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Judentum und Israel
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Wahlen im Biblischen Zoo zu Jerusalem

Lili Eylon

Normalerweise sind Schimpansen, Panther und Nilpferde keine "animaux politiques" - politische Wesen. Außer denen im Biblischen Zoo von Jerusalem. Aber auch das nur für eine sehr kurze Zeit.

November 1993 - der Kampf um die Wahl des Bürgermeisters von Jerusalem war in vollem Schwung. In den Straßen schrien wochenlang überlebensgroße Plakate ihre Wahlparolen, und die Gesichter der Kandidaten lächelten von ihnen den Fußgängern und Autofahrern, Professoren wie Schustern, Teenagern wie Senioren zu. Anhänger der verschiedenen Kandidaten wechselten in der Nacht klammheimlich die Plakate aus. Rundfunk und Fernsehen brachten eine Fülle von Debatten und Erklärungen bezüglich der einzigartigen Qualitäten der Kandidaten - oder Mängel ihrer Rivalen. Schließlich ging es darum, wer in den kommenden Jahren an der Spitze der Hauptstadt Israels stehen würde. Am Biblischen Zoo Jerusalems - der eine ständige Attraktion für alt und jung ist - ging die Aufregung, die in der Stadt herrschte, auch nicht spurlos vorbei.
Kurzum, die Tiere wollten auch Wahlen organisieren, um zu bestimmen, wer sie führen würde. Um die Wahrheit zu gestehen, hatten die meisten Insassen, vom Löwen bis zu den Affen und Antilopen, sich an Shai Doron, den Direktor des Zoos gewandt, um Wahlen abzuhalten, kurz nachdem sie von ihrer früheren Unterkunft im Romema-Viertel in Jerusalem in ihr neues geräumigeres Domizil in der Malcha-Gegend im Süden Jerusalems umgezogen waren. Das in der Stadt herrschende Wahlfieber bestärkte nur ihren Willen.
Der Direktor Shai hielt eine Sitzung ab, an der sich sein Stellvertreter Rafi, der Veterinär Gaby, die Krankenschwester (für Tiere) Betty und die Sekretärin Orly beteiligten. Nach langer Beratung wurde beschlossen, dem Anliegen der Tiere im Prinzip zu entsprechen - nur zog man es vor, die Abstimmung unter den Besuchern des Zoos und nicht unter seinen vierbeinigen Bewohnern durchzuführen.

Da am Tag der Bürgermeisterwahlen die Kinder schulfrei hatten, schien dieser Termin besonders geeignet, um eine demokratische Entscheidung herbeizuführen. Der Wahlkampf im Zoo war kürzer als der in der Stadt - um es genau zu sagen: einen Tag lang, in den sowohl die Wahlpropaganda als auch die Abstimmung gepreßt wurden. Vorher hatte eine Generalversammlung der Tiere stattgefunden, bei der hitzige Diskussionen stattfanden.

Es wurde beschlossen, die Wahlen auf ehrliche und würdige Weise abzuwickeln, nicht wie es oft bei den Wahlkämpfen der Zweibeinigen vor sich geht. Fast einstimmig sprachen sich die Tiere gegen Gewaltanwendung aus. Es gab nur eine abweichende Stimme, die des Alligators, der fast einen Zwergaffen verschlang, der auf einer Liste mit ihm kandidieren wollte. Spontan bildeten sich verschiedene Parteien. Der gemeinsame Nenner hatte wenig mit Ideologie zu tun; er basierte mehr auf dem, was die Tiere essen, als was sie denken. Die Vegetarier, wie Zebras, Rehe und Antilopen - die dem Fleisch das Gras vorziehen - bildeten eine "grüne" Koalition. Die Fleischfresser wie Panther, Cheetah und Löwe wollten auch eine Liste bilden, aber der Löwe zog sich im letzten Augenblick zurück, als ihm klargemacht wurde, daß er nicht die Spitzenposition in seiner Partei bekommen würde. Weitere Protestler waren der schwarze und der persische Panther, die sich weigerten, auf einer Liste mit dem Schneepanther zu kandidieren. (Übrigens hatte der Schneepanther für dieses Jahr Schnee in Jerusalem vorausgesagt, aber bis Mitte März fiel der Schnee nur auf den Golanhöhen.)

Es gab keine billige Propaganda mit lästigen Aufklebern, deren man sich nur mit Mühe entledigen konnte. Nur handgeschriebene Wahlparolen waren an den wichtigsten Stellen des Zoos zu sehen: auf den Brücken, am Teich, in der Nähe der hochklassigen und kostspieligen Papageien - so daß die jugendlichen Besucher sie sehen und aufgrund von authentischen Informationen abstimmen konnten. Am Wahltag erschienen sehr viele Kinder, und im Unterschied zu den Erwachsenen, die an diesem Tage über den Bürgermeister von Jerusalem entscheiden sollten und von denen ein Großteil gar nicht zur Wahl erschien, stimmten alle Kinder im Zoo ab - die, die noch nicht schreiben konnten, malten ein Bild von dem von ihnen bevorzugten Tier.

