Dieser Glaube an den Messias ist ein Glaube an einen Zustand, in dem alle
Menschen Gott als Einheit und Wirklichkeit erkennen; er verpflichtet das
jüdische Volk, auf dieses Ziel als den Sinn und Zweck aller Geschichte
hinzuarbeiten.
Fragt man, was der metaphysische Sinn, also der religiöse Inhalt des
jüdischen Volkes sei, so findet man eine ganze Anzahl von Formulierungen, die in
der Sache immer ein gleiches, einfaches Großes ausdrücken: Den Gedanken der
metaphysischen Realität der Wirklichkeit und Einheit Gottes im Gegensatz zur
Unwirklichkeit des nur physisch Seienden, wie er sich im Glauben an den Messias
ausdrückt.
Gott offenbart sich Moses als der Gott seiner "Väter, Abrahams, Isaaks und
Jakobs" (Ex 3,6). Erst als Moses ihn auf die Unfähigkeit des Volkes hinweist,
einem namenlosen Gott zu glauben, offenbart er seinen Namen mit: "Ich bin der
ich bin" (Ex 3,14), der Seiende. Am Sinai offenbart sich Gott dem Volk mit: "Ich
bin der Ewige, dein Gott, der ich dich herausgeführt habe aus dem Lande Ägypten,
aus dem Hause der Knechtschaft" (Ex 20,2). Endlich sei noch eine dritte
Formulierung aus dem Pentateuch erwähnt: »Höre Israel, der Ewige unser Gott, der
Ewige ist einzig." (Dtn 6,4) Dieser Satz ist das Bekenntnis, mit dem der Jude
stirbt. Er ist der stärkste und tiefste Ausdruck biblischer Religiosität, und
doch ist er alles andere als ein Dogma, das den Glauben einer ganz bestimmten
Aussage über Gott fordert.
Bei den Propheten treten zu den Sätzen, die den Glauben an Gott als den
wahrhaft Seienden ausdrücken, noch solche hinzu, die den Glauben an den Messias
- an die Gotteserfülltheit aller Menschen - ausdrücken. So sagt Hosea: "Dann
werden zurückkehren die Kinder Israels und sie werden suchen den Ewigen, ihren
Gott und damit ihren König, und sich hinängstigen zum Ewigen und seiner Güte am
Ende der Tage." (Hos 3,5)
Amos sagt: "An jenem Tage werde ich aufrichten die Hütte Davids, die
zerfallene, und ihre Risse vermauern und ihre Trümmer aufrichten und sie wieder
bauen, wie in den Tagen der Vorzeit... Dann sollen Tage kommen - Spruch des
Ewigen -, da holt der Pflüger den Schnitter ein und der Traubenkelterer den
Sämann, da werden die Berge von Most triefen und alle Hügel zerfließen; dann
bringe ich zurück die Gefangenen meines Volkes Israel, und sie werden verwüstete
Städte wieder aufbauen und bewohnen, Weinberge aufpflanzen und Wein davon
trinken, Gärten machen und Früchte daraus essen, und ich will sie in ihr Land
einpflanzen, daß sie nicht mehr ausgerottet werden sollen, aus ihrem Lande, das
ich ihnen gegeben," (Am 9,11.13-15)
Der Prophet Micha (4,1-4) sagt: "Am Ende der Tage wird der Berg des Hauses
des Ewigen gegründet stehen auf dem höchsten Berge und er wird erhaben sein über
die Hügel, und es werden zu ihm strömen die Völker und viele Völker werden gehen
und sprechen: Auf, laßt uns hinaufsteigen zum Berge des Ewigen und zum Hause des
Gottes Jakobs, daß er uns lehre seine Wege und daß wir wandeln in seinem Pfade,
denn von Zion geht die Lehre aus und das Wort Gottes von Jerusalem. Und er wird
richten zwischen vielen Völkern und Recht sprechen zwischen mächtigen Nationen
bis in die Ferne, und sie werden umschmieden ihre Schwerter zu Pflugscharen und
ihre Spieße zu Winzermessern. Nicht wird erheben ein Volk das Schwert gegen das
andere, das Schwert und sie werden nicht mehr lernen den Krieg, und sie werden
sitzen ein jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum und niemand
wird sie aufschrecken."
Den höchsten Ausdruck findet der prophetische Universalismus wohl in den
Worten Jesajas (19,23-25); "An jenem Tage wird ein Weg führen von Ägypten nach
Assyrien, und Assyrien kommt nach Ägypten und Ägypten nach Assyrien und Ägypten
wird mit Assyrien Gott dienen. An jenem Tage wird Israel das Heil sein zu
Ägypten, und Assyrien ein Segen inmitten der Erde, den der Gott Zebaoth
ausgesprochen: Gesegnet sei mein Volk Ägypten und meiner Hände Werk Assyrien und
mein Erbe Israel."
Jeremia ruft: "Fürwahr, es kommt die Zeit - Spruch Gottes -, da will ich mit
dem Hause Israel und dem Hause Juda einen neuen Bund schließen. Darin soll der
Bund bestehen, den ich nach dieser Zeit mit dem Hause Israel schließen will -
Spruch Gottes: Ich lege mein Gesetz in ihr Inneres und schreibe es ihnen ins
Herz, und so will ich ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein." (Jer
31,31-33)
Hören wir noch Ezechiel (36,25-27): "Und ich werde sprengen über euch reines
Wasser, daß ihr rein werdet von all euren Unreinheiten, und von allen euren
Götzen will ich euch reinigen; und ich werde euch geben ein neues Herz, und
einen neuen Geist werde ich geben in euer Inneres; und ich werde entfernen das
Herz von Stein aus eurem Fleische und werde euch geben ein Herz von Fleisch, und
ich werde meinen Geist geben in euer Inneres."
Aus den hier wiedergegebenen Prophetenstellen wird ohne weiteres klar, was
als der metaphysische Inhalt des Prophetismus anzusehen ist: Gotteserkenntnis
und deren Ausbreitung auf Israel und die Menschheit, eine Gottesidee, die weit
davon entfernt ist, dogmatisch zu sein. Hier ist der starke Glaube an Gott, der
Glaube an den Messias, aber kein Glaube an Aussagen über Gott oder an Aussagen
über den Messias.
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