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Aus der Rubrik "Frag' den Rabbi":
Selbstbestimmung - Determinismus
Das Antwortschreiben:

Sehr geehrte Damen und Herren,

eine Frage, die wiederholt gestellt wird:

- Wenn Gott alles voraus sieht, kann der Mensch seinen Weg noch selbst bestimmen?
- Kann der Mensch noch wählen, Gutes oder Böses zu tun?
- Kann der Mensch denn für seine bösen Taten verantwortlich gemacht werden?

Antwort:

- Diese Fragen sind nicht neu; sie haben die Menschen bereits im Altertum beschäftigt.

- Neuerdings werden diese Fragen nicht nur von religiösen Menschen, sondern auch von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen gestellt.

- Manche Wissenschaftler wollen die Gene für die Handlungen der Menschen verantwortlich machen.

Für gläubige Juden stehen die Antworten fest:

- Bereits in der Tora heißt es, nachdem Adam und Eva von dem Baum der Erkenntnis aßen, "Und Gott, der HERR, sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie einer von uns, zu erkennen Gutes und Böses" (1. Moses 3, 22).

Außerdem gibt Gott dem Menschen ausdrücklich die Freiheit zu entscheiden, ob er den guten Weg oder den bösen wählt. "Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse…" (5. Moses 30, 15).

In Talmud heißt es, "Gott sieht alles, was sein wird, im Voraus, doch die Freiheit ist gegeben" (Sprüche der Väter 3, 19).

Maimonides, der große Geist der jüdischen Philosophie, der ein strikter Gegner von Aberglauben und ein Verfechter rationalen Denkens war, hat sich zu diesen Fragen, die zu seiner Zeit (12. Jh.) nicht weniger virulent als heute waren, geäußert. Hier kurz gefasst seine apodiktischen Belehrungen:

- Der Mensch ist das einzige Lebewesen, dass von sich selbst weiß, was gut und böse ist und keiner kann ihn daran hindern, das eine oder das andere zu wählen.
- Nur die Einfältigen der Völker und die Naiven der Israeliten glauben, dass Gott bei der Zeugung des Menschen entscheidet, ob er ein Gerechter oder ein Bösewicht wird. Wer sündigt, ist selbst verantwortlich und wird letzten Endes dafür bestraft.
- Maimonides führt auch den Negativbeweis: Hätte Gott festgelegt, dass der Mensch bei seiner Geburt gerecht oder böse wird, dass er sich einer bestimmten Meinung oder Richtung oder Handlung hingezogen fühlt, wie es die dummen Sternegucker glauben, wieso hätte er dann durch die Propheten Gesetze verkünden können, Lohn und Strafe verheißen können?
- Da alles auf der Welt nach Gottes Willen verläuft, wie kann es sein, dass der Mensch selbständig entgegen dem Willen Gottes handelt? Maimonides: So wie Gott bestimmt hat, dass das Feuer nach oben, das Wasser nach unten strebt, so wollte er, dass die Menschen die Freiheit haben, ohne Zwang und Intervention von außen und nach ihrem Verstand zu handeln.
- Da Gott alles im Voraus weiß, weiß er wohl auch, dass z.B. eine bestimmte Person böse sein würde, weshalb sich diese Person nur böse entwickeln kann. Wenn aber Gott wusste, dass die bestimmte Person möglicherweise gut oder aber böse sein würde, so hat Gott keine genaue Kenntnis gehabt, was der Vollkommenheit Gottes widersprechen würde. Maimonides hat seine philosophische Betrachtung zu dieser Frage für die Allgemeinheit kurz formuliert: Das Wissen Gottes ist kein Wissen, das außerhalb von ihm besteht, wie bei dem Menschen, dessen Wissen und er selbst zweierlei sind. Gott und sein Wissen sind eine Einheit. Der Mensch kann dieses nicht genau verstehen, genauso wenig, wie er die Wirklichkeit Gottes verstehen kann. Die Freiheit des Menschen ist durch Gottes Wissen nicht eingeschränkt. Nach Maimonides ist diese Schlussfolgerung nicht nur für einen Gläubigen zwingend, sondern ist auch durch die Philosophie erwiesen.

Mit freundlichen Grüßen
Ben Rabbi Nathan

 

[Eingangsseite zur Rubrik "Frag' den Rabbi"...]
haGalil onLine 08-01-2008



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