Tier und Judentum:
Antisemitismus und der Vorwurf der Tierquälerei
Dr. Hanna Rheinz
Der christliche Antijudaismus, die traditionellen
Judenfeindschaft der Kirchen, entstand im Bemühen der frühen Christen sich
von den jüdischen Wurzeln des Christentums abzugrenzen. In der
abendländischen Geschichte führte dies zu zahlreichen Irrtümern bei der
Wahrnehmung jüdischer Traditionen, in deren Folge Vorurteile, Hass- und
Abwehrhaltungen entstanden, die bei den zahlreichen Judenverfolgungen und
Pogromen eine herausragende Rolle spielten.
Der Umgang mit Tieren sund Tierprodukten spielte dabei
eine wichtige Rolle. Die jüdische Wertschätzung des Tieres, die Anerkennung
der tierlichen Seele, seiner Leidens- und Empfindungsfähigkeit, die jüdische
Tierschutzethik und der aktive Tierschutz wurden ins Gegenteil verkehrt und
als Grausamkeit bezeichnet.
Im 19. Jahrhundert entstand, parallel zum allerorten aufsprießenden
Nationalismus, parallel auch zur christlich pietistischen Tierschutzbewegung
der Vorwurf, das Schächten der Tiere sei ein archaisches Opferritual, das
der Moderne nicht mehr angemessen wäre.
Antischächtkampagnen - gestern und heute
Für eine jüdische Tierschützerin ist es immer wieder
erschütternd zu erkennen, daß einem deutschen Publikum die jüdische
Schechita nicht zu vermitteln ist und die jüdische Schechita mit ihrem
geprüften Qualitätsstandards als vergleichsweise tierschonende
Schlachtmethode neben den anderen Tötungsmethoden eine objektive und
sachliche Beurteilung nicht erwarten darf.
Erschütternd, denn die Schächtkritiker übersehen, dass auch die heute
eingesetzten Betäubungsmethoden kein schonendes, schmerzfreies, "humanes"
Sterben des Tieres garantieren. Im Gegenteil, sie erzeugen die Illusion des
schönen Todes und fördern in der Öffentlichkeit den Fleischverzehr "ruhigen
Gewissens", schließlich hat das Tier ja nicht gelitten! Von den wirklichen
Zuständen in den Schlachthöfen und beim Tiertransport kann so abgelenkt
werden.
Gleiches gilt für die Jagd als im christlichen Abendland bis auf den
heutigen Tag akzeptierter Form der "Fleisch-Ernte", obwohl sie für die Tiere
erhebliche Leiden und Schmerzen bedeutet und mit einem meist extrem
verlängerten und qualvollen Sterben des waidwunden und gehetzten Tieres
einhergeht.
Tierschutz oder Antisemitismus?
Die Aggressivität und Boshaftigkeit mit der gegen die
jüdische Schlachtmethode vorgegangen wird, und jüdische Menschen, die sich
um eine differenzierte Wahrnehmung bemühen als "grausam", und "sadistisch"
diffamiert und mit Schächtandrohungen verfolgt werden, - läßt Rückschlüsse
auf einen latenten Antisemitismus zu.
Auch jahrzehntelangen Diskussionen scheinen diese Abwehr und Aggression
gegen das jüdische Schächten nicht zu mindern.
Ich orientiere mich am biblischen Verständnis des
Schächtens individueller Tiere und stehe dem industriell organisierten
Schächten wie es heute praktiziert wird, kritisch gegenüber, da es keine
Bezugnahme des Rabbiners und Schochet zur Todesangst des einzelnen Tieres
mehr erlaubt.
Der Rabbiner hatte ebenso wie der Priester im Tempel die Aufgabe mit dem
Tier zu sprechen, die Segenssprüche und Gebete dienten dazu, bei jedem
einzelnen Tier Angst und Schmerzen vor dem Sterben so weit wie möglich zu
lindern und dafür die Erlaubnis - und Vergebung - des Schöpfers zu erbitten.
Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, daß die deutschen Tierschützer
diese Zusammenhänge und Traditionen verstehen, und begreifen, vielleicht
sogar einmal akzeptieren, daß es sich beim Schächten nicht um ein
"archaisches Blutritual primitiver Stammesgesellschaften" handelt, sondern
um einen Kompromiß zwischen Tötungsverbot und Wunsch nach Fleischverzehr.
Des weiteren bringt das Regelwerk des Schächtens zum Ausdruck, daß sich die
jüdische Kultur der seelischen Schäden bewußt war, die für den Menschen, der
tötet, entstehen können und daß sie diese, ebenso wie die daraus folgende
Schuld, mindern wollte.
Von den Schlachthöfen führt der Weg zu den Schlachtfeldern, von der Schuld
des einzelnen führt der Weg zum Trauma, zur Verletzung der Seele, zur
Wiederholung des Traumas und schlließlich zur Verrohung, zur
Gleichgültigkeit und Gewöhnung an das Töten, das nicht länger als Bruch
eines Tabus erfahren wird.
Hinzu kommt, daß sich die heutigen Antischächtbewegungen nicht nur gegen das
zahlenmäßig geringe, de facto an deutschen Schlachthöfen gar nicht mehr
praktizierte jüdische Schächten richtet, sondern auch und vor allem gegen
das europaweit zahlenmäßig anwachsende, weitgehend ohne Qualitätskontrollen
durchgeführte islamische Schächten, das wie es beispielsweise während des
Islamischen Opferfest üblich ist, sogar von männlichen Laien durchgeführt
werden darf.
Die neue Website von Dr. Hanna Rheinz finden Sie unter:
http://www.tierimjudentum.de
Stellungnahme der
Initiative Jüdischer
Tierschutz:
Schächten und Betäubung
Die jüdische Forderung, die Heiligkeit allen Lebens und aller
Lebewesen anzuerkennen, kann als ein jedweder handwerklichen Durchführung
übergeordnetes Gebot gelten; zudem fordert sie eine Rückbesinnung auf die
Erkenntnisse der Jüdischen Tierschutz- und Tierrechtsgebote auch im Fall des
Schächtens...
Hintergrund:
Das Schächten:
Zur jüdischen
Schlachtmethode
Eine wissenschaftliche Abhandlung von
Rabbiner I.M. Levinger...
Die religiösen
Grundlagen
-
Vorbereitung
und Methode
-
Durchführung
- Ruhe nach
dem Schnitt
-
Reflektorische Bewegungen
-
Zusammenfassung
Tierquaelerei oder
tiergerechtes Schlachten:
-- Das
Bundesverwaltungsgericht befasst sich mit rituellem Schlachten
--
Eine
Sachverständigendiskussion zum Schächtverbot
--
Kommentar: Am Deutschen
Wesen...
Rabbiner Pinchas Paul Biberfeld zum Schächtgebot:
Gedanken über die g'ttliche Schechita
Chaim Frank zum Speisegesetz:
Eine knappe Erklärung zur Kaschruth
hagalil.com 11-05-2005 |