Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen
von dem Herrn vom Himmel herab auf Sodom und
Gomorrha und kehrte die Städte um und die
ganze Gegend und alle Einwohner der Städte
und was auf dem Lande gewachsen war.
Und (Lots) Weib sah hinter sich,
und ward zur Salzsäule ...
(I Mose 19, 24-26)
Allgemeine Psychotraumatologie:
Kulturpolitische Aspekte
Aus "Die Posttraumatische Belastungsstörung" von A. Friedmann
[BESTELLEN?]
Die Geschichte der Menschheit war von allem Anfang an auch
eine Geschichte individuellen Unglücks und gemeinschaftlicher Katastrophen -
Mord und Totschlag, Kriege und Hungersnöte, tödliche Epidemien und natürliche
Kataklysmen sind schon in den ältesten Schriften dokumentiert, ob es im Mythos
von Gilgamesch (Sintflut), in der Bibel (z.B. Untergang von Sodom und Gomorrha)
oder in der altgriechischen Sage der Ausrottung der Kinder der Niobe geschah.
Alle diese Dokumente schildern auch die Reaktionen der
Überlebenden, es sollte jedoch bis an das Ende des 19. Jahrhunderts dauern,
bis sich die Humanwissenschaften an dieses bislang von Theologen besetzte
Thema machten.
Bedenkt man allerdings, dass es fast ebenso lange dauerte, bis sich im
Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert die Medizin auch der Störungen der
Psyche annahm, um daraus das Fach der Psychiatrie zu entwickeln, ist es
durchaus legitim, der Frage nachzugehen, ob hier nicht gleiche Ursachen
beide Phänomene hervorbrachten - die Abstinenz der Medizin von allem
Psychischen und die Abstinenz der Psychologie und der Hirnforschung vom
psychischen Trauma.
Ein kurzer Exkurs in diese Fragestellung mag dazu geeignet sein, ein
Schlaglicht auf eine komplexe Problematik zu werfen, die bis zum heutigen
Tage bestehen bleibt und die eine Erklärung für diese Abstinenz bietet,
nämlich, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Medizinerschaft das
Psychische in ihrem Herantreten an den kranken Menschen ausklammert, und
dass das psychische Trauma allzu oft auch von Psychiatern übersehen oder
nicht spezifisch diagnostiziert wird.
Aus einleuchtenden Gründen hat die Priesterschaft, auch die der
monotheistischen Religionen, von jeher dazu geneigt, das Psychische für sich
zu monopolisieren: Da es als das Menschliche schlechthin definiert wurde,
als das, was den Menschen aus der Tierwelt hervorhebt und ihn zum Herrscher
über alles Lebende macht, ist es zugleich auch jener Anteil des Menschen,
der in einer besonderen Beziehung zu Gott steht, ja das göttliche Element im
Menschsein schlechthin. Verständlicherweise - hier sei das besonders im
christlichen Abendland als exemplarisch hervorgehoben - verständlicherweise
wurde das Psychische zum Objekt seelsorgerisch-klerikalen Interesses, zumal
es ja als das Unsterbliche im Sterblichen definiert war. Verständlicherweise
konnten Störungen in diesem Bereich - also im Erleben und im Verhalten - nur
in einem kausalen Zusammenhang mit Gott und seinem polaren Gegenspieler, dem
Teufel, verstanden werden: Das Abnorme war also entweder eine Manifestation
Gottes (wie z.B. die Visionen des Paulus auf seinem Weg nach Damaskus, oder
das Stimmenhören der Jeanne d'Arc) oder aber des Teufels, dessen Zugang zur
menschlichen Seele über das Körperliche (das "schwache Fleisch") führt und
den Menschen zum "Besessenen" macht. Dass der hier kompetente Berufsstand
nicht die Ärzte sein konnten, sondern die Priester, war nicht nur nahe
liegend, sondern zwingend.
Man könnte meinen, dass der Rückgang des kirchlichen
Einflusses auf die Gesellschaft mit Renaissance, Humanismus und Aufklärung
zwangsläufig zu einer Humanisierung des Umganges mit den psychisch Kranken hätte
führen sollen, dem war aber keineswegs so: Die gleichzeitige Expansion des
Merkantilismus und die frühkapitalistische Profitgesellschaft verhinderten
vorerst eine solche Entwicklung, da die psychisch Kranken nicht als Kranke,
sondern als gesellschaftliche Störenfriede und als Leistungsunfähige
wahrgenommen wurden. Dementsprechend bedurfte es der Französischen Revolution,
um hier eine Neuorientierung möglich und aus den "Narren" Objekte medizinischen
Interesses zu machen.
Die Geschichte der Psychiatrie zeigt jedoch, dass es noch ein ganzen Jahrhundert
brauchte, um sich zu orientieren. Im Wesentlichen gab es mehrere Strömungen, die
diesem noch nicht institutionalisierten Fach ihr Gepräge zu geben suchten:
"Moralische" Ausrichtungen, die psychische Störungen nun zwar nicht mehr als
metaphysische Phänomene, jedoch diese als in einem Kausalzusammenhang mit
Fehlverhalten stehend interpretierten (Alkoholismus, sexuelle Ausschweifung
u.a.); Ausrichtungen, die von der Degenerationshypothese und von simplistischen
genetischen Theorien ausgingen, also im psychischen Kranksein eine Art
"Zuchtproblem" sahen; und schließlich: "solidistische Theorien", die die neuen
Möglichkeiten der Forschung (Mikroskopie, Färbemethoden etc.) zur somatischen
Erklärung psychischer Phänomene und Symptome zum Einsatz brachten.
