Seminar: 
      Verfassungsverständnis und 
    Verfassungsgerichtbarkeit im 
 	internationalen Vergleich 
    Israel 
    Leitung: Prof. Dr. Gerhard 
	Robbers, 
    Universität Trier, WS 1996/97 
    von Yoram Moyal
  
      3. Verfassungsrechtliche Entwicklung 
		nach der Staatsgründung 
      
        a) Law and Administration 
		Ordinance 
        b) Erster Verfassungsentwurf 
        c) Transition Act 
        d) Harari Resolution 
        e) Die Grundgesetze 
        f) Israel als jüdischer und demokratischer Staat 
          
       
    
    3. 
    Verfassungsrechtliche Entwicklung nach der Staatsgründung 
    a) Law and Administration Ordinance 
    
      Einer der ersten Rechtsakte nach der Staatsgründung war 
		die Verabschiedung des Law and Administration Ordinance, welcher 
		zum einem den Übergang der Kompetenzen der Mandatsherrschaft auf 
		israelische Institutionen regelte und zum anderen in Art. 11 die 
		Kontinuität der vor der Staatsgründung bestehenden Rechtsordnung 
		garantierte. Dies hatte zur Folge, daß die Erlasse der 
		Mandatsherrschaft, insbesondere der oben erwähnte Art. 46 des ‘Palestine 
		Order in Council’, ihre Wirksamkeit behielten. Die Prinzipien des 
		Common Law und der Equity Lehren blieben somit dem 
		israelischen Rechtssystem erhalten. Und weiterhin war es für israelische 
		Richter möglich, Lücken durch im Ausland entwickelte common-law
      Rechtsgrundsätze auszufüllen. Wobei diese Rechtsgrundsätze nicht 
		verbindlicherweise in Großbritannien hergeleitete Prinzipien sein 
		mußten. Dies hatte in den folgenden Jahren zur Folge, daß 
		Grundsatzentscheidungen des Supreme Court der Vereinigten 
		Staaten, als auch des britischen House of Lords in der 
		Rechtsentwicklung des neuen Staates Bedeutung erhielten. 
      
        Basic Klaw: Human Dignity and Liberty 
		(1992), http://www.israel-mfa.gov.il/gov /laws/dignity.htm 
        Kol Ha’am v. Minister of Interior (1953) 7 P.D. 
		871 (884); Englisch: 1 SJ 90 S. 105 
        Shetreet, S.; Developments in constitutional law, 
		selected topics, S. 412 
        Entscheidung des Conseli Constitutionnel vom 16. Juli 
		1972, in: Favoreu/Phillip; Les Grandes Décisions du Conseil 
		Constitutionnel, Nr. 19 
        Klein C., État et Religion en Israël, S. 13 
        
       
      1980 emanzipierte sich das israelische Recht endgültig von 
		ausländischen Rechtsquellen. Das Gesetz über die Grundlagen des Rechts 
		bestimmte, daß Lücken im Recht fortan nur noch gemäß den Werten der 
		‘jüdischen Überlieferungen’ gefüllt werden sollen. Der Rückgriff auf die 
		moralischen Werte des jüdischen Rechtsdenkens hat in der praktischen 
		Anwendung wenig Bedeutung erfahren, wo doch schon seit längerer Zeit auf 
		den Import ausländischer Rechtsprinzipien verzichtet wurde, da die 
		eigenen israelischen Rechtsquellen zu dem Zweck genügten. 
     
    b) Erster Verfassungsentwurf 
    
      Nach der Staatsgründung übernahm zunächst der 
		Provisorische Regierungsausschuß die Staatsgeschäfte und setzte einen 
		Ausschuß zur Ausarbeitung einer Verfassung ein. Die Erörterungen über 
		einen vorgelegten Verfassungsentwurfs blieben allerdings ohne Ergebnis. 
		Bezeichnenderweise gelang es bereits in diesem frühen Stadium nicht, die 
		erst noch zu etablierende Verfassungsgebende Versammlung auf die 
		Verabschiedung einer Verfassung und nachfolgende Selbstauflösung zu 
		verpflichten 
     
    c) Transition Act 
    
      Die am 25. Januar 1949 gewählte Verfassungsgebende 
		Versammlung verabschiedete bereits zwei Tage nach ihrem Zusammentritt 
		den Transition Act (Übergangsgesetz) das stellenweise als 
		small constitution bezeichnet wurde. Der Transition Act legte 
		fest, daß die Verfassungsgebende Versammlung in eine gesetzgebende 
		Versammlung umgeformt werden sollte, diese den Namen Erste Knesset
      tragen und die legislative Körperschaft des Staates Israel werden sollte. 
		Ferner regelte er gesetzgebungstechnische Angelegenheiten, die später im 
		‘Grundgesetz über die Knesset übernommen wurden. Obschon dieses 
		Übergangsgesetz eine enorme Wirkung auf die weitere 
		verfassungsrechtliche Entwicklung hatte, kann sie aufgrund ihrer nur 
		rudimentären Regelungen über Staatsorganisation günstigstenfalls als 
		Verfassungsskelett bezeichnet werden. 
     
