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Stolpersteine in Hamburg:
Neues Zentrum der Jüdischen Gemeinde in Hamburg in der ehemaligen Talmud Tora Schule

Zusammengestellt von Johann-Hinrich Möller


Foto: Jüdische Gemeinde Hamburg

Rechtzeitig zur Einweihung des neuen Zentrums der Jüdischen Gemeinde in Hamburg am 10. Juni 2007 wurden vor wenigen Tagen 18 Stolpersteine vor dem ehemaligen Schulgebäude am Grindelhof 30 in Erinnerung an die von den Nationalsozialisten ermordeten Lehrer und Angestellten der früheren Talmud Tora Schule verlegt. Ein weiterer Stolperstein erinnert an die mehr als 300 ermordeten Schülerinnen und Schüler aller jüdischen Schulen in Hamburg.


Foto: Johann-Hinrich Möller

Bacher, Walter, geb. 30.6.1893 in Halle / Saale, deportiert mit seiner Frau Clara geb. Haurwitz, nach Theresienstadt am 19.7.1942, weiterdeportiert nach Auschwitz am 29.9.1944. Clara Bacher starb ebenfalls in Auschwitz. Lehrer an der Talmud Tora Schule von 1935 bis 30.6.1942.

Walter Bacher, Sohn jüdischer Eltern, wurde evangelisch getauft. Er besuchte das städtische Gymnasium in Halle, bestand 1911 das Abitur und studierte danach in Halle und Freiburg Latein, Griechisch, Geschichte und Archäologie. Von 1914 bis 1918 war er Freiwilliger im Ersten Weltkrieg und wurde verwundet. 1919 promovierte er mit dem Thema »De Pausaniae studiis Homericis«. Von 1919 bis 1927 unterrichtete er an verschiedenen Gymnasien in Merseburg und Berlin, war als Hauslehrer tätig und engagierte sich als Jugendsekretär und Gewerkschaftsvertreter beim Gewerkschaftsbund der Angestellten. Bacher wurde Mitglied in der SPD und setzte sich unter anderem in der sozialistischen Arbeiterjugend ein. 1927 fand er eine feste Anstellung an der Klosterschule in Hamburg, einer Oberschule für Mädchen. Dort unterrichtete er Latein, Griechisch, Deutsch und Geschichte. Auf seine Anregung wurde ein altsprachlicher Gymnasialzweig eingerichtet. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er 1933 aus dem Staatsdienst entlassen. 1935 war er zunächst aushilfsweise an der Talmud Tora Schule beschäftigt, trat im gleichen Jahr in die jüdische Gemeinde ein und erhielt 1938 eine volle Anstellung. Vermutlich hatte er in jenen Jahren Kontakt zu einer Widerstandsgruppe, die antifaschistische Flugblätter verfasste und Menschen zur Flucht nach Dänemark verhalf. In den letzten Jahren der jüdischen Schule in Hamburg gehörte Bacher zu den wenigen Lehrern mit akademischer Ausbildung, die nicht emigriert waren. Er nahm bis zuletzt unter bedrückendsten Verhältnissen eine außerordentliche Arbeitslast auf sich, um einen qualifizierten wissenschaftlichen Unterricht in der Oberstufe zu ermöglichen.

[Quelle: Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg, München – Hamburg 2005, S. 238]

Badrian, Emil, geb. 27.4.1859 in Beuthen (Oberschlesien), deportiert am 23.6.1943 nach Theresienstadt, gest. am 8.10.1943 in Theresienstadt. Lehrer an der Talmud Tora Schule seit 1.4.1891 bis ca. 1924. Spitzname: »Mongole».

Emil Badrian besuchte das Gymnasium in Beuthen bis 1880 und studierte dann von 1880 - 1885 Geschichte, Geographie und Sprachen in Breslau. 1886 bestand er sein Staatsexamen. Am Johannes-Gymnasium in Breslau legte er sein Probejahr ab und unterrichtete dort, bis er am 1. April 1891 in die Talmud Tora Schule in Hamburg eintrat. Als akademisch gebildeter Oberlehrer unterrichtete er in den Oberklassen Französisch, Geschichte und Erdkunde.

[Quelle: Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg, München – Hamburg 2005, S. 238]

Carlebach, Joseph Hirsch, geb. 30.1.1883 in Lübeck, deportiert nach Riga am 6.12.1941, gestorben bei Riga 26.3.1942. Direktor der Talmud Tora Schule von März 1921 bis September 1925.

