Sehr
geehrte Damen und Herren, ich wurde
zu dem in der Überschrift stehendem Thema befragt.
Vorbemerkung:
Zu den jüdischen Trauerriten muss man eine grundsätzliche Feststellung
treffen. Die Art und Weise, wie man bei den Juden trauert, geschieht nicht
lediglich nach überlieferten Gebräuchen, es sind Regeln, Verordnungen,
nämlich Teil der 613 Gebote (Gebot = mitzwa), die ein gläubiger Jude
einhalten muss.
Es mag zwar sein, dass der Ursprung mancher Trauer-Regeln in alten
Traditionen und Gebräuchen ihren Ursprung hat, wobei sich auch in mancher
Hinsicht eine Ähnlichkeit zu denen anderer Völker feststellen ließe. Und
wenn auch in mancher Hinsicht die jüdischen Riten in der hebräischen Bibel
vorkommen, so ist ihre Einhaltung nicht durch Moses und die Tora, sondern
durch die Weisen verordnet worden.
- Zu den Trauerriten
Der Schmerz und die Trauer, die den
Menschen bei dem Tode eines nahen Mitmenschen ergreifen, sind dem
menschlichen Geschlecht angeboren (wobei diese sogar in der Tierwelt zu
beobachten sind). Bei verschiedenen Völkern haben die Trauerriten
differenzierte Formen angenommen, jedoch lassen sich Ähnlichkeiten ebenfalls
erkennen. Allerdings bestand die Tora darauf, dass die Israeliten im
Allgemeinen von den Nachbarvölkern keine Gebräuche annehmen und sich von
ihnen unterscheiden sollten.
Die bei Juden verordneten Regeln sind zu zahlreich, um sie einzeln
aufzuführen, weshalb hier lediglich die bekanntesten erwähnt werden.
- Das Zerreißen der Kleider
Erhält jemand eine schlechte Nachricht, insbesondere wenn diese den Tod
eines nahen Menschen betrifft, sollte es nicht Wunder nehmen, wenn er von
Schmerz und Verzweiflung ergriffen seine Kleider zerreißt. So geschah es
schon in alter Zeit. Die Bibel berichtet, von Erzvater Jakob, als er die
Nachricht erhielt, sein Sohn Josef sei von einem wilden Tier gerissen worden
„Jakob zerriss seine Kleider“ (Genesis 37, 34).
Das Zerreißen der Kleider wurde durch die Weisen angeordnet, jedoch nur
symbolhaft. Es wird ein Riss in der Oberbekleidung (z.B. Jacke, Hemd oder
Mantel) gemacht. Das Zerreißen der Kleider, wie bei Erzvater Jakob und an
anderen biblischen Stellen beschrieben, wurde von den Weisen abgelehnt. Die
Begründung hierfür fanden die Weisen in der Tora: „Wenn du vor einer Stadt
lange Zeit liegen musst, gegen die du kämpfst, um sie zu erobern, so sollst
du ihre Bäume nicht verderben und mit Äxten umhauen, denn du kannst davon
essen“ (5. Moses 20, 19). Aus diesem biblischen Grundsatz kreierten die
Weisen eine Meta-Norm, die besagt, dass man nichts zerstören darf, was sich
für den Gebrauch eignet. In diesem Zusammenhang sei auch interessanterweise
die Ablehnung der Selbstzüchtigung zu erwähnen.
Bei manchen Völkern des Altertums pflegte man als Ausdruck des Trauerns die
Selbstkasteiung und die Beschädigung des eigenen Körpers. Die
Selbstbeschädigung ist laut jüdischem Gesetz verboten. Schon im 3. Moses
wird davor gewarnt: „Ihr sollt um eines Toten willen an eurem Leibe keine
Einschnitte machen noch euch Zeichen einätzen“ (19, 28). „Sie sollen auch
keine Glatze scheren auf ihrem Haupt noch ihren Bart stutzen und an ihrem
Leibe kein Mal einschneiden“ (21, 5).
- Asche aufs Haupt und Sack als Gewand
Im Altertum gab es zudem den Brauch, sich in Trauerzeiten Asche auf Kopf und
Gewänder zu streuen, um so seiner Trauer entsprechenden Ausdruck zu
verleihen (wobei es auch noch andere und unterschiedliche Motive gegeben
haben mag). Ein Beispiel finden wir bei den Kindern des König David. Als
Amnon seine Schwester Tamar vergewaltigte, „warf Tamar Asche auf ihr Haupt
und zerriss das Ärmelkleid, das sie anhatte, und legte ihre Hand auf das
Haupt und ging laut schreiend davon (2. Samuel 13, 19). Auch einer der
späteren Propheten, Daniel, kannte diesen Brauch: „Und ich kehrte mich zu
Gott, dem Herrn, um zu beten und zu flehen unter Fasten und in Sack und
Asche“ (Daniel 9, 3). Dieser Brauch hat sich nicht erhalten. In der
nachbiblischen Zeit kommt er nicht mehr vor.
Als wichtig sei noch die Dauer der Trauerzeit zu erwähnen. Sieben Tage
dauert die strenge Trauerzeit. Für die ersten dreißig Tage ist die Trauer
mit weniger strengen Regeln behaftet. Beim Tode der Eltern dauer die
Trauerzeit zwölf Monate. Die Regelung der Zeiten muss wohl durch Traditionen
begründet gewesen sein.
Wen das Unglück ereilt, so dass er trauern muss, der kann sich nur durch die
Befragung eines Rabbiners oder in der entsprechenden Literatur über seine
Pflichten informieren. Die Regeln sind zahlreich und können hier nicht
erörtert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Bar Rav Nathan |