    
      
        Bin-Nun, A., Einführung in das 
		Recht des Staates Israel, S. 7f 
        ausführlich dazu: Gorney, U., American Precedent in the Supreme 
		Court of Israel, S. 129ff 
        Friedmann, D., The Effect of Foreign Law on the Law of Israel, S. 
		54ff 
        Schachar, Y., History and Souces of Israeli Law, S. 6f 
        Likhovski E., Israel’s Parliament, 1971, S. 16f 
        Attorney General v. Montana (1962) 16 P.D. 430, 440 und bei 
		Peaslee J,. Constitutions of Nations, Vol. II 269 
        Knesset=Versammlung 
        BasicLaw:The Knesset: 
		http://www.israel-mfa.gov.il/gov/laws/knesslaw.htm 
        
       
     
    
      Die Wirkung der Umformung der Verfassungsgebenden 
		Versammlung in die Erste Knesset war umstritten. Besonders 
		fraglich war der Punkt, ob die durch die Unabhängigkeitserklärung 
		gewährte Kompetenz der Verfassungsgebenden Versammlung, ein 
		Verfassungsdokument zu verabschieden, mit der Umformung in die Erste 
		Knesset erloschen ist. Es ist offensichtlich, daß die Gewährung von 
		verfassungsrechtlichen Vollmachten an die Legislative problematisch ist. 
		Anstelle einer primären konstituierenden Körperschaft, welche die 
		staatlichen Machtträger mit ihren Funktionen beauftragt und ihnen die 
		entsprechenden Kompetenzen verleiht, würde hier die Legislative diese 
		Vollmachten erteilen, und die verfassungsmäßigen Kompetenzen, aus der 
		sie schließlich ihre eine gesetzgeberische Zuständigkeit ableitet, 
		selbst schaffen. Die Klärung dieser Frage wurde schließlich durch die 
		praktische Anwendung verfassungsgebender Befugnisse, der Verabschiedung 
		der ersten ‘Grundgesetze’, durch die dritte Knesset zugunsten einer 
		legislativen und konstituierenden Kompetenz aufgelöst.. 
     
    d) Harari Resolution 
    
      Zwischen Mai 1949 und Juni 1950 verlagerte sich die 
		Diskussion über die Art und Weise des zu verabschiedenden 
		Verfassungsdokuments in die Frage, ob überhaupt eine formelle 
		geschlossene Verfassungsurkunde verabschiedet werden sollte. Diese 
		Debatte mündete in der Kundgabe des Komprißvorschlags des Abgeordneten 
		Y. Harari am 13. Juni 1950. Gemäß dieser ‘Chapter by Chapter’ 
		Resolution sollte die entstehende Verfassung aus einzelnen Abschnitten 
		bestehen, von denen jeder für sich allein ein selbständiges Grundgesetz 
		bilden würde. Diese Abschnitte würden sich dann in ihrer Gesamtheit zu 
		einer Verfassung des Staates zusammenschließen. 
      Es gab mehrere Gründe für diesen Umschwung in der 
		Rechtsentwicklung des Staates Israel. 
      Als wohl wichtigstes Argument ist das schon in der 
		Verfassung erwähnte Prinzip des ‘gathering of the exiles’ anzusehen. Der 
		größte Teil der politischen Klasse, darunter Ben Gurion selbst, waren 
		der Ansicht, daß es dem kleinen Teil der zu diesem Zeitpunkt in Israel 
		lebenden jüdischen Bevölkerung nicht zustände, ihre Rechtsvorstellungen 
		in ein verbindliches Verfassungsdokument zu pressen, wenn doch der 
		größte Teil der zukünftigen Einwohner noch nicht im Land eingetroffen 
		ist (1948 umfaßte die Bevölkerung 600.000, 1950 überstieg die Zahl 
		bereits 1.370.000 Einwohner). 
      
