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Die Geschichte der Juden in Osterholz-Scharmbeck

Der Massenmord an den Juden

1938 gehörte die gesamte Jugend zur HJ (Hitlerjugend). Osterholz-Scharmbeck war Sitz des "Stammes, Jungstammes, Mädel- und Jungmädelrings 13/285". Die Reiswerke stellten der HJ Räume zur Verfügung. Das Klosterarmenhaus, damals Jugendherberge, wurde nur als Notquartier für die HJ betrachtet. Die Stadt richtete daher das ehemalige Meiereihaus am Stadtpark her. Die germanische Kultstätte an der Kreuzung Osterholzer Straße/ Am Hünenstein ( "Hünengrab") wurde von den NS-Leuten besonders gepflegt. In der Stadt gab es 26 aktive SS-Männer und der hier ansässige "SA-Sturm 25/411" verfügte über 217 Mitglieder. Die Zahl der Frauen, die zu den NS-Verbänden "Frauenschaft" und "Frauenwerk" gehörten, belief sich mittlerweile auf 377. Im NSV waren 1.172 Osterholz-Scharmbecker, die Stadt wurde am 1. Februar Sitz der NSV-Kreisamtsleitung. Der Reichsluftschutzbund hatte 1.848 Mitglieder, so daß festgestellt werden konnte, daß jedes Haus einen eigenen Luftschutzwart hat.

Als Bürgermeister war in dieser Zeit Herr Urban verantwortlich. Angesichts all dieser für die NSDAP erfolgreichen Entwicklungen ist es nur natürlich, daß in Osterholz-Scharmbeck auch ein großes Kreistreffen abgehalten wurde. Am 2. und 3. kamen 5.500 Uniformierte in die Stadt. Es gab eine Großkundgebung und einen Umzug durch "festlich geschmückte" Straßen. Es heißt, die NS-Leute wurden "überall von unzähligen Zuschauern freudig begrüßt". Das Kreistreffen fand in der Centralhalle statt; es gab natürlich wieder einen Fackelzug und eine Reihe kleinerer Nebenveranstaltungen. Am 1. August mußte die NSDAP-Ortsgruppe aufgrund der hohen Mitgliederzahl in "West" und "Ost" geteilt werden.

Rabbi Isaak ter Berg, der letzte Gemeindevorsteher, richtete dagegen am 2. November an den Regierungspräsidenten in Stade die Bitte, die Synagoge verkaufen zu dürfen, da die Gemeinde nach dem Fortzug der meisten zahlenden Mitglieder nicht mehr lebensfähig sei, Gottesdienste fänden nicht mehr statt. Zu diesen "Weggezogenen" gehörte auch Fritz Cohen, der 1938 nach Brasilien floh, mit 20,- RM Taschengeld - alles andere hatten die NS-Schergen ihm raubt.

Zu dieser Zeit wurde der Verkauf des Synagogengebäudes erwogen, weil die Unterhaltungskosten nicht mehr aufgebracht werden konnten. Ein Teil des Inventars war schon an die Gemeinde Hannover übersandt worden, die Akten der Gemeinde hatte Herr ter Berg dem Gesamt- archiv der Juden in Deutschland (Oranienburger Str. 29, Berlin N4) übergeben. Dort haben sie die Verfolgung, Kriegs- und Nachkriegsjahre überstanden, denn das Zentralarchiv der Juden in Deutschland, das heute von der "Stiftung Neue Synagoge Berlin" verwaltet wird und die Nachfolge des Gesamtarchivs angetreten hat, verfügt über etwa 40 Aktenordner der Gemeinde Osterholz-Scharmbeck. Eine solche Materialfülle ist in der ganzen Region einmalig.

