des
Briefes bitten darum, die von uns angesprochenen Punkte auf der
nächsten Kuratoriumssitzung zum Thema zu machen. Unabhängig davon
fordern wir den sofortigen Rücktritt von Herrn Prof. Steinbach vom
Posten des Leiters des Deutschen Orient-Institutes.
Mit freundlichen Grüßen
Das Formular ist so programmiert, dass mit
Betätigung des "Nachricht senden!"-Buttons, ihr Eintrag der bereits bestehende
Liste der Unterzeichner angefügt wird. Die Adressaten erhalten in regelmäßigen
Abständen eine Kopie der unterzeichneten Schreiben.
Liste der bisherigen
Unterzeichner |
Kopie an:
Herrn Joschka Fischer, Außenminister der Bundesrepublik Deutschland
Herrn Ole von Beust, Präsident des Senats und Erster Bürgermeister
der Freien und Hansestadt Hamburg
hagalil.com
14-05-2004 |