        Dreier H., 40 Jahre Israel - Staat 
		ohne Verfassung ?, S. 1290 m.w.N. 
        Maoz, A., The Institutional Organization of the 
		Israeli Legal System, S. 12 
        Likhovski E., Israel’s Parliament, 1971, S. 18 
        
       
      Ebenfalls zu erwähnen ist, daß viele Rechtsgelehrte und in 
		juristischen Dingen bewanderte Persönlichkeiten, die Vorzüge des 
		britischen Systems zu schätzen gelernt hatten. Sie argumentierten, daß 
		ein demokratischer Staat, wie gerade das Beispiel Vereinigtes Königreich 
		zeigt, ohne weiteres ohne Verfassungsurkunde bestehen könne und ein 
		solch höherrangiges Recht gegen das Prinzip der Parlamentssouveränität 
		verstoßen würde. Eine Verfassung mit Geltungsvorrang würde 
		unausweichlich zum Nachrang des Gesetzgebers führen. Daß ein Staat auch 
		ohne formal geschlossene Verfassung existieren könne, überzeugte vor 
		allen Dingen die politische Klasse, da sich im Laufe der Zeit gezeigt 
		hatte, daß das Regieren leichter ist, ohne die Zwänge, Limitierungen und 
		Beschränkungen einer formalen Verfassung beachten zu müssen. 
      Eine weitere Meinung argumentierte, daß das klassische 
		kontinental-europäische Verfassungsmodell nicht auf den Staat Israel 
		passen würde. Das Staatsgebiet ist bis heute noch nicht exakt festgelegt 
		worden und die Einheitlichkeit des Staatsvolks ist nach dem 
		Selbstverständnis des Staates als Heimstätte für das in der ganzen Welt 
		verstreute jüdische Volk zu dienen, mehr als zweifelhaft. 
      Ein weiterer Grund für den Verzicht einer Verfassung war 
		der zu erwartende Widerstand der religiösen Kräfte sowie 
		Sicherheitsbelange. 
      Der in einer formal geschlossenen Verfassung sicherlich 
		beinhaltete Menschenrechtskatalog hätte notwendigerweise eine 
		Entscheidung über den Status von Religion und Staat beinhalten müssen. 
		Wie auch immer diese Entscheidung aussehen würde, hätte es entweder den 
		Widerstand der weltlichen oder der religiösen Kräfte hervorgerufen und 
		unter Umständen den Staat in zwei Lager gespalten, und dies zu einem 
		Zeitpunkt, als Israel noch um sein physisches Überleben kämpfen mußte. 
      Der Faktor der israelischen Sicherheit ließ 
		erstaunlicherweise überwiegend israelische Menschenrechtler für eine 
		Verschiebung der Verabschiedung eines Verfassungsdokuments eintreten. 
		Dies mit der berechtigten Befürchtung, daß angesichts der andauernden 
		Sicherheitskrise eine Verfassung, die weitreichende Freiheiten enthalten 
		würde gleichzeitig diese Freiheiten zugunsten der inneren Sicherheit 
		einschränken würde. Vor allen Dingen befürchteten sie, daß die 
		Exekutivorgane und die militärischen Institutionen mit weitreichenden 
		Notstandskompetenzen ausgestattet werden würden. Um dies zu vermeiden, 
		sollte eine solche Verfassung erst verabschiedet werden, wenn die 
		Probleme der Sicherheit gelöst sind. 
      
        Shapira A., The Genesis and Impact 
		of Rights Protection under Israel’s Basic Law’s, S. 13 
        Dreier H., 40 Jahre Israel - Staat ohne 
		Verfassung ?, S. 1291 
        Shapira A., The Genesis and Impact of Rights 
		Protection under Israel’s Basic Law’s, S. 13 
        Dreier H., 40 Jahre Israel - Staat ohne 
		Verfassung ?, S. 1292 
        Es werden sowohl Angehörige der Religion, als auch 
		Angehörige infolge von Geburt zum "jüdischen Volk" gezählt. Gemäß 
		dem Law of Return von 1952 
		http://www.israel-mfa.gov.il/gov/laws/return.htm 
        
       
     