Im Frühjahr 1938 gab es aufgrund der Judenverfolgung eine internationale Konferenz, bei der vor allem eine Frage besondere Bedeutung hatte: Welche Staaten erklären sich bereit, verfolgte Juden aus dem faschistischen Deutschland aufzunehmen und ihnen sicheres Asyl zu gewähren? Die ebenso enttäuschende wie beschämende Antwort: Nur die Niederlande, Dänemark und die Dominikanische Republik waren dazu bereit - dieses Konferenzergebnis kam einer Billigung der Judenverfolgung in Deutschland gleich. Die Nationalsozialisten verstanden dieses Signal sofort und so traute sich die NSDAP - auch angesichts ihrer inzwischen gefestigten Macht -, die Durchführung des lange geplanten Massenmordes konkret vorzubereiten. Mit einem neuerlichen Propagandaaufwand im November 1938 trat Deutschland in die entscheidende Phase dieses Vorhabens ein, das von den faschistischen Verbrechern zynisch als "Lösung der Judenfrage" bezeichnet wurde. Im übrigen war nicht einmal dieser doch sehr zentrale Bestandteil nationalsozialistischer Ideologie deren eigene Idee. Man hatte eigentlich nur eine Anordnung des Königs Antiochus abgeschrieben, der im 2. Jahrhundert vor Christi Geburt gegen Israel kämpfte: "...ein Heer gegen sie [zu] schicken, um die Macht Israels und den Überrest Jerusalems gänzlich auszurotten und ihr Gedächtnis aus dem Lande zu vertilgen. In ihrem ganzen Gebiete ... fremde Leute ansiedeln und das Land durch das Los verteilen." (1. Makkabäer 3, 35-36). Um diesen, schon damals kläglich gescheiterten Befehl nun auszufüh- ren, nahm man ein Attentat auf einen deutschen Gesandten in Paris, von Rath, als Vorwand. Den offiziellen Berichten zufolge soll der Anschlag von einem Juden mit Namen Grynspan verübt worden sein. Auf jeden Fall wurde dieser Vorfall benutzt, um in einer beispiellosen; rechtlosen und aberwitzigen Weise sämtliche Juden der Welt in eine Art Sippenhaft zu nehmen. Die von Goebbels gesteuerte Propaganda beschuldigte die Juden der Welt und vor allem in Deutschland, die "geistigen Urheber" dieses Attentats zu sein - auch die Zeitung in Osterholz-Scharmbeck druckte selbstverständlich diese "Nachrichten". Das die gesamte Berichterstattung vom "Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda" gesteuert wurde, wai dabei eigentlich nicht unbekannt, sondern auch in der Osterholz-Scharmbecker Presse, zum Beispiel am 23.3.1933, öffentlich dargestellt worden.

So bereitete man jetzt nicht nur die "Feier der Alten Kämpfer" zu Ehren Hitlers und seiner frühen Getreuen in München vor, sondern zeitgleich auch die Pogromnacht - als "spontane Entladung des Volkszorns". Da beide Aktionen von der Parteiführung geplant und organisiert wurden, ist eine Zufälligkeit des Zusammentreffens auszuschließen. Vielmehr dürften die als "Reichskristallnacht" bezeichneten Ausschreitungen gegen die Juden als perverser Höhepunkt und Abschluß der "Feier der Alten Kämpfer" an genau diesem Abend geplant worden sein. Auch in Osterholz-Scharmbeck versammelten sich gemäß den Anordnungen aus Berlin "ganz spontan" in der Nacht vom 9. zum 10. November SA-Männer und andere NSDAP-Mitglieder in der Bahnhofstraße vor der Synagoge. Die Gruppe war leicht zu erreichen - man war im "Tivoli" versammelt, um dort ebenfalls die "alten Kämpfer" zu feiern. Nach der über die Parteizentrale erfolgten Anordnung setzte man sich sofort in Bewegung. Die Wände der Synagoge wurden eilends mit Hetzparolen und Obszönitäten in roter Farbe beschmiert; diese mußten am nächsten Tag ebenso eilig übermalt werden - wegen der Schulkinder, die an dem Gebäude vorüber gehen mußten. Im Innenraum wurde danach Mobiliar zerschlagen, die Trümmer wurden zusammen mit Gebetskissen aufgestapelt, mit Benzin übergossen und in Brand gesteckt.

Ebenfalls "ganz spontan" hatte sich der II. Löschzug aus Scharmbeck bereit gestellt, um ein Übergreifen des Feuers auf Nachbargebäude zu verhindern. Erfreulicherweise wurde das Feuer aber auch dem Leiter des l. Löschzuges aus Osterholz und oberstem Brandmeister, Fritz Torbohm, gemeldet. Ihm gelang es, nach heftigem Wortwechsel mit der Polizei und der SA und gegen deren Widerstand, den Befehl zum Löschen zu geben, der dann auch von beiden Löschzügen befolgt wurde. Am 11. November 1938 entließ ihn deswegen der Bürgermeister Urban als "direkten Gegner der Partei" aus dem Ehrenamt des Brandmeisters. Im Verlauf des zweiten Weltkrieges wurde er aber wieder eingesetzt, weil die Partei niemand anders mehr finden konnte, der fachlich dafür geeignet war - allerdings wurde die Wiedereinsetzung als "vorübergehend" bezeichnet, nach dem Krieg wollte man ihm den Prozeß machen.

