Der Sechstagekrieg in Jerusalem:
Jüdische Zeitzeugen 1967
von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 4. Juni 2007
Behira
(Clara) Alajof, damals 35, wohnte im Baka-Viertel in Westjerusalem.
"Ich hatte mich mit
einer Freundin verabredet, mit unseren Kindern zum Spielplatz bei Beth
Elischeva zu gehen. Es war der 6. Juni.
Auf dem Weg traf ich Haga-Leute, pensionierte Soldaten des Zivilschutzes.
Madame, kehren Sie sofort um. Aber der Krieg ist doch in Ägypten, sagte ich.
Ein weiterer Haga-Mann kam und befahl mir, sofort nach Hause zu gehen. Ich
betrat gerade die Haustür, als es losging. Um uns herum schlugen die
Granaten ein. Mein Mann Isak musste von seiner Arbeit zu Fuß quer durch die
Stadt. Es rannte von Hauseingang zu Hauseingang. Fast hätte es ihn erwischt.
Zwei Tage verbrachten wir im Luftschutzkeller.
Dann hieß es, dass man die Altstadt besuchen könne. 19 Jahre lang waren wir
nicht mehr dort. Ich bin da zur Schule gegangen, bei den Christen. Ich hatte
aber Angst und so ging mein Mann mit unserer Tochter. Er wollte zur
Klagemauer. Am Jaffator sah er einen Haufen Tote. Es stank schrecklich. Er
sah, wie die Araber aus ihren Häusern kamen und die Männer mitgenommen
wurden, zum Verhör. Und dann ging er weiter, in Richtung Klagemauer, aber er
fand sie nicht. Ich sah nur einen großen Platz. Dabei war doch die
Klagemauer immer in einer ganz engen verschmutzten Gasse, erzählte er. Wenig
später ging ich auch in die Altstadt. Im Basar kam mir eine alte
Klassenkameradin entgegen, Victoria Basamian, eine Armenierin. Du bist
Clara. Du bist Victoria. Wir erkannten uns sofort wieder."
Varda
Polak, damals 14, Tochter von Behira:
"Ich war in der achten Klasse. Die Schüler übten das
Herabsteigen in den Luftschutzkeller. Der Krieg überraschte uns nicht. Ich
hatte mir in der Bibliothek eine Ecke mit Proviant, Keksen und Decken
vorbereitet. Denn ich wollte nicht in den Luftschutzkeller bei unserem Haus,
1 x 6 Meter groß, mit allen 60 ekelhaften Nachbarn. Aber mein Vater kam und
zwang mich. Gebückt, unter den pfeifenden Kugeln hinweg, rannten wir nach
Hause.
Auf der Rasenfläche vor unserem Haus standen Soldaten mit einem Mörser und
schossen. Dann kam ein Nachbar, der Kurde, mit vollen Taschen Obst und
Gemüse. Er hatte den Markt geplündert, denn die Händler waren wegen dem
Bombardement geflohen. Das mochten wir gar nicht. Neben dem Haus meiner
Großmutter explodierte eine Granate. Eine Frau auf der Straße war sofort
tot. Ständig hörten wir Radio, die göttliche Stimme von Mosche Hovav, der
sonst immer die Bibelverse verlas.
"Der Tempelberg ist in unserer Hand" verkündete er,
und "Wir
stehen vor der Klagemauer". Im Luftschutzkeller weinten die Menschen vor
Freude. Und dann war alles vorbei. Auf den Straßen bewarfen wir unsere
Soldaten mit Blumen. Wir durften jeden Soldaten anfassen und küssen.
Mit meinem Vater ging ich in die Altstadt. Am Jaffator sah ich jordanische
Soldaten, wie sie mit erhobenen Händen auf dem Boden saßen. Kriegsgefangene.
Und dann der Leichengeruch. Es war schrecklich. Den Gestank habe ich bis
heute in der Nase. Aber das Tolle war, wie nett die Araber uns empfingen.
Sie umarmten uns, luden uns ein. Wir sangen zusammen. Wir fühlten uns nicht
als Besatzer und wurden von den Arabern in der Altstadt wie Freunde
empfangen. Wir hatten gar keine Angst, damals. Es war eine echte
Erleichterung nach dem Trauma zuvor. Ich erinnere mich noch an die Grenze,
mitten in der Stadt. Meist waren das nur Dreckshaufen oder Stacheldraht. Auf
der anderen Seite sah ich sudanische Soldaten. Die erschreckten uns immer.
Wir rächten uns mit kleinen Spiegeln und blendeten sie in die Augen."
(C) Ulrich W. Sahm, haGalil.com
Siehe auch: Araber in Jerusalem erleben den
Sechs-Tage-Krieg
Vierzig Jahre später:
Was brachte der Sechs-Tage-Krieg?
Dem Staat Israel gelang es knapp 20 Jahre nach seiner Gründung und nur 27
Jahre nach dem Ende des Holocaust, sich aus einem tödlichen Würgegriff der
gesamten arabischen Welt zu befreien. Der berühmte Spruch des ägyptischen
Präsidenten Gamal Abdel Nasser, "die Juden
ins Meer werfen" zu wollen, war erst einmal entkräftet...
Sechs-Tage-Krieg 1967:
Der Kriegsverlauf
Mai bis Juni 1967: Ägypter schaffen "casus
belli" (Kriegsgrund) durch die Schließung der Meerenge von Tiran, den Abzug
der UNO-Beobachter sowie durch einen Truppenaufmarsch im entmilitarisierten
Sinai. Die ganze arabische Welt schickt Truppen nach Syrien, Jordanien und
Ägypten...
Vor vierzig Jahren:
Wie der Sechs-Tage-Krieg ausbrach
In den Stadtparks von Tel Aviv und Ramat Gan wurden schon Massengräber
ausgehoben. Fußballfelder wurden geweiht, um als Friedhöfe zu dienen...
Vom Sinai-Feldzug bis zum Juni 1967:
Arabisch-Israelische Beziehungen von
1956 - 1967
Während des Jahrzehnts nach dem Sinaifeldzug gab es keinen
nennenswerten Auseinandersetzungen zwischen Israel und den Arabern, die
Spannungen wurden jedoch nicht geringer...
Die Kriege Israels:
Standorte der arabischen Streitkräfte im
Mai 1967
Schon im Frühjahr 1966 war es offensichtlich, dass Israels
Nachbarstaaten ihre anti-israelischen Aktivitäten verstärkten. Immer mehr
israelische Zivilisten wurden an der syrischen und jordanischen Grenze
getötet. Die Syrer bombardierten von den Golanhöhen aus rücksichtslos
israelische Siedlungen...
Der Sechs Tage Krieg:
5. Juni 1967 bis 10. Juni 1967
Am Morgen des 5. Juni zerstörte Israel in einem weniger als drei
Stunden dauernden Präventivschlag die Luftwaffen der arabischen Staaten und
marschierte in die Halbinsel Sinai ein...
Soundfiles zur Milchemeth Schescheth haJamim
Ägyptens Präsident und Radio Kairo am 1.Juni 1967, kurz vor
Ausbruch des Krieges:
Wav-File Gamal Abdel
Nasr
Der
Sechs-Tage-Krieg von 19967 und die Juden in Deutschland (RealAudio Datei) |