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Judentum und Israel
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Gesellschaft in Israel:
Wir wollen Demokratie, aber wir verstehen sie nicht

Ein gemeinsames Projekt von Yediot Ahronot
und des Israelischen Demokratie Instituts (IDI)

60% der israelischen Bürger sind mit ihrer Demokratie zufrieden, aber laut den Ergebnissen einer dreimonatigen Studie, die das Israelische Demokratie Institut und Yediot Ahronot durchgeführt haben, wollen sie mit der Zeit mehr Demokratie. Die Untersuchung zeigt auch die Verwirrung und Konfusion, die beim Verständnis der relevanten Konzepte herrschen.

Die Einwanderungswellen, der Zerfall der ethnischen Geschlossenheit, das wirtschaftliche Gefälle - dies alles sind Phänomene, welche man für geeignet hielt, die anti-demokratischen Gefühle unter der israelischen Bevölkerung zu stärken. Aber Langzeituntersuchungen, darunter auch die unten veröffentlichten Meinungsumfragen des Israelischen Demokratie Instituts (IDI), zerstreuen Ängste vor einer Vertiefung und Intensivierung anti-demokratischer Ansichten in Israel. Das Gegenteil ist wahr: Die Zahl der Israelis, die behaupten, "es gibt zu viel Demokratie" verringert sich mit der Zeit, und der Prozentsatz der Israelis, die meinen, die israelische Demokratie stelle sie nicht zufrieden und müsse gestärkt werden, ist steigend.

Darüber hinaus zeigte sich diese Wandlung von einem Gefühl von "zuviel Demokratie" zu einem Gefühl von "zu wenig Demokratie" während der drei letzten Regierungen, und ist somit also nicht direkt abhängig vom Verhalten einer bestimmten Regierung. Der Meinungswandel entsteht durch die Enttäuschung der Öffentlichkeit darüber, wie die Demokratie in diesem Land mit Kräften fertig wird- oder nicht, die den Staat in seiner Existenz bedrohen. Das hängt auch mit demographischen Daten zusammen. Die in Israel, Europa und Amerika Geborenen tendieren mehr als andere ethnische Gruppen dazu, die Fehlschläge der israelischen Demokratie zu kritisieren. Auch verschiedene, manchmal sogar widersprüchliche Auffassungen von Demokratie unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen spielen eine Rolle. Immigranten aus der GUS und aus Osteuropa sehen eine positive Seite der Demokratie –freie Wahlen-, und eine negative –die völlige und sogar "übertriebene" Meinungsfreiheit. Die Ultra-Orthodoxen erwarten von Demokratie hauptsächlich gleiche wirtschaftliche Rechte, da sie ihrer Meinung nach –im Gegensatz zur Meinung der säkularen Öffentlichkeit- unter schwerer sozialer Diskriminierung zu leiden haben. Ihrer Ansicht nach ist dies das grösste Manko der israelischen Demokratie.

FLUGBÖRSE / URLAUBSLAND - ISRAELDie vielfältigen Gesichter einer idealen Demokratie erlauben nicht wenigen Gruppen der Öffentlichkeit, widersprüchliche bürgerliche Ansichten zu vertreten. So wünschten 100% der ultra-orthodoxen Befragten der IDI-Umfrage Israel als halachischen Staat, gleichzeitig wollten 96% ein demokratisches Israel.
Wie kann solch ein Widerspruch bestehen? Indem man Demokratie nur als eine formelle Einigung versteht, Wahlen abzuhalten und eine Regierung zu bilden (sowie verschiedenen Interessengruppen politische Ausdruckskraft zu gewähren) und nicht als Verwirklichung der liberalen Idee der Trennung von Religion und Staat.

Die Widersprüche und Missverständnisse, die Bedeutung von Demokratie betreffend, sind nicht auf den ultra-orthodoxen Sektor oder neue Immigranten beschränkt. Noch heute sind 57% der israelischen, und etwa 65% der jüdischen Bürger bereit, die Demokratie, d.h. die Rechtsstaatlichkeit, aufzugeben, um "Sicherheitsinteressen" zu schützen. Sie fragen noch nicht einmal nach Details über diese Sicherheitsinteressen, zugunsten derer sie die Rechtsstaatlichkeit opfern würden. Nur ein Fünftel der israelischen Bevölkerung denkt, dass in jedem Fall das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit über unspezifischen Sicherheitsinteressen steht.

Verwirrung herrscht auch, was den Platz eines "halachischen Staates" in der Demokratie angeht. Obwohl fast 100% der Israelis einen demokratischen Staat wünschen, wollen 38% von ihnen gleichzeitig einen halachischen Staat. Zwei Drittel der Israelis unterstützen die Trennung von Religion und Staat, aber trotzdem sind 46% bereit, manchmal – oder sogar ein für alle Mal, die Demokratie zugunsten der Halacha aufzugeben.

