Einführung zur Geschichte der
Ostjuden:
ChasidismusChaim FRANK
Nun, zu Beginn sogleich die allererste Frage:
Wer oder was ist ein Jude?
''Jude'' ist die
Bezeichnung für die Angehörigen der
jüdischen Glaubensgemeinschaft.
Obwohl Juden als 'ein Volk' zu sehen
sind, so darf trotzdem nicht von
einer 'Rasse' gesprochen werden. Es
gibt nämlich keine - wie es Nazis
sagen - jüdische Rasse!
In biblischer Zeit
werden als 'Jehudi' nur die
Angehörigen des südlichen Stammes
JUDA mit seinen verbündeten Stämmen
bezeichnet. Erst nach der Rückkehr
aus der babylonischen Gefangenschaft
werden alle Angehörigen des Volkes -
egal ob sie zum Stammteil ISRAEL
oder JUDA gehörten - 'Jehudi'
genannt.
Der heute
geläufige Begriff ''Israeliten'' ist
gewissermaßen eine Erfindung des
ausgehenden 18.Jahrhunderts, da man
während der Epoche der Emanzipation
die mit dem Wort ''Jude''
verbundenen Verunglimpfungen
verdrängen wollte.
Im synagogalen
Gebrauch werden im Diaspora-Dasein
mit ''ISRAEL'' jene Juden
bezeichnet, die nicht 'cohenischer'
(priesterlicher) oder 'levitischer'
Abstammung sind.
Heute hat sich in
Deutschland und auch in Frankreich
(seit Napoleons Herrschaft) der Name
Israélite durchgesetzt, wobei aber
auch JUDE (a.d. mitteljochdeutsch
JueDE) oder JUIF (aus dem
altfranzoesischem GIU), gleichfalls
noch geläufig sind. In Polen
versuchten vor allem die
assimilierten Juden ebenfalls sich
als Israeliten (oder Polen
MOSAISCHER Konfession) zu
bezeichnen, um sich so, vom eher
antisemitisch klingenden Wort
''ZYD'' zu distanzieren. Der Begriff
mosaisch'' ist übrigens heute noch
auch in Österreich gebräuchlich.
In den übrigen osteuropaeischen
Ländern, vor allem in Russland, der
Ukraine oder Rumaenien werden die
Juden ''(J)EVREJ'' genannt und im
türkischen Sprachgebrauch heißen sie
''TSCHUFUT''.
''Aufrechte
Juden'' - so schrieb der deutsche
Philosoph Heinrich LOEWE in seinen
Erinnerungen -''haben, selbst wenn
sie später die Angleichung an ihre
Umgebung suchten, sich immer nur
JUDEN genannt.''
Zusammenfassend
also nochmals:
''Juden'',
auch wenn sie als eine
Volksgemeinschaft zu sehen sind,
sind keine eigene Rasse!
Sie weisen daher
auch keine 'äußeren' Merkmale auf,
obwohl, wie es uns die Geschichte
der Judo-Phobie zeigt, immer wieder
versucht wird sogenannte Stigmen
aufzuzeigen. Denn schließlich - wenn
jemand von Ihnen jemals schon in
Israel war - so wird er sogleich
erkennen, daß die Juden hier
sozusagen ein buntes Geflecht sind;
das heißt: sofern sie nicht im Land
geboren wurden, so stammen sie aus
orientalen, jemenitischen,
äthiopischen, nordafrikanischen, aus
ost- wie westeuropaeischen aber auch
aus nord- und südamerikanischen
Ländern (wo sich ihre Vorfahren
seinerzeit niederließen).
Was ist denn den Juden bei dieser Vielfalt
überhaupt gemeinsam?
Das einzig und
allein Verbindliche im
Judentum ist
der Glaube an den einen-einzigen
G'tt. Der Glaube an die von Moshe
Rabenu gegebene Thorah und ihre
Erklärung im Talmud und die
Überzeugung, daß die Einhaltung der
Gebote*), dem Einzelnen
der sich nach Ihnen richtet - und
der ganzen Welt - zum Segen
gereichen wird, und die Welt
dereinst wieder so g'ttlich sein
wird wie nach ihrer Erschaffung
durch G'tt, den Heiligen, gelobt sei
ER.
*) Es handelt sich
um 613 Gebote (''TARJAG MIZWOT'' -
248 GEBOTE und 365 VERBOTE). Nicht
alle können heutzutage eingehalten
werden - zB können die Gebote zum
Tempeldienst zZ nicht befolgt werden
- einfach weil es
seit fast 2000 Jahren keinen
Tempel
mehr gibt.
