Von Herbert Kremp
Die Welt v. 23.12.1995
Zum
70. Geburtstag erfuhr der frühere deutsche Botschafter in Israel
(1981-85), Niels Hansen, eine Ehrung, die keinem Deutschen nach dem
Kriege zuteil wurde: 63 israelische Autoren, darunter viele
namhafte, widmeten ihm eine Festschrift. Zur Begründung schreibt der
Herausgeber Shmuel Bahagon: "Niels Hansen hat, wie es die Aufgabe
von Diplomaten ist, hier die Interessen seines Landes vertreten. Er
hat es jedoch in einer Weise getan, die ihm nicht nur Zustimmung,
sondern eine breite Zuneigung eingetragen hat, und er besitzt noch
heute in Israel eine Art 'Fan-Club'."
Unter dem Titel "Recht und Wahrheit
bringen Frieden" (Bleicher Verlag Stuttgart) finden sich
gelehrte, politisch informative und oft aus wundem Herzen
geschriebene Aufsätze über die historischen und gegenwärtigen
Erfahrungen Israels, über Sprache und Kunst, jiddisches Dasein, alte
und neue Begegnungen mit Deutschland und Deutschen, über die immer
engere wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit - ein
Geflecht des Lebens, wie es anschaulicher kaum geboten werden kann.
Der Jubilar und sein Wirken als Diplomat, Musiker und homme de
lettres treten zwar immer wieder hervor, doch ist das Buch keine
Hommage, sondern ein Mosaik von Israel, den europäischen und den
orientalischen Weisen seiner Existenz.
Teddy Kollek, viele Jahre lang Bürgermeister des geteilten und des
vereinigten Jerusalems, schreibt über die Universalität der
einzigartigen Stadt, in der Toleranz und Pluralismus gegen neue
Teilungs-Ansprüche der palästinensischen Politik gesetzt werden
sollten.
Eine bildhafte geschichtliche Bekräftigung bietet der
Kunstwissenschaftler Bianca Kühnel mit einer Deutung der Darstellung
Jerusalems im sogenannten "kostbaren Evangeliar" des Hildesheimer
Bischofs Bernward um die erste Jahrtausendwende, wo die Verbindung
zwischen dem historischen und dem himmlischen Jerusalem am Beispiel
des Einzugs Christi in die Stadt Ausdruck findet. Im Rückblick und
als Kontrast zur Gegenwart beschreibt der frühere Generaldirektor
des Außenministeriums, David Kimche, die Isolierung Israels in der
Weltpolitik der 70er und 80er Jahre. Er erinnert an die Weigerung
der Europäischen Gemeinschaft, die Vereinbarungen von Camp David
gutzuheißen, die im März 1979 zum Friedensvertrag zwischen Israel
und Ägypten führten - nur weil die PLO und die Mehrzahl der
arabischen Staaten damals den Ausgleich ablehnten.
Yizak Navon, von 1978 bis 1983 Staatspräsident seines Landes,
vermutet, daß der nun gewährten Autonomie für die Palästinenser im
Westjordanland die territoriale Souveränität, ein eigenes
Staatswesen, folgen werde. Dabei gehe es nicht um den Verlust
"irgendwelchen Landes", "sondern um ein Land, in dem die Geschichte
unseres Volkes während Jahrtausenden geprägt wurde". Er persönlich,
schreibt Navon, gehöre zu den Israelis, die zum Rückzug aus den
meisten Gebieten Gazas und der Westbank im Rahmen eines
Friedensvertrages bereit seien, "obwohl ich das Gefühl dabei habe,
die Hand würde mir abgehackt". Auch Shimon Peres und Diplomaten wie
der erfahrene Gideon Rafael, früher Botschafter bei den Vereinten
Nationen und in Großbritannien, beschäftigen sich mit dem
Friedensprozeß, der wilde Emotionen hervorruft und mit Jizchak Rabin
ein Opfer gefordert hat.
Ein Drittel der Beiträge beschäftigt sich unter verschiedenen
Aspekten mit Deutschland in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Aufschlußreich sind Repräsentativ-Umfragen, ob die Beziehungen zu
Deutschland als "normal" zu gelten hätten und ob es ein "anderes
Deutschland" gebe. In beiden Fällen wurde zwischen 1982 und 1990
eine hohe Zustimmung ermittelt. Während des Golf-Krieges 1991
verfielen diese Werte sichtlich und erreichten, trotz einer gewissen
Erholung, bis 1994 nicht mehr den alten Stand. Nach Ansicht des
Historikers Moshe l. Zimmermann weckte die Furcht vor dem Einsatz
irakischer C-Waffen besonders intensive Erinnerungen an die Shoa,
die Judenvernichtung während des Krieges. Berichte über Beiträge
deutscher Firmen zur Entwicklung irakischer Chemie-Waffen und die
Gewalttaten gegen Fremde in Deutschland von 1991 an hätten ein
übriges getan. "Die massiven Protestkundgebungen in Deutschland -
die Lichterketten Ende 1992 - beeinflußten die Antworten auf die
Frage nach dem .anderen Deutschland'... nur wenig."
Welche Wirkungen nicht vollständige und einseitige Berichterstattung
hervorrufen kann, zeigen die Antworten auf die 1994 gestellte Frage
nach den "wesentlichen Zielgruppen" der Gewalttaten in Deutschland.
66 Prozent antworteten korrekt, die "Fremden" seien die wesentliche
Zielgruppe. Rund 29 Prozent gaben sich jedoch davon überzeugt, das
Hauptziel der Ausschreitungen seien die Juden - der Antisemitismus
als wesentliches Motiv der Aggression.
Eine Festschrift aus Israel:
Recht und Wahrheit bringen Frieden
Vor genau zehn Jahren erschien zum 70. Geburtstag des früheren
Botschafters in Israel Niels Hansen, die wohl erste in Israel für
einen Deutschen zusammengestellte Festschrift...
Deutsch-israelische Beziehungen:
Aus dem
Schatten der Katastrophe
Niels Hansen beschreibt die langsame Annäherung zwischen Israel und
Deutschland in den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Zweiten
Weltkrieg. Mit einem Geleitwort von Shimon Peres...
Ein sprachkünstlerisches Feuerwerk:
Christian Morgenstern sechssprachig
Dreißig Gedichte mit Übertragungen ins Englische, Französische,
Hebräische, Italienische und Spanische, illustriert von Jigael
Tumarkin...
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06-03-2005