"Wenn du willst, daß dein Votum Gewicht hat, stimme für das Nilpferd!" - so der Text eines Wahlplakates. Aber die hellen jungen Wähler meinten, das Nilpferd sei zu dick, um den Stadtrat zu leiten - vermutlich würde es sich in seinen Gedanken mehr mit den Bestandteilen seiner nächsten Mahlzeit als mit den Problemen befassen, die zur Diskussion standen. "Schwarz ist schön, stimme für den schwarzen Panther" lautete eine andere Wahlparole - aber das schien den Kindern sehr rassistisch und so hatte der schwarze Panther bei ihnen gar keine Chance.

"Wir verstehen Menschen am besten - stimmt für uns Schimpansen", hieß es in einem anderen Wahlspruch. Das kam bei den jungen Wählern gut an. Sie überlegten sich die Sache und stimmten zu: Als populärstes Tier erwies sich Jackie, die Schimpansin, ein angesehenes Mitglied ihrer Familie, das einen hohen Platz in der Rangordnung einnahm, eine Großmutter mit zwei Enkeln und einer Enkelin, die sie die verschiedensten und amüsantesten Schimpansenspiele lehrte, wie zum Beispiel sich mit dem Kopf nach unten an Zweigen aufzuhängen und zum Vergnügen der Besucher laute Schreie auszustoßen. Der zweite Favorit war der Löwe und dicht danach der Elefant (obwohl es im Augenblick noch gar keine im Biblischen Zoo gibt - aber dieses Votum übte auf die Leitung des Zoos starken Druck aus, und es sieht so aus, als würden sich in naher Zukunft vier Elefantinnen den Zoo-Insassen anschließen).

Der Slogan des schwarzen Panthers wurde einige Wochen nach den Wahlen wieder ins Gedächtnis gerufen, als eine Gruppe von schwarzen Schwänen aus Holland auftauchte. Sie sollten sich den dreizehn Flamingopärchen, den acht Sorten von Enten und vier Varianten von Schwänen - darunter einige mit schwarzen Hälsen - anschließen, die schon den Teich bevölkerten. Nun, es ist kaum zu glauben, aber die weißen Schwäne versuchten tatsächlich die schwarzen Neuankömmlinge zu ertränken! Die Frage ist, ob die weißen Schwäne die schwarze Farbe der Neuen verabscheuten oder ob sie schlicht gegen jeden "Zugereisten" waren, der die "Alteingesessenen" stören könnte. Gaby, der Veterinär, neigt zur zweiten Version. Er sagt: "Wir sind in der Tat sehr vorsichtig, wenn wir neue Tiere in den Bereich der 'Veteranen' einführen. Es dauert Wochen, und manchmal sogar Monate, bis sie sich aneinander gewöhnen. Schließlich geschehen solche Dinge nicht in der Natur. Jedes Tier - oder Gruppe von Tieren - hat sein eigenes Territorium, und kein Fremder wird da zugelassen. Hier im Zoo müssen wir deshalb sehr langsam und vorsichtig tastend mit der Einführung der 'Neuen' vorgehen, so daß sie nicht furchtsam oder aggressiv auftreten und die gesellschaftliche Zustimmung' der bereits existierenden Bevölkerung erreichen. Dies Prinzip gilt für die Cheetah genauso wie für den Ara-Papagei."
Im wunderschönen tropischen Vogelhaus, wo mehr als hundert vielfarbige Vögel in üppiger tropischer Flora herumfliegen, brauchte der schüchterne schwarzgelbe Hirtenstar - der normalerweise unentwegt plappert - vier Monate, bis von ihm die Furcht vor Besuchern in seiner neuen Umgebung abließ. Was die Cheetahs anbetrifft, gehen alle möglichen Dinge vor sich, die nicht ganz geheuer sind - einschließlich vieler Fälle von Inzucht zwischen Vater und Tochter oder Mutter und Sohn. Die folgen sind oft tragisch: da gab es eine Cheetah, die wegen genetischer Störungen blind wurde und von ihrer elenden Existenz erlöst werden mußte. Ein neues Cheetah-Männchen wird jetzt dem Zoo gestiftet - er heißt Josua zu Ehren des gleichnamigen Sohnes des Spenders, der jetzt konfirmiert wird.