Die "spontane Entladung des Volkszorns" war mit dem heftigen, kraft- und zeitraubenden Anschlag auf die Synagoge aber noch nicht vorbei. Jüdische Familien in der Nähe der Synagoge wurden aus dem Bett geworfen, verspottet und über die Straßen geprügelt, so z.B. Frau Davidsohn und ihre Tochter. John Davidsohn wollte sich zur Wehr setzen, nachdem man 17 Scheiben seines Hauses eingeworfen hatte - die SA schlug ihn daraufhin zusammen. E zog die SA-Horde weiter zu Sigmund Cohen in der Lindenstraße und zum Haus von Hugo Meyer-Rosenhoff in der Bördestraße. Beide wurden brutal zusammengeschlagen. Die Familie Meyer-Rosenhoff wurde in den Keller getrieben und dort mit Weckgläsern beworfen. Weitere Scheiben jüdischer Häuser und Geschäfte wurden zertrümmert und der jüdische Friedhof geschändet.

Da die jüdischen Familien in Lesum/Burgdamm, Platjenwerbe und Ritterhude ebenfalls Mitglieder der Osterholz-Scharmbecker Synagogengemeinde waren, gehören auch die Ausschreitungen gegen diese Juden zu diesem Bericht der Schande. In Ritterhude trieben Männer ie vielköpfige Familie ter Berg, aus der der letzte Gemeindevorsteher stammte, in die Hammeniederung. Es war geplant, alle zu erschießen. Schließlich ließ man sie aber nach "Schreckschüssen" laufen. In Platjenwerbe gingen 10 SA-Leute zu Leopold Sinasohn. Sie er- schossen ihn und verscharrten ihn eilig, aber so schlecht, daß er gleich am nächsten Morgen am Feld gefunden wurde. In Burgdamm überfielen 7 SA-Leute den Sanitätsrat Dr. Goldberg und seine Frau. Beide wurden erschossen - unter den Patienten des ebenfalls wohltätigen, beliebten und geachteten Arztes befanden sich auch Verwandte der Mörder. Die Eheleute Goldberg sind auf dem jüdischen Friedhof in Ritterhude, Lesumstoteler Straße/ Ecke Am Schafkoven, beerdigt.

Nach dieser Nacht der Kapitalverbrechen ging die Judenverfolgung gleich am nächsten Tag weiter. Am 10. November wurden die noch lebenden Juden von der Polizei in "Schutzhaft" genommen - mit Ausnahme von Sigmund Cohen und Hugo Meyer-Rosenhoff, die so schlimm geprügelt worden waren, daß sie bettlägerig, nicht transportfähig und damit auch nicht haftfähig waren. Trotz Drängen seiner Ehefrau ließ man aber auch keinen Arzt zu Sigmund Cohen - er starb ein Jahr später an den Folgen der Schläge. Namentlich erwähnt sind auf der Haftliste: Ernst und John Davidsohn, Wilhelm Aaron, Hanny und Henny Cohen, Hugo und Selma Rosenhoff, Ilse Davidsohn. Die Verhafteten wurden ins Rathaus von Osterholz-Scharmbeck verbracht, wo man eine Vermögensfeststellung vornahm, denn die Gesamtheit der deutschen Juden war von den faschistischen Machthabern in Berlin - kurzerhand und natürlich ohne Prozeß - zur Zahlung einer Strafsumme von einer Milliarde Reichsmark verurteilt worden. Ernst Davidsohn kehrte aus dieser "Schutzhaft" nicht mehr zurück. Zu allem Überfluß wurden die jüdischen Hausbesitzer noch verpflichtet, kurzfristig die von SA und Partei angerichteten Schäden an ihren Häusern auf eigene Kosten instandzusetzen. Den wenigen verbliebenen jüdischen Kindern wurde der Unterricht an höheren Schulen verweigert. Die Nationalsozialisten hatten darüberhinaus verfügt, daß es Lehrern überhaupt "nicht zuzumuten sei", jüdische Kinder zu unterrichten, und so schickten die betroffenen Lehrer auch in Osterholz-Scharmbeck diese Kinder aus allen Schulen wieder nach Hause.

