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Ex-Generalstabschef Amnon Lipkin
Shachak:
Das Zentrum ist ein politisches Zuhause
für alle |
«Die Zentrumspartei ist die einzige Chance,
Netanyahu abzulösen, denn sie widerspiegelt das Bedürfnis einer Grosszahl
von Israelis nach einer neuen Richtung, nach einer Veränderung. Deshalb ist
die Partei ins leben gerufen worden, und nur ihr Premierkandidat wird das
ganze Volk oder zunilndest die Mehrheit der Bevölkerung vertreten.»
Amnon
Lipkin Shachak ist der Newcomer des
israelischen Wahlkampfes. Der frühere Generalstabschef hat es sich gemeinsam
mit den drei Teamkollegen Yitzchak Mordechai, Dan Meridor und
Roni Milo
zur Priorität gemacht, den sozialen Bedürfnissen des Landes Abhilfe zu
schaffen, und will, ganz im Sinne der so neu angestrebten Einheit, mit
seiner Zentrumspartei der Mehrheit der israelischen Bevölkerung ein neues
politisches Zuhause bieten.
Die Vision sorgt für viel
Wirbel: Gemäss Shachak ist sie die einzige, die Netanyahu zu Fall bringen
kann und auch muss, um Israel den Weg zum innenpolitischen und
aussenpolitischen Wiederaufleben zu bahnen. |
Mit Amnon
Lipkin Shachak
sprach
JR-Mitarbeiterin
Chagit Adler |
"Eine Fortsetzung der Amtszeit
Netanyahus
wäre sehr schlecht für das Land!"
JÜDISCHE RUNDSCHAU: Was hat Sie dazu
bewogen, in die israelische Politik einzutreten?
AMNON LIPIUN SHACHAK: Ich habe die vergangenen Jahre unter der
gegenwärtigen Regierung mit einem ziemlich unguten Gefühl verfolgt und
bin zum Entschluss gekommen, dass eine Fortsetzung der Amtszeit
Netanyahus sehr schlecht für das Land wäre. Da die Arbeitspartei, meiner
Meinung nach, nicht mit einer gewinnbringenden Alternative aufwartete,
sah ich die Notwendigkeit der Einführung einer neuen Bewegung, die
Netanyahu bei den Wahlen erfolgreich die Stirn bieten und, was noch
wichtiger ist, gleichzeitig eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse
im Land realisieren und eine Antwort bieten würde auf die schwierigen
Probleme, mit denen Israel gegenwärtig konfrontiert ist: Da wären zum
einen die tiefen Gräben, die heute die israelische Gesellschaft spalten,
jene zwischen den religiösen und weniger religiösen Bürgern unseres
Landes zum Beispiel, sowie zum anderen der stagnierende Friedensprozess,
der uns allen Sorgen bereitet.
"Netanyahu hat die eine
Seite im Volk gegen
die andere ausgespielt, er verbündete sich
mit der radikalen Rechten und der Ultraorthodoxie
und sprach der Linken sogar die Jüdischkeit ab".
Wie ist es Ihrer Meinung nach zu dieser gesellschaftlich und politisch so
schwierigen Situation für Israel gekommen?
Was den Friedensprozess angeht, so hat sich Netanyahu durch sein
Bündnis mit den radikalen Parteien von rechts gelähmt. Zum Abkommen von
Wye Plantation kam es lediglich, weil es ihm praktisch aufgezwungen
wurde, und danach sorgten die «Verbündeten» des Premiers auch
eigenhändig für seinen Fall.
Die verstärkte Spaltung der israelischen Gesellschaft schliesslich ist
im Grunde kein neues Phänomen, sie erfuhr unter der Regierung Netanyahu
lediglich eine immense Intensivierung. Wir sind schon lange eine in
links und rechts geteilte Gesellschaft — verdeutlicht hat sich dies seit
dem Wahlsieg des Likud 1977 - und in zunehmendem Masse natürlich mit
Beginn des Friedensprozesses unter Yitzchak Rabin. Der Mord an Rabin
s.A. zeigte schlussendlich die ganze schreckliche Dimension der
Problematik auf. Aber anstatt aus der Vergangenheit Lehren zu ziehen und
die Gemüter zu beruhigen, der israelischen Bevölkerung deutlich zu
machen, dass er der Premier von allen und nicht nur von jenen 50,7% ist,
die für ihn gestimmt haben, machte sich Benjamin Netanyahu die
Auseinandersetzungen innerhalb der israelischen Gesellschaft zunutze, um
politisch zu überleben.
Er hat die eine Seite gegen die andere ausgespielt, verbündete sich mit
der radikalen Rechten und der Ultraorthodoxie gegen die Linke, ja
erklärte diese sogar für nicht jüdisch und gab so zweifelsohne zu
verstehen, dass er keinen Weg suche, das ganze Volk zu repräsentieren.