Joseph Carlebach gehörte zu den letzten großen Rabbinern Deutschlands, die hohe talmudische Bildung mit bedeutenden säkularen Kenntnissen verbanden. Dabei war er ein bemerkenswerter Lehrer und Erzieher. Als Seelsorger stand er seiner Gemeinde in der NS-Zeit bis zuletzt bei. Carlebach wurde als achtes von elf Kindern des Rabbiners Salomon Carlebach geboren. Nach dem Besuch des Katharineums in Lübeck studierte er von 1901 bis 1905 an der Universität Berlin Naturwissenschaften, Mathematik, Philosophie und Kunstgeschichte. Seit seiner frühen Jugend hatte er sich mit jüdischen Wissenschaften beschäftigt; am Rabbinerseminar in Berlin vertiefte er seine Kenntnisse weiter. 1905 bestand er das Examen als Oberlehrer mit den Fächern Naturwissenschaften und Mathematik. Von 1905 bis 1907 lehrte er am Lehrerseminar der Lämel-Schule in Jerusalem. Anschließend setzte er seine Studien in Leipzig fort und wurde 1909 mit einer Dissertation über den jüdischen Mathematiker Gerson zum Dr. phil. nat. promoviert. Seit 1908 hatte er in Berlin am Margareten-Lyzeum unterrichtet. 1914 erwarb Carlebach das Rabbinatsdiplom. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs meldete er sich freiwillig zum Heeresdienst und wurde bald zum Offizier befördert. Er wurde nach Litauen versetzt, um dort das jüdische Schulwesen nach deutschem Muster zu organisieren. Das von ihm gegründete Gymnasium in Kowno wurde Vorbild für weitere Schulgründungen in  Wilna, Riga und Memel. 1920 übernahm er in Lübeck das Rabbinatsamt seines verstorbenen Vaters, wechselte aber schon 1921 nach Hamburg über, um dort Direktor der Talmud Tora Schule zu werden. Unter seiner Leitung wurde die Schule umfassend reformiert. 1925 wurde Carlebach zum Oberrabbiner der Hochdeutschen Israeliten-Gemeinde in Altona berufen und übergab 1926 das Direktorat der Talmud Tora Schule an seinen Nachfolger Arthur Spier. 1936 kehrte er nach Hamburg zurück, und am 22.4.1936 wurde er in das Amt des Oberrabbiners des Deutsch-Israelitischen Synagogen-Verbands eingeführt. Im Rahmen der Kindertransporte fanden die fünf älteren Kinder Carlebachs Zuflucht in England und Palästina. Am 6. Dezember 1941 wurde Dr. Joseph Carlebach mit seiner Frau, dem Sohn Salomon (Peter) und den Töchtern Rudi, Noemi und Sara nach Riga deportiert. Im KZ Jungfernhof bei Riga sammelte er alle Lehrkräfte und sorgte unter primitivsten und niederdrückendsten Umständen für den Unterricht der Kinder, so gut es ging. Es gelang ihm auch, religiöses Leben weiterzuführen, jüdische Feste zu «feiern« und Gottesdienste zu halten. Am 26. März 1942 wurde er mit seiner Frau Charlotte und den drei Töchtern bei Riga ermordet. Salomon Carlebach überlebte.

[Quelle: Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg, München – Hamburg 2005, S. 241 f.]

Freudenberger, Hermann, geb. 29.12.1875 in Heidingsfeld bei Würzburg, gest. 23.6.1941 in Frankfurt am Main durch Suizid. Lehrer an der Talmud Tora Schule vorn 1.8.1900 bis 31.3.1910.

Hermann Freudenberger besuchte das humanistische Gymnasium in Würzburg und machte dort das Abitur. Er studierte in München Germanistik und Realien und wurde zum Dr. phil. promoviert. Nach dem Staatsexamen war er in Neustadt/Aisch angestellt.1900 kam er nach Hamburg an die Talmud Tora Schule und unterrichtete Deutsch, Geschichte und Geographie. C. Z. Klötzel würdigt ihn in seinen Erinnerungen als ungewöhnlich begabten und anregenden Lehrer. Im Schulbericht 1902 - 1903 schrieb er eine Abhandlung: »Hamburgs Streit mit Christian IV von Dänemark über den Glückstädter Zoll 1630 - 1645«. 1910 ging Hermann Freudenberger nach Frankfurt am Main ans Philantropin. Zuletzt war er dort Direktor. Am 23.6.1941 nahm er sich mit seiner Frau das Leben.

[Quelle: Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg, München – Hamburg 2005, S. 243 f.]

Friedländer, Josua Falk, geb. 18.6.1871 in Stade, gest. 1942 in Theresienstadt.

Lehrer an der Talmud Tora Schule in Hamburg vom 1.4.1898 bis zum 31.3. 1906. Friedländer besuchte das Gymnasium in Stade und studierte nach dem Abitur von 1890 bis 1896 Neuere Philologie an den Universitäten Berlin und Göttingen. Von Ostern 1892 bis Ostern 1893 hielt er sich in London auf und legte im März 1896 in Göttingen das Staatsexamen ab. Am Realgymnasium zu Goslar absolvierte er von 1896 bis 1897 das Seminarjahr und von 1897 bis 1898 das zweite Probejahr am Kaiserin- Auguste-Viktoria-Gymnasium in Linden bei Hannover. An der Talmud Tora Schule unterrichtete er Englisch und Französisch. 1906 ging er nach Berlin, wo er bis 1933 im öffentlichen Schuldienst tätig war, zeitweise als stellvertretender Direktor. Friedländer engagierte sich in der jüdisch-liberalen Bewegung. Er war Mitglied des Vorstandes der jüdischen Gemeinde in Berlin.