Am 11. November erschien dann in der Osterholz-Scharmbecker Zeitung ein ebenso zynischer wie verlogener Bericht über die Geschehnisse in der Pogromnacht. Es folgten in den nächsten Tagen weitere Zeitungsartikel, in denen versucht wurde, die Verbrechen zu rechtfertigen. Unverständlich bleibt angesichts dieses Geschehens, daß viele behaupten, davon nichts gewußt zu haben: Feuer in der Stadt, Ausrücken beider Löschzüge, nächtliche Prügeleien auf der Hauptstraße, Morde, Verhaftungen - all das soll bei wenigen tausend Einwohner unbemerkt geblieben sein? Ebenso unverständlich ist, daß niemand die ganzseitigen Artikel gelesen hat, die gerade in diesen Tagen jeweils auf der Titelseite der Zeitung erschienen. Immerhin wurde dort sehr offen die Verfolgung und Entrechtung der Juden beschrieben, zusammen mit haarsträubenden Versuchen der Rechtfertigung. Wer diese "Nachrichten" gelesen hat, hatte eigentlich nur zwei Möglichkeiten der Reaktion: Entweder stimmte der Leser oder die Leserin der NSDAP zu oder man erkannte deutlich, daß hier ein Terror-Regime Lügen verbreitet. Vorstellbar ist, daß damals viele aus Angst um das eigene Leben geschwiegen haben - ein sicherlich begründete Angst, solange die einzelnen vereinzelt bleiben. Aber mußte man wirklich erst von den unbeschreiblichen Greueln in den Konzentrationslagern wissen, um zu erkennen, daß vor der eigenen Haustür schon jetzt entsetzliches Unrecht geschah?

Am 3. Dezember wurde den Juden dann ihr Schmuck und ihre eventuell vorhanden Wertpapiere geraubt, auch die noch in jüdischen Besitz verbliebenen Betriebe wurden zwangsweise "arisiert". Dazu erschien in der Osterholz-Scharmbecker Zeitung zum Beispiel ein Inserat, in dem Herr von Seggem mitteilt, daß er nun das Kaufhaus Davidsohn "übernommen" habe. Nicht nur die verlogenen Zeitungsartikel, vor allem das verantwortungslose Verhalten von erwachsenen Vorbildern machte es insbesondere den Kindern fast unmöglich, das verbrecherische Treiben der Nationalsozialisten zu erkennen. Wenn die Lehrer praktisch ausnahmslos das herrschende Regime begrüßen und den Machthabern willig das Wort reden, wenn gar der in Osterholz-Scharmbeck ansässige Superintendent des Kirchenkreises öffentlich in SA-Uniform auftritt und beispielsweise bei der Eröffnung eines Kindergartens sagt, daß sich alle glücklich schätzen könnten, in einer solchen Zeit des Aufbruchs zu leben - wie konnten Kinder angesichts solcher Worte schon reagieren? Immerhin waren in diesen Jahren Lehrer und Pastoren noch Respektspersonen in einem Maße, das heute (fast) verloren ist, aber derzeit noch eine geradezu selbstverständliche Gültigkeit hatte.

Als einige Monate später mit dem deutschen Oberfall auf Polen der zweite Weltkrieg begann, lebten in Osterholz-Scharmbeck nur noch 13 Juden. Zuvor kam es am 14. Februar zu Hausdurchsuchungen bei Juden. Es wurden "unerwünschte" Bücher gesucht. Man beschlagnahmte bei Hanna Cohen in der Lindenstraße und bei Alfred Cohen in der Bremer Straße. Am 8. April 1939 starb der nach Bremen umgezogene Arzt Dr. Cohen an "Herzschwäche nach langem Hungern" - nach all dem, was er erlebt hatte, wollte er einfach nicht mehr leben. Die Faschisten hatten ihn in den Tod getrieben.

Nach dem "Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden" vom 30. April 1939 mußten nun die "arischen" Häuser geräumt werden. Von den bisher genutzten Wohnungen oder Häusern wurde der zwangsweise Umzug in sogenannte "Judenhäuser" angeordnet. In Osterholz-Scharmbeck quartierte man daraufhin den Textilkaufmann Alfred Cohen bei seinem früheren größten Konkurrenten Davidsohn in der Bahnhofstr. 84 ein, obwohl diese Unterbringung - nach einem Polizeiprotokoll - nicht vertretbar war. Bürgermeister Urban bestand trotzdem auf diesem Umzug. Hatte man erst "unerwünschte" Bücher gesucht, kam es am 23. September zu einer weiteren Schikane mit Durchsuchungen. Diesmal wollte man von den Juden Radiogeräte stehlen. Von Ernst Davidsohn raubte man einen "Saba"-Empfänger, von Sigmund Cohen und Wilhelm Aaronje einen "Volksempfänger".