    e) Die Grundgesetze 
    
      Die Bezeichnung ‘Grundgesetz’ für die gemäß der 
		‘Harari-Resolution’ verabschiedeten Basic Laws, die Bestandteile 
		einer zukünftigen Verfassung sein sollen, kann im Deutschen 
		mißverständlich wirken. Im Gegensatz zum deutschen Grundgesetz steht 
		ihnen im Rechtssystem des Staates Israels trotz ihrer Funktion kein 
		höherer Rang zu als den einfachen Gesetzen, sondern folgen den gängigen 
		Prinzipen lex posterior derogat priori
      und generalia specialibus non derogat. Dies ist vor allen Dingen 
		mit der Tatsache zu erklären, daß die Knesset verfassungsgebende 
		Versammlung und Legislative in sich vereint und somit jeder Akt 
		gleichwertig ist. 
      Bisher wurden elf dieser Grundgesetze in größeren 
		Abständen von der Knesset verabschiedet. Die älteren neun Grundgesetze 
		decken den formellen Teil einer Verfassung im Großen und Ganzen ab. 
		Namentlich sind dies die Grundgesetze über die Knesset (1958), die 
		Bodengüter im Staatsbesitz (1960), den Staatspräsidenten (1964), die 
		Regierung (1968, ungeformt 1992), den Staatshaushalt (1975), die Armee 
		(1976), Jerusalem als Hauptstadt Israels (1980), das Gerichtswesen 
		(1984) und den Staatskontrolleur (1988). 
      Diese Grundgesetze besitzen bis auf einige wenige 
		Ausnahmen keine Vorschriften zum Schutz vor einfacher Abänderung. Eine 
		dieser wenigen Bestimmungen findet sich in den Art. 4, 44 und 45 des 
		Grundgesetzes über die Knesset. Diese schreiben zur Änderung der dort 
		beschriebenen Bestimmungen über das Wahlverfahren zum israelischen 
		Parlament eine qualifizierte Mehrheit vor. Die Nichtbeachtung dieser 
		Vorschrift führte 1969 zum ersten Mal zur Aufhebung eines 
		Knessetgesetzes durch den Obersten Gerichtshof, und dies einzig auf der 
		Grundlage, daß diese formelle Bestimmung nicht beachtet wurde. 
      1992 regelte die Knesset erstmals den Schutz von 
		Grundrechten in zweien dieser Grundgesetze. Es handelt sich um das 
		Grundgesetz über die Berufsfreiheit (1992, umgeformt 1994) und über die 
		Würde und Freiheit des Menschen (1992). Desweiteren verabschiedete sie 
		eine grundlegende Reform des Grundgesetzes über die Regierung (1992). 
      
        Sasson, D., The Israel Legal 
		System, S. 78 
        Shetreet, S.; Developments in constitutional law, 
		selected topics, S. 472 m.w.N. 
        Klein, C., Droit Israélien, S. 40 
        alle israelischen Grundgesetze unter: 
		http://www.israel-mfa.gov.il/gov/laws/basic.htm 
        Bergmann v. The Minster of Finance (1969), 23 PD (Piskei 
		Din) (I) 693; siehe auch Likhovski E., Israel’s Parliament, 1971, S. 
		19ff 
        
       
      
      Diese neuen Grundgesetze führten zu einer ‘Minirevolution’ 
		im Verfassungsrecht Israels. Zu den neuen Entwicklungen gehören unter 
		anderem die Einführung der Unabhängigkeitserklärung als 
		verfassungsrechtlich relevanter Text, das Festschreiben des Staates als 
		jüdisch und demokratisch, die Einführung eines (zwar unvollständigen) 
		Grundrechtskatalogs und schließlich die Einführung eines generellen 
		Vorrangs mancher Grundgesetze vor einfachen Gesetzen. 
      Der Vorrang dieser Grundgesetze vor einfachen Gesetzen ist 
		unterschiedlich geregelt. Die Bestimmungen über die Regierung und die 
		Berufsfreiheit beinhalten einen umfassenden Schutz vor willkürlicher 
		Änderung. So können sie, im Gegensatz zum normalen 
		Gesetzgebungsverfahren, nur durch ein mit absoluter Mehrheit 
		verabschiedetes Grundgesetz verändert werden. Darüber hinaus ist jede 
		frühere und zukünftige gesetzliche Bestimmung an dem Grundgesetz über 
		die Bewegungsfreiheit zu messen. 
      Das Grundgesetz über die Würde und Freiheit des Menschen 
		bestimmt dies allerdings nur für alle zukünftigen Gesetze. Dieses Manko 
		ergibt sich, wie die Einwendungen zu einer generellen Einführung eines 
		Grundrechtskatalogs selbst, aus Bedenken der religiösen Parteien und der 
		Sicherheitsorgane. Diese befürchteten zu Recht, daß die bisherigen 
		Bestimmungen zur Durchsetzung religiöser Normen sowie ein Großteil der 
		noch aus der Britischen Mandatszeit stammenden Notstandsgesetze den 
		Erfordernissen des Grundgesetzes über die Würde und Freiheit des 
		Menschen nicht standhalten würden. 
      Ein schon seit 1975 im Raum stehendes Grundgesetz über die 
		Gesetzgebung würde das Verfassungsrecht des Staates Israel noch 
		grundlegender verändern. Mit seiner Einführung würden unter anderem 
		Grundgesetze nur noch mit einer Zweidrittel-Mehrheit verabschiedet oder 
		geändert werden können, und es würde ein Verfassungsgericht geschaffen 
		werden, welches die Befugnis hätte, Gesetze der Knesset für nichtig zu 
		erklären. Allerdings ist in vorhersehbarer Zeit nicht damit zu rechnen, 
		daß dieses Grundgesetz unterzeichnet wird. 
      
