ichael Karpin und Ina Friedman:
Der Tod des Jitzhak Rabin
- Anatomie einer Verschwörung
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Die Hetzkampagne gegen Jitzhak Rabin in Israel mochte noch so roh
und schrill sein - verglichen mit der Kampagne in den USA, die sich
gemeinhin eines zivilen Umgangstons im politischen Streit rühmen
kann, konnte sie einem fast maßvoll vorkommen.
Aus Kapitel 5:
American Connection
Teil 3
Der
Weg zum 4.November: Die Propaganda gegen Arafat ergänzte die Hetze gegen
Rabin
Nach New York war Capitol Hill das Ziel eines
Zangenangriffs der Gegner des Friedensprozesses.
Dank ihrer direkten Verbindungen zum Likud und
Yesha-Rat erhielten die orthodoxen Rabbiner in Amerika ständig
Berichte über angebliche Vertragsverletzungen der Palästinensischen
Autonomiebehörde. Viele dieser Meldungen stammten von Yossi
Ben-Aharon, dem ehemaligen Leiter des Büros von Ministerpräsident
Shamir; von Yigal Carmon, der Shamirs Berater für
Terrorismusbekämpfung gewesen war, und von Yoram Ettinger, einem
ehemaligen Attache für Kongressangelegenheiten der israelischen
Botschaft in Washington. Doch die «Dreierbande», wie Rabin sie getauft hatte, ging noch einen
Schritt weiter. Zur großen Verärgerung des AIPAC und der
israelischen Botschaft richteten sie ihr eigenes Büro in Washington
ein, um im Kongress Lobbyarbeit zu betreiben. Man verfolgte drei
Ziele: Verlegung der amerikanischen Botschaft in Israel von Tel Aviv nach
Jerusalem; im Keim schon die Idee zu ersticken, amerikanische Truppen im Rahmen
eines Friedensvertrags zwischen Israel und Syrien (der allerdings
noch nicht in Sicht war) auf den Golanhöhen zu stationieren; und vor allem, amerikanische Gelder für die sich immer in akuter
Geldnot befindende Palästinensische Autonomiebehörde zu stornieren,
was diese - und den Friedensprozess - an den Rand des Zusammenbruchs
gebracht hätte.
Diesem Unternehmen schloss sich die orthodoxe jüdische Lobby an, die
große Anstrengungen unternahm, um zwei mächtige republikanische
Kongressmitglieder für sich zu gewinnen: Jesse Helms aus North
Carolina, den Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses im
Senat, und Benjamin Gilman aus New York, den Vorsitzenden des
Ausschusses für internationale Beziehungen im Repräsentantenhaus.
Der republikanische Senator Alfonse D'Amato aus New York und die
Kongressabgeordneten Michael Forbes, Charles Schumer und Peter King
hatten sich schon bereit erklärt, die Schlacht im Kongress
anzuführen.
Der Höhepunkt des Kreuzzuges gegen die Palästinensische
Autonomiebehörde war der 13. Juni 1995, als eine Delegation von 100
orthodoxen Rabbinern nach Washington kam, um den Aufschub der von
der Regierung versprochenen Hilfen für die Palästinensische
Autonomiebehörde durchzusetzen, bis die Palästinenser die
Forderungen der israelischen Rechten erfüllt hatten. Zwei Wochen
später sollte der Kongress über das Verlangen der Regierung
debattieren, den Palästinensern weitere 100 Millionen Dollar zu
überweisen, aus einem Gesamtpaket von 500 Millionen an Hilfsgeldern
und Krediten in einem Zeitraum von fünf Jahren. Washington war mit
den Zahlungen an die Palästinenser bereits im Verzug. Obwohl zwei
Jahre seit der Unterzeichnung des Osloer Abkommens vergangen waren,
hatten die Vereinigten Staaten - über einen dafür eingerichteten
Verteilungsapparat der Geberländer, den Holst-Fonds - der
Palästinensischen Autonomiebehörde nur 80 Millionen Dollar
überwiesen. Helms und Gilman hegten die Hoffnung, die Zahlungen noch
weiter verzögern zu können, und beantragten, die Fortsetzung der
versprochenen Hilfe müsse halbjährlich vom Kongress abgesegnet
werden. D'Amato hatte die Forderungen noch verschärft und
vorgeschlagen, die amerikanische Hilfe an die Palästinensische
Autonomiebehörde ganz zu streichen und sie statt dessen für
amerikanisch geführte humanitäre Projekte zu verwenden.
Der Kreuzzug der Rabbiner - auf die Beine gestellt
von Rabbi Sholom Gold, dem ehemaligen Präsidenten von Young Israel -
hatte das Ziel, Unterstützung für diese Anträge zu mobilisieren.
Gold erklärte vor der Presse, solange die PLO die Kriterien der
freiwilligen Zusammenarbeit, Rechenschaftslegung und Offenheit nicht
erfülle, müsse sie «immer noch als terroristische Organisation
betrachtet werden».
Young Israel, der Rabbinical Council of America, die Rabbinical
Alliance of America und nichtjüdische Gruppen wie die Pro-Israel
Christians und die Traditional Values Coalition (mit denen die
orthodoxe Lobby ein Ad-hoc-Bündnis geschmiedet hatte): Alle heuerten
sie Busse an, und man fuhr nach Washington. Dort fielen die Rabbiner
in die Büros von Senatoren und Abgeordneten aus beiden
außenpolitischen Ausschüssen ein. Sie beriefen sich auf einen
sechzehnseitigen Bericht der ZOA mit einer Litanei palästinensischer
Vertragsverletzungen, angefangen von der mangelnden Bereitschaft,
den Terrorismus zu bekämpfen, bis hin zur antiisraelischen
Propaganda in den staatlich kontrollierten Medien. Doch der Kern
ihrer Klagen war das Osloer Abkommen selbst. «Wenn man Land für
Versprechungen tauscht und die Versprechungen gebrochen werden,
sagen sie <Tut uns ja so leid>, aber das Land ist unwiederbringlich
verloren», erklärte Rabbiner Moshe Portnoy den Senatoren. «Israel
wird nie mehr in der Lage sein, das Land zurückzuerobern.»