Als besondere Schikane hatten die Nationalsozialisten noch ein Ausgehverbot erlassen, es galt für alle Juden im Sommer zwischen 21.00 Uhr und 5.00 Uhr, im Winter zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr. Zusätzlich erließ man Einkaufsbeschränkungen. Es durfte nur noch zwischen 12.00 und 13.00 Uhr eingekauft werden, und zwar Lebensmittel bei Johann Pape in der Kirchenstr. 19, Schlachterwaren bei Seedorf in der Koppelstr. 23 und Bäckerwaren bei Habekost in der Bahnhofstr. 117. Hier ergaben sich im Lauf der nächsten Monate zwei Änderungen: Die Einkaufszeit wurde um eine halbe Stunde verlängert, so konnte nun ab 11.30 Uhr eins der bestimmten Geschäfte betreten werden. Außerdem wurde statt der Bäckerei Habekost die Bäckerei Minkwitz in der Bremer Str. 51 bestimmt, nachdem der Bäcker Habekost zur Wehrmacht eingezogen wurde.

Am 20. November 1939 verstarb Sigmund Cohen an den Folgen der Prügel des Pogroms. Er hatte sich seitdem nicht mehr erholt und mußte seit dieser Nacht vom 9. zum 10. November 1938 im Bett bleiben.

Nachdem Frau Toni Davidsohn am 11. Januar 1941 gezwungen wurde, ihr Haus in der Bahnhofstr. 84 zu verkaufen und mit ihrer Tochter Ilse ins "Judenhaus" nach Bremen verbracht wurde, zählte man am 27. Juni 1941 nur noch 7 Juden in Osterholz-Scharmbeck: Moritz Wilhelm Aaron, die Familie Alfred Cohen und das Ehepaar Meyer-Rosenhoff. Diese mußten seit dem 1. September 1941 auch in dieser Stadt den Davidstern, als "Judenstern" bezeichnet, tragen.

Am 14. Oktober 1941 wurden zwischen 6.00 und 7.00 Uhr weitere der noch verbliebenen Juden deportiert. Ihr Weg führte über Bremen in die Konzentrationslager Minsk und Theresienstadt, Die "halbjüdischen" Kinder kamen in ein Lager bei Oldenburg. Am 17. und 18. November 1941 deportierten die Faschisten dann Henny Cohen, Hugo & Selma Meyer-Rosenhoff, sowie ihre Töchter Ruth und Claire von Bremen nach Minsk, ebenso erging es Frau Toni Davidsohn und ihrer Tochter Ilse. Sie alle wurden nach Minsk oder Theresienstadt deportiert und ermordet.

Die wohl letzten Juden aus Osterholz-Scharmbeck, die in ein weit im Osten liegendes Konzentrationslager deportiert wurden, waren Alfred und Flora Cohen, vielleicht noch weitere, die schon vorher nach Bremen verbracht wurden. Im Januar 1942 mußten sie in einem Güterzug bei -13° in Richtung Osten fahren. Alleine Flora Cohen überlebte das Grauen des Vernichtungslagers.

Als am 30. März 1942 eine Kennzeichnungspflicht für jüdische Wohnungen eingeführt wurde, mußte in Osterholz-Scharmbeck nur noch ein Haus gekennzeichnet werden. Hier wohnten Wilhelm und Moritz Aron. Moritz Aron erhielt am 10. Juli die Nachricht, daß er sich am 23. Juli zur Verhaftung nach Bremen zu begeben habe. Schon am 27. Juli brachte man ihn nach Theresienstadt, wo er ermordet wurde. Im Herbst 1944 wurde Wilhelm Aron mit seinem Sohn und seiner Tochter verhaftet und ebenfalls nach Bremen überstellt. Vater und Sohn kamen zunächst zur Zwangsarbeit nach Farge zum "Bunker Valentin". Der Vater wurde kurz darauf nach Theresienstadt verbracht, er überlebte und konnte nach der Befreiung von dort zurückkehren. Der Weg des Sohnes führte von Farge nach Eschershausen, wo er dank seiner Kenntnisse in der Versorgung von Pferden überlebte und ebenfalls zurückkam - um dann von den Alliierten "entnazifiziert" zu werden! Die Tochter Annelie wurde nach Oldenburg ins "Arbeitserziehungslager" deportiert, von dort wurde sie zur Trümmerarbeit bei Krupp verpflichtet. Sie hatte schon seit vielen Jahren eine schwere Zeit, ihre Freundinnen durften nicht mehr mit ihr sprechen, von ihrer Mutter, die Christin war, verlangte man, daß sie sich scheiden ließe. Sie wurden nicht mehr gegrüßt, hatten keinen Sozialkontakt mehr. Manche Einwohner brachten aber auch Nahrungsmittelhilfen im Schutz der Nacht.

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hagalil.com / 29-09-2005


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