        Kretzmer, D., The new Basic Laws on Human 
		Rights: A Mini-Revolution in Israeli Constitutional Law ?, S. 238ff 
        Maoz, A., The Institutional Organization of the Israeli 
		Legal System, S. 16 
        Barak, A., La Révolution cosntitutionnelle: La 
		protection des droits fondamentaux, S. 30f 
        Maoz, A., System of Government in Israel, S, 16f 
        
       
      Allerdings argumentierte der Oberste Gerichtshof in einer 
		neueren Entscheidung, daß alle Grundgesetze als Bestandteile einer 
		zukünftigen Verfassung ‘Verfassungsrang’ besäßen und somit insgesamt 
		höheren Rang als die einfachen Gesetze. Die Folgen dieser Entscheidung 
		für die älteren Grundgesetze ist bisher noch nicht abzusehen. 
     
f) Israel als jüdischer und demokratischer Staat. 
      Im Vergleich zu anderen modernen demokratischen Systemen 
		ist in Israel der grundlegende Unterschied auszumachen, daß es sich 
		nicht nur als demokratische definiert, sondern darüber hinaus als ‘Staat 
		des jüdischen Volkes’ bzw. als ‘jüdischen Staat’. 
      Der Begriff ‘Staat des jüdischen Volkes’ läßt fragen, ob 
		der Staat Israel denn nicht der Staat seiner nicht-jüdischen Bürger ist 
		(die immerhin 18% der Bevölkerung ausmachen), und ob jüdische 
		(biblische) Prinzipien neben demokratischen Grundsätzen bestehen können. 
		Die Ansichten hierüber gehen von minimalistischen Ansichten, die den 
		jüdischen Staat nur auf die Einwanderungsgesetze beziehen wollen, bis 
		hinzu der Meinung, die die religiösen jüdischen Gebote als Grundlage für 
		das israelische Rechtswesen sehen will. Das 1988 ergänzte Grundgesetz 
		über die Knesset gab dem Obersten Gerichtshof einigen Anlaß, die 
		Bedeutung des ‘jüdischen Charakters’ im Staat Israel zu definieren. 
      So bestimmt das Grundgesetz über die Knesset in Art. 7A, 
		daß eine Partei nicht zu den Allgemeinen Wahlen zugelassen wird, wenn 
		sie die Existenz des Staates Israel als Staat des jüdischen Volkes oder 
		ihre demokratische Natur negiert oder zu Rassissmus aufstachelt. 
      In einer 1988 ergangenen Entscheidung stellte der Oberste 
		Gerichtshof fest, daß die in Art. 7A nebenher genannten Prinzipien 
		Israels als demokratischem Staat und Staat des jüdischen Volkes 
		miteinander eng verbunden sind und keinen Widerspruch in sich 
		darstellen: "The existence of the State of Israel as the State of the 
		Jewish people does not negate its democratic character, just as the 
		Frenchness of France not negate its democratic character." Mit dieser 
		Entscheidung wurde auch der Unterschied zwischen den Bezeichnungen 
		‘jüdischer Staat’ und ‘Staat des jüdischen Volkes’ aufgehoben, so daß 
		nunmehr gilt, daß der Begriff ‘jüdisch’ interpretiert werden soll als 
		die Grundwerte des Judaismus, die ohne weiteres mit demokratischen 
		Grundsätzen vereinbar sind. 
      
        Shapira, A., The Genesis and Impact of 
		Rights Protection under Israel’s Basic Law’s, S. 16 
        so in unter anderm in der Unabhängigkeitserklärung und 
		Art. 7A des Grundgesetzes über die Knesset 
        so unter anderm in den neuen Gesetzen über die 
		Bürgerrechte 
        Neiman v. Central Elections Committee, 42 (iv) P.D. 177 
		(1988) 
        Kretzmer, D.,  Constitutional 
		Law, S45
        Kretzmer, D., Les Droits de l’Homme en Israël, S. 44f 
        
       
     
    
        
      Zur Einstiegsseite: 
 Verfassungsrecht in Israel 
        
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		Literatur 
     
     |