Was in diesen Gesprächen wohlweislich
unterschlagen wurde, war ein zwei Wochen zuvor veröffentlichter
Bericht des Außenministeriums, wonach die PLO sich an die
Grundsatzerklärung (Osloer Abkommen) gehalten und Maßnahmen
eingeleitet habe, um der Gewalt vorzubeugen und die Verantwortlichen
für Terroranschläge zu bestrafen. Vertreter Israels informierten den
Kongreß über diesen Befund und mühten sich nach Kräften, den Angriff
der Orthodoxen abzuwehren. Botschafter Itamar Rabinovich zog
persönlich über den Capitol Hill und warnte die Abgeordneten, daß
«eine kleine, gutorganisierte und schlagkräftige Gruppe innerhalb
der Vereinigten Staaten mit aller Entschlossenheit gegen die
Regierung Rabin arbeitet». Diese Beobachtung wurde im Kongreß selbst
bestätigt. Der demokratische Senator Joseph Lieberman aus
Connecticut, selbst ein orthodoxer Jude, sah sich von Rabbinern und
anderen rechten Lobbyisten unablässig durch die Korridore des Senats
verfolgt, wies deren Annäherungsversuche jedoch ab. «Die Siedler
investieren riesige Summen in die Propaganda», klagte Lieberman.
Zwar gab er zu, daß die Palästinensische Autonomiebehörde weniger
Fortschritte mache, als er erhofft hatte, doch er stellte
entschieden in Frage, ob die richtige Antwort darauf sei, «die Hilfe
für die Palästinenser einzustellen und damit den Friedensprozeß
letztlich abzuwürgen».
Andere Kongressmitglieder zeigten sich verärgert ob des Versuchs,
das politische Schlachtfeld von Jerusalem nach Washington zu
verlegen. Während einer Sitzung des außenpolitischen Ausschusses im
Repräsentantenhaus machte sich der demokratische Abgeordnete Akee
Hastings aus Florida Luft: «Ich denke, wir veranstalten heute dieses
Hearing, weil parteipolitische israelische Interessen mit Macht in
die amerikanische Tagespolitik drängen. Und ich denke weiterhin, daß
die israelische Innenpolitik im amerikanischen Kongreß nichts zu
suchen hat... Ich verabscheue den Versuch von Oppositionsparteien in
Israel, die aufrichtige Besorgnis amerikanischer Juden in den Dienst
ihrer eigenen politischen Interessen zu stellen.» Ebenso schneidend
äußerte sich der Geschäftsführer des AIPAC, Near Sher, in einem
Interview: «Es ist sehr problematisch, wenn bestimmte Gruppen
versuchen, im Kongreß Lobbyarbeit gegen die rechtmäßige Regierung
Israels zu betreiben. Es ist gefährlich, wenn innerisraelische
Fragen in die Hallen des amerikanischen Kongresses gezerrt werden.»
Noch während die 100 Rabbiner versuchten, im Kongress eine Lobby für
ihre Ziele zu schaffen, warf sich sogar Außenminister Peres ins
Zeug. Telefonisch bat er Gilman, die Rabbinerdelegation nicht zu
empfangen, da ein solches Treffen den Friedensprozess gefährden
könne. «Die meisten amerikanischen Juden unterstützen das Osloer
Abkommen», mahnte er den Kongressabgeordneten, «die Orthodoxen sind
nur Randfiguren.» Doch die Rabbiner setzten sich durch. Gilman
empfing sie nicht nur, er gab gemeinsam mit den Delegationsleitern
eine Pressekonferenz, in der er den Bericht des Außenministeriums
als «Schönfärberei» abtat und sich hinter die Forderungen der
Rabbiner stellte. Begeistert von ihrem Erfolg, bestieg die Delegation die Treppe zum
Lincoln Memorial und sprach Gebete zum Wohle Großisraels. Man hatte
sich diesen Ort ausgesucht, um die Juden an eine andere,
vierhundertköpfige Delegation von Rabbinern zu erinnern, die im
Herbst 1943 an dieser Stelle demonstriert hatten, nach einem Gang zu
Präsident Roosevelt, den man flehentlich gebeten hatte, die
europäischen Juden zu retten. Die Anspielung war deutlich: Dem
jüdischen Volk drohte eine Katastrophe von den Ausmaßen des
Holocaust. Freilich ging man vor der Presse nicht so weit, die
schweren Geschütze aufzufahren: «Es dreht sich hier nicht um die
Frage, ob man für oder gegen den Friedensprozess ist. Es geht nicht
einmal unmittelbar um die Haltung der israelischen Regierung»,
erklärte Rabbiner Steven Pruzansky nicht ganz wahrheitsgetreu. «Es
geht hier allein um ein Problem des amerikanischen
Steuerzahlers.»...
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Auf dem Weg zum 4.November:
Geistige Brandstiftung
Vor dem Kongress und der allgemeinen
Presse, war noch eine gewisse Zurückhaltung angesagt, dies galt
nicht in den "eigenen Reihen"...
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Aus dem Buch von
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