Diese Widersprüchlichkeiten drücken ein nur partielles Verständnis des westlichen Demokratiekonzeptes aus. Dieses unvollständige Verständnis rührt von der oberflächlichen Art her, mit der Demokratie in den Schulen vermittelt wird (und sogar von völligem Fehlen westlich-demokratischer Lehre in vielen Bildungseinrichtungen). In bedeutenden öffentlichen Bereichen trägt "Demokratie" einen zeremoniellen und technischen Charakter, ohne dass sie als ein System unveräusserlicher bürgerlicher Rechte verstanden wird.

Vor dem Hintergrund der Verworrenheit und Undeutlichkeit, die dem Konzept der Demokratie innewohnen, sollte beachtet werden, dass 60% der israelischen Bürger mit ihrer Demokratie zufrieden sind. Ein relativ hoher Anteil an Unzufriedenheit findet sich bei sowjetischen Immigranten, ein nicht ungewöhnliches Phänomen unter Immigranten, und bei der arabischen Minderheit, für die die israelische Demokratie noch unzulänglich ist.

Viele demokratische Institutionen gewinnen regelmässig das Vertrauen der entscheidenden Bevölkerungsmehrheit. An erster Stelle stehen dabei die Institutionen des Rechtssystems und ihrer Beschützer. Auch die israelischen Medien geniessen ein hohes Mass an Vertrauen, vor allem verglichen mit denen anderer demokratischer Staaten.

Nach den Wahlen von Mai 1999 stieg das Vertrauen in die Institutionen des Premierministers und der Regierung bedeutend. Das ist Ausdruck der Wahlergebnisse an sich, des Wunsches nach Wandel, der unter den Wählern herrscht, und der Wertschätzung der Führungsqualitäten Ehud Baraks –nicht jedoch für sein Auftreten als Premierminister, das nicht in Umfragen untersucht worden ist. Im März 1999 hatten nur 38% der Bevölkerung Vertrauen in Benjamin Netanjahu. Es scheint, dass die jetzige Regierung nicht mit einer so schweren Vertrauenskrise zu kämpfen hat.

Grafik 1:
Mass an Vertrauen in staatliche Institutionen
(Zahlen von März 1999 in Klammern)
IDF 89% (91%)
Oberster Gerichtshof 83% (85%)
Gerichte 76% (82%)
Staatsanwaltschaft 73% (80%)
Polizei 69% (73%)
Premierminister 68% (38%)
Regierung 66% (44%)
Knesset 64% (54%)
Medien 58% (57%)
politische Parteien 44% (37%).

Grafik 2:
Was für ein Staat sollte Israel Ihrer Meinung nach sein?

-ein demokratischer Staat:
alle Antwortenden 96%
Araber 88%
russische Immigranten 98%
Ultra-Orthodoxe 96%
-ein jüdischer Staat:
alle Antwortenden 85%
Araber 33%
russische Immigranten 88%
Ultra-Orthodoxe 100%
-ein halachischer Staat:
alle Antwortenden 38%
Araber 36%
russische Immigranten 12%
Ultra-Orthodoxe 100%

Die Trennung von Religion und Staat befürworten:

von alle Antwortenden 67%
Araber 75%
russische Immigranten 71%
Ultra-Orthodoxe 15%

Grafik 3:
Index der Zufriedenheit
mit der israelischen Demokratie
(Zahlen für März in Klammern)

Grad der Zufriedenheit insgesamt im Juli
60% (59%)
Nach der Herkunft:
Asien und Afrika 67% (64%)
Europa und Amerika 56% (55%)
Israel 68% (61%)
Arabisch 53% (59%)
Russisch 37% (48%)
alle Antwortenden 65% (60%)

Grafik 4:
Im Falle eines Konflikts zwischen dem Prinzip der
Rechtsstaatlichkeit und Bedürfnissen im Interesse
der Sicherheit sollte:

-in jedem Fall die Rechtsstaatlichkeit geschützt werden:
alle Antwortenden: 19%
Araber: 48%
russische Immigranten: 16%
Ultra-Orthodoxe: 6%
-kommt drauf an:
alle Antwortenden: 24%
Araber: 40%
russische Immigranten: 17%
Ultra-Orthodoxe: 29%
-in jedem Fall den Sicherheitsinteressen Vorrang gegeben werden:
alle Antwortenden: 57%
Araber: 12%
russische Immigranten: 67%
Ultra-Orthodoxe: 57%

Artikel von Sever Plotzker, Yediot Ahronot, Shabbat-Beilage, 6.8.99, S. 21-1
Transl. DoSh haGalil onLine 08-99


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