Interessant ist die Geschichte von Brigitte, einer Schimpansin, die von ihrer Säuglingszeit an in einem Haus in einem Kibbuz aufgezogen wurde. Sie wuchs heran und wurde immer stärker (viermal so stark wie ein menschliches Wesen!). Sie begann, alles im Hause zu zerstören. Also mußte man sie von dort entfernen, und so kam sie in den Biblischen Zoo in Jerusalem. Aber sie hatte nie andere Schimpansen gesehen und kannte deren Sitten und Bräuche nicht. In der Tat betrachtete sie sich selbst als ein Mitglied des Kibbuz, und es war deshalb nicht überraschend, daß sie eher menschliche als tierische Gewohnheiten hatte. So war sie zum Beispiel daran gewöhnt, andere von vorne zu umarmen, wie Menschen es tun. Schimpansen hingegen umarmen einander von hinten und betrachten daher den Versuch, von vorne zu umarmen, als eine mögliche Attacke. Brigitte mußte lernen. Sie mußte lernen, die anderen zu betreuen, und sich überhaupt mit dem gesellschaftlichen Kodex der Schimpansen vertraut machen. Sie mußte auch erfahren, wie für ihre Jungen zu sorgen - bei Schimpansen ist das nicht eine Sache des Instinkts, sondern sie eignen sich die Kenntnis an, indem sie die Älteren beobachten. Brigittes erstes Junges mußte deshalb in einem anderen Zoo aufgezogen werden; beim zweiten und den folgenden war sie sehr erfolgreich.

Die Tiere in diesem Zoo sind natürlich hochnäsiger als ihre Kollegen in anderen Zoologischen Gärten in der Welt. Sie sind sich sehr dessen bewußt, daß sie in einem besonderen Zoo weilen: Auf ihrer Visitenkarte - dem Schild, das in hebräischer, englischer und arabischer Sprache ihren Namen, natürliche Umgebung und Eigenarten aufführt - erscheint auch ein Zitat aus der Bibel, das ihren Familiennamen enthält.
So kann der Leopard stolz auf Jeremia 13,23 hinweisen, wo da steht: "Kann etwa ein Mohr seine Haut wandeln oder ein Leopard seine Flecken? So wenig könnt auch ihr Gutes tun, die ihr das Böse gewöhnt seid."
Die Affen und Pfauen können mit Genugtuung feststellen, daß sie im Zusammenhang mit König Salomon sowohl im ersten Buch der Könige 10,22 als auch im zweiten Buch der Chronik 9,21 erwähnt werden: "Denn der König hatte Tarsisschiffe, die auf dem Meer zusammen mit den Schiffen Hirams fuhren. Diese kamen in drei Jahren einmal und brachten Gold, Silber, Elfenbein, Affen und Pfauen."
Das Nilpferd, das plump im Wasser plätschert, rühmt sich des Zitats aus dem Buche Hiob 40,15: "Siehe da den Behemot, den ich geschaffen habe wie auch Dich! Er frisst Gras wie ein Rind..."

Ungefähr 60% der Tiere, die hier wohnen, können ihre Abstimmung auf Ahnen zurückführen, die dieses Land zu Zeiten der Bibel bewohnten, wie zum Beispiel der (indische) Löwe, dessen Urväter hier in der Zeit Samsons hausten. Der (syrische) Bär lebte seit biblischen Zeiten bis vor 80 Jahren im Lande. Der Bär hat der Verfasserin anvertraut, daß man im Zoo eine Arche Noah plant, in der alle Tierarten, die in der "Schöpfung" vorkommen, unterkommen werden. Auch ein kleiner Zug in Form der Arche Noah wird die Besucher durch die weitgestreckte Fläche des Zoos führen. Seit Ende 1994 finden sich an verschiedenen "Tieradressen" im Zoo Bildschirme installiert, an denen die Besucher mit Augen und Ohren die entsprechenden Geschichten aus der Bibel werden verfolgen können.

Im Jahr der Umwelt interessiert man sich besonders für Tiere und ihr inneres Leben. Auch die alten Griechen wollten soviel wie möglich über das Gebaren der Tiere wissen. Sie fragten sich: "Haben Tiere Seelen? Können Tiere logisch denken?" Plutarch zum Beispiel hatte eine hohe Meinung von der Intelligenz der Tiere. Es sei zugegeben, daß die Tiere, die vor dem Menschen erschaffen wurden, das Niveau seiner Intelligenz nicht erreicht haben. Ihre Gehirne haben sich nicht genügend entwickelt, um Wasserstoffbomben oder wenigstens Atombomben zu entwickeln. Sie haben dem Menschen viele ihrer eigenen Charakterzüge übermittelt. Wie Tiere lebt der Mensch in gesellschaftlichen Gemeinschaften, wie sie ist er ein Parasit, der sich von der bestehenden Pflanzen- und Tierwelt ernährt. Sich paaren, Nester (Wohnungen) bauen und das Aufziehen der Jungen ist bei beiden ähnlich. Migration, eines der größten Rätsel im Benehmen der Tiere, kann auch häufig bei Menschen beobachtet werden. Aber abgesehen von Tod durch Krankheit, werden die Abkommen von Tieren nur ums Leben kommen, wenn ein stärkeres Tier hungrig ist. Denn die Tiere haben nicht vermocht, den Menschen einen "kleinen" Charakterzug zu übertragen: ihr vorrangiges Bestreben, das Überleben ihrer Art zu sichern.

Quelle: "Festschrift aus Israel", herausgegeben 1994 zum 70. Geburtstag von Niels Hansen, ehemals deutscher Botschafter in Israel: Recht und Wahrheit bringen Frieden.

hagalil.com 17-10-2004


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