Es ist also der
Glaube an den einen-einzigen G'T,
der mit diesem G'T geschlossene Bund
(die Brit-Milah; die Beschneidung
als körperliches Zeichen dafür) und
die Sprache der Gebete (das
Hebraeische), mit dem sich jeder
Jude eindeutig identifizieren läßt.
Ashkenasim und S'faradim
Die Mitglieder der
jüdischen Gemeinschaft unterteilen
sich - und bei der gegebenen
Vielfalt kann eine solche
Unterteilung nur wieder sehr grob
sein, in zwei Gruppen: Die
ASCHKENASIM sind die
europaeischen (v.a. deutschen und
osteuropaeischen Juden) und die
SEPHARDIM, die
ursprünglich aus Spanien
abstammenden Juden).
Diese Gruppen
unterscheiden sich nicht nur in
ihren Gewohnheiten und Trachten,
sondern natürlich ebenso in ihrer
Umgangssprache.
So hat sich
beispielsweise bei den sephardischen
Juden das
LADINO (das sogenannte
Judeo-Espanol) entwickelt, eine
Mischsprache bestehend aus alt
spanischen, hebraeisch- aramaeischen
sowie arabischen Elementen, die als
Schriftsprache mit hebraeischen
Lettern geschrieben werden. Das
LADINO erlangte jedoch keine
literarischen Hoehepunkte, wohl aber
als Liedgut.
Anders war es bei
den aschkenasischen Juden, bei denen
sich das
JIDDISCH als vorherrschende
Umgangssprache entwickelte. Auch
hier handelt es sich um eine
Mischsprache, nämlich als Basis aus
der frühen Form des
Mittelhochdeutsch, angereichert mit
hebraeischen, französischen und
später mit slawischen Elementen, was
man zunächst als JUEDEN-DEUTSCH
bezeichnete.
Genau wie beim
LADINO - als Schriftsprache - wird
das Jiddisch gleichfalls mit
hebraeischen Buchstaben geschrieben.
Erst seit dem
späten 18. Jahrhundert wurde das
''Jiden-Deutsch'' (oder auch
''Wajber-Deutsch'' genannt - was man
bis dahin hauptsächlich in Briefen,
Kahal-Dokumenten und, in gedruckter
respektive Buchform, für
Talmud-Thora-Erklaerungen nutzte -)
zu einer eigenständigen
Literatur-Sprache. Bereits zu Beginn
des 19. Jahrhunderts hatte das
Jiddisch längst schon seine ersten
Hoehepunkte erreicht, das sich sehr
rasch zu einer selbständigen Sprache
entfaltete, und in ganz Osteuropa -
nun sogar als offizielle
Unterrichtssprache - zu einem
wichtigen Bestandteil wurde: zur
Identität der ostjüdischen Kultur.
Unzählige Bücher, darunter wichtige
Romane, Theaterstücke selbst
Schulbücher, jahrhunderte von
verschiedenen Zeitungen erschienen
allerorts - und ausschließlich in
jiddischer Sprache. Nicht zuletzt
ist dies den zahlreich berühmten
Autoren (wie z.B. Scholem-Alejchem,
Mendele Moicher Sforim, Scholem Asch
u.v.a.) zu verdanken, die dem
Jiddisch zum Weltruhm verhalfen. Mit
Stolz blickten wir auch auf Isaak
Baschewis SINGER, dem es sogar
gelang, mit der Jiddischen Sprache
den Literaturnobelpreis zu erhalten!
Schließlich - und das ist das
Wesentlichste daran -, verstanden
bis zum
Holocaust rund
10 Millionen Menschen in Wort und
Schrift diese nun als ''Mame-Loschn''
(Muttersprache) bezeichnete Sprache.
Der religiöse
Antrieb der Ostjuden war seit jeher
tief in den Gesetzen, in der
jüdischen Tradition und im Glauben
verwurzelt. Das bedeutet aber
nicht, daß es nicht auch, vielleicht
hervorgerufen durch verschiedene
tragische Ereignisse, zu mystischen
Exzessen kam.
So traten
beispielsweise in der
schicksalsschweren Epoche der 2.
Haelfte des 17. Jahrhunderts einige
''Pseudo-Messiase'' auf, von denen
zwei, nämlich Sabbataj ZWI und Jacob
FRANK, traurige Beruehmheit
erlangten.
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