Naheliegenderweise erklärten sich die " Solidisten", die zu den Vätern der
modernen Neurologie werden sollten, für all jene Störungen als nicht zuständig,
bei welchen das Organ Gehirn keine pathologische Veränderung als Ursache anbot.
Da sich aber noch lange keine psychologische Wissenschaft abzeichnete, blieben
diese "rein psychischen", womöglich sogar mit belastenden Ereignissen im Vorfeld
behafteten Störungen lange Zeit, nämlich bis zum Ende des 19. Jahrhundert,
Stiefkinder der modernen Medizin. Tatsächlich stammen die meisten Beschreibungen
psychischer Störungen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von
Polizeiamtsärzten und Gerichtspersonen - die Auseinandersetzung mit ihnen über
das Forensische hinaus erfolgte vor allem in Romanen und in Theaterstücken, die
noch stark von der Romantik beeinflusst waren (Friedmann, 1987).
Kurz nach der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden drei Männer geboren, die jeder
für sich einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der modernen
Psychiatrie haben sollten: Es waren dies Emil Kraepelin, Emile Durkheim und
Sigmund Freud (Katschnig, 1998).
Der erstere prägte die biologische Denkweise in der Psychiatrie, der zweitere
die soziologische und der dritte die psychologische.
Mit Ende des 20. Jahrhunderts bestanden und bestehen zwar nach wie vor
Spannungen zwischen diesen drei Strömungen, die Psychiatrie als medizinische
Disziplin hat aber in hohem Maße anerkannt, dass ihre alltägliche forscherische,
diagnostische und therapeutische Praxis kein Monopol einer dieser Strömungen
mehr zulassen kann und die Kooperation ihrer aller Dreien einfordern muss.
... wird fortgesetzt...
Friedmann,
A. , Hofmann, P. , Vyssoki, D. (Hrsg.)
Psychotrauma:
Die Posttraumatische Belastungsstörung
Die Autoren dieses Handbuches sind anerkannte Experten und
bereiten Themen wie Epidemiologie, Komorbidität, Psychodiagnostik
praxisrelevant auf. Aktuelle Beispiele geben Hilfestellung im Umgang mit
Überlebenden der NS-Verfolgung, sowie mit Opfern von Folter, Flucht, Gewalt,
sexuellem Missbrauch, Katastrophen oder Unfällen. "Psychotrauma" bietet
somit umfassende Information sowie klare Handlungsanleitungen, die
unterschiedliche Fachleute zur Ergänzung ihrer eigenen Arbeitsweisen nutzen
können.
2004. IX, 221 Seiten. 13 Abbildungen., Broschiert EUR 39,80,
ISBN 3-211-83882-1, www.springer.at /
Inhaltsverzeichnis (pdf 20kb)
[BESTELLEN?]
Geschrieben für: Psychiater, Psychotherapeuten, Verhaltenstherapeuten,
Psychoanalytiker, Psychologen, Klinische Psychologen; Schlagworte: Katastrophe,
PTSD, Posttraumatische Belastungsstörung, Posttraumatisches Syndrom, Stress,
Traumata
"Siegel der Erinnerung":
Über die Weitergabe des stummen Entsetzens
Die »Gedenkkerzen« und die Wucht der seelischen Deformation der
Opferkinder...
Dina Wardi:
Siegel der Erinnerung
In den letzten zwanzig Jahren meiner Tätigkeit als Psychotherapeutin habe
ich, in einer Kombination von Einzel- und Gruppentherapie, Dutzende von
Söhnen und Töchtern Holocaust-Überlebender behandelt...
Reden ist besser als Schweigen:
Auch die
Enkel leiden am Holocaust
Die
Wunden des Holocaust bluten noch immer. Zu diesem Schluß kommen
Psychotherapeuten, die mit den Kindern von Opfern und von Tätern des
Nationalsozialismus arbeiten...
Ilani Kogan:
Der stumme Schrei der Kinder
In sieben ebenso eindrucksvollen wie verstörenden psychoanalytischen
Fallstudien zeigt Ilany Kogan, wie Angehörige der sogenannten zweiten
Generation, also Kinder von Überlebenden des Holocaust, auf ihre Weise an
den schrecklichen Folgen einer Vergangenheit leiden, die nicht ihre eigene
ist...
De Prijs van Overleven, der Preis des
Überlebens:
Begrijpt u nu waarom ik huil?
1969 drehte Louis van Gasteren
"Verstehst du jetzt, warum ich
weine?", einen Film über einen Überlebenden eines
Konzentrationslagers...
ESRA in Wien:
Hilfe für NS-Verfolgte und
ihre Kinder
Akutpsychotraumatologie, Holocaustsyndrom und
Migrationssyndrom...
"Care, Cure and Justice":
esra für Schoah-Überlebende
esra - hebräisch Hilfe - wurde 1991 in Berlin, mehrheitlich von
international bekannten ausländischen Fachkräften, für die psychosozialen
Folgen der Schoah ins Leben gerufen...
Posttraumatische Belastungsstörung:
Cannabis gegen Kriegstrauma
Der israelische Forscher Rafael Meshulam von der School of
Pharmacy an der Hebräischen Universität zu Jerusalem, hat mit Cannabis gute
Erfolge erzielt...
hagalil.com 14-06-2005
|