Diese Haltung hat die Atmosphäre unter der Bevölkerung beeinflusst und
jener Hälfte, die 1996 nicht für Netanyahu stimmte, nicht nur das Gefühl
vermittelt, der Premier sei nicht der ihre, sondern auch, dass das Land
ihr irgendwie weggestohlen werde. Ich denke jedoch, dass das Land, der
Staat, uns allen gehört, und es ist wichtig, dass wir dies allen zu
spüren geben.
Auf welche Art und Weise plant die Zentrumspartei, dieses Gefühl der
Einheit konkret zu vermitteln?
Wir werden nicht wie Netanyahu die Linke disqualiflzieren, aber auch
nicht wie Barak den religiösen Teil der Bevölkerung ausschliessen. Es
liegt uns daran, die zentralen Kräfte in der israelischen Gesellschaft
zusammenzuführen und somit den Fanatikern auf beiden Seiten den Wind aus
den Segeln zu nehmen. Eine breite stabile Koalition soll entstehen, die
Israel einer besseren Zukunft entgegenführen wird.
"Die Veränderung ist von
äusserster Notwendigkeit!"
Es scheint, dass Netanyahu der prekären Lage
Israels, so wie Sie sie schildern, trotzt, denn irgendwie kann man sich des
Gefühls nicht entziehen, innerhalb der Bevölkerung herrsche die Meinung vor,
der Premier sei unbesiegbar.
Ja, ich bin sicher, ein Teil der Bevölkerung sieht dies so, und wenn es
die Zentrumspartei nicht gäbe, würde Netanyahu erneut zum Premier
gewählt. Die Zentrumspartei ist die einzige Chance, Netanyahu abzulösen,
denn sie widerspiegelt das Bedürfnis einer Grosszahl von Israelis nach
einer neuen Richtung, nach einer Veränderung. Deshalb ist die Partei ins
Leben gerufen worden, und nur ihr Premierkandidat wird das ganze Volk
oder zumindest die Mehrheit der Bevölkerung vertreten. Die Umfragen
bestätigen zudem das besagte Bedürfnis: Sie zeigen schon seit Monaten
deutlich auf, daß Yitzchak Mordechai Netanyahu in der zweiten Wahlrunde
besiegen wird. Wir müssen daher Mordechais Aufstieg in die erste Runde
sicherstellen - Barak hat höchstwahrscheinlich keine Chancen gegen den
Premier -, und um dies zu tun, werden wir wenn nötig bis an den letzten
Wähler gelangen. Denn es ist festzuhalten: In Israel eine Veränderung
einzuleiten wird erst dann möglich, wenn Netanyahu nicht mehr an der
Regierungsspitze steht. Die Veränderung aber ist von äusserster
Notwendigkeit, und daher wäre ein erneuter Sieg des Premiers schlecht
für das Land - sowohl innenpolitisch wie auch bezüglich der
Aussenpolitik.
In Sachen Aussenpolitik: Stellt sich dafür Israel nicht in gleichem Masse
die Frage nach einer neu zu formenden Wiedervereinigung mit einigen der
alten Partner?
Nun, was Amerika anbelangt, so scheint mir, dass das Bündnis der
Freundschaft zwischen den Staaten die vergangenen zwei Jahre ungetrübt
überstanden hat. Man zeigt sich zwar auch dort von der politischen
Führung in Israel enttäuscht, aber die innige Beziehung bleibt, und an
ihrer Wichtigkeit hat sich nichts geändert.
Ein Neuanfang soll auch bezüglich der
Schweiz gelten, deren Bedeutung für Israel
Shachak unterstreicht und mit der er die
Aufnahme eines neuen Dialogs erreichen möchte.
Und wie sieht die Situation bezüglich der Schweiz
aus?
Diese Beziehung war während des vergangenen Jahres von einem
traumatischen Geschehnis gezeichnet, das seinen Ursprung über fünfzig
Jahre zurück findet. Die Fragen, die sich daraus stellten, lagen zur
Klärung zwischen den jüdischen Weltorganisationen und der Schweiz vor,
und nicht zwischen Israel und der Schweiz. Es handelte sich dabei um
keine Auseinandersetzung mit dem Schweizervolk, sondern um eine mit den
Schweizer Banken bezüglich ihres unzulässigen Umgangs mit jüdischem
Eigentum während des Zweiten Weltkrieges. Daher wäre es auch nicht
richtig, die Angelegenheit zu einem Thema gegen den Schweizer Bürger,
das Schweizervolk zu machen, und sollte das der Fall gewesen sein, so
war es ein Fehler.
Die Beziehungen zwischen Israel und der Schweiz, ob kultureller oder
wirtschaftlicher Natur, sind sehr wichtig. Ich sehe daher die
Notwendigkeit der Wiederaufnahme eines intensiven Dialogs, um die
Unzufriedenheit auf beiden Seiten gezielt herauszuspüren und so
zusehends eine Verbesserung beziehungsweise die erneute Normalisierung
zu erreichen.
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Amnon Schahak gratuliert dem neuen
Generalstabchef, während
Netanjahu
seine Papiere sortiert. |
Lebenslauf: Amnon
Lipkin Shachak
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