[Quelle: Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg, München – Hamburg 2005, S. 244]

Hamburger, Julius, geb. 23.11.1910 in Neu-Isenburg, deportiert nach Auschwitz am 11.7.1942. Lehrer an der Talmud Tora Schule vom 15.8.1938 bis 30.6.1941.

Der Volksschullehrer Julius Hamburger unterrichtete seit August 1938 an der Talmud Tora Oberrealschule, später an der Volks- und Höheren Schule für Juden. Zum Ende des Schuljahres 1940/41 wurde ihm wegen «Sparmaßnahmen« gekündigt. Die Gemeinde- verwaltung setzte ihn daraufhin als Erzieher am Waisenhaus Papendamm 3 ein. Mit den letzten Kindern des Waisenhauses, mit allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen wurde er am 11.7.1942 nach Auschwitz deportiert.

[Quelle: Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg, München – Hamburg 2005, S. 245]

Hirsch, Leopold, geb. 5.5.1896 in Samter, deportiert mit seiner Frau und der Tochter Julie (Julchen) am 18.11.1941 nach Minsk. Lehrer an der Talmud Tora Schule von Oktober 1918 bis November 1941. Spitzname: Poldi.

Leopold Hirsch besuchte die jüdische Elementarschule und anschließend bis Dezember 1915 die Bildungsanstalt für jüdische Lehrer in Hannover. Von 1916 -1918 war er als »Frontsoldat« im Heeresdienst. Als seminaristisch gebildeter Lehrer unterrichtete er vor allem Klassen für Schulanfänger in Lesen, Hebräisch und Rechnen. Noch im März 1941 gelang es ihm unter bedrückendsten Umständen, einen ausgezeichneten Unterricht zu erteilen: »Die Kinder sind frisch, lebendig, in der Gesamtheit beteiligt», so urteilte die Inspektorin Paula Fürst von der »Reichsvereinigung der Juden in Deutschland» nach einem Unterrichtsbesuch.

[Quelle: Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg, München – Hamburg 2005, S. 246]

Jonas, Alberto, geb. 19.2.1889 in Dortmund, deportiert nach Theresienstadt, gest. 29.8.1942 in Theresienstadt. Lehrer an der Talmud Tora Realschule von 1922 - 1924. Direktor der Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg 1924 - 1939, Direktor der letzten jüdischen Schule in Hamburg 1939 - 1942.

Jonas wuchs in Wroclaw (Breslau) auf. Er studierte alte Sprachen an der dortigen Universität und wurde 1915 mit der Arbeit »De ratione quae inter Josephum et litteras rabbinicas intercedit« promoviert. 1916 bestand der die Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen für Hebräisch, Griechisch und Latein. Mehrere Jahre lang unterrichtete Jonas am Israelitischen Realgymnasium zu Halberstadt und an der Höheren Israelitischen Schule zu Leipzig. 1922 wurde er an die Talmud Tora Realschule in Hamburg berufen, 1924 zum Direktor der Israelitischen Töchterschule ernannt. Er unterrichtete Hebräisch, Geschichte und Deutsch. Nach umfangreichen Reformen und organisatorischer Umgestaltung wurde die Schule 1930 als Realschule (Abschluss: Obersekundareife) anerkannt. Sie erhielt den Namen: »Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde - Volks- und Realschule». 1939 musste die Schule schließen und wurde mit der Talmud Tora Oberrealschule im Gebäude Carolinenstraße 35 zusammengelegt. Nach der Emigration des letzten Schulleiters der Talmud Tora Schule, Arthur Spier, im März 1940 wurde Dr. Jonas Direktor der »Volks- und Höheren Schule für Juden«. Unter unvorstellbar schwierigen, quälenden Bedingungen gelang es Alberto Jonas, den Schulbetrieb bis zuletzt (30.6.1942) aufrechtzuerhalten und gemeinsam mit seinem kleinen Kollegium den Schülerinnen und Schülern ein vergleichsweise unbeschwertes Schulleben zu ermöglichen. Obwohl die Schule seit Januar 1941 nur noch als Volksschule geführt werden durfte, kämpfte er um den Bestand der Klassen der »höheren Schule». Entlassene Lehrer unterrichteten dort «ehrenamtlich».
Am 19. Juli 1942 wurde Alberto Jonas mit seiner Frau, der Ärztin Dr. Marie-Anna Jonas, und seiner Tochter Esther in das KZ Theresienstadt deportiert, wo er nach wenigen Wochen starb. Frau Dr. Jonas wurde im Herbst 1944 nach Auschwitz deportiert. Esther Jonas wurde im Frühjahr 1945 von den Amerikanern aus dem KZ Mauthausen befreit. Sie lebt in New York.

[Quelle: Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg, München – Hamburg 2005, S. 248 f.]

Kesstecher, Benno, geb. 20.03.1917 in Köln, deportiert 1944 nach Neuengamme.

Lehrer an der Talmud Tora Schule 1938.

Der 1917 geborene Benno Kesstecher kam 1934 nach Hamburg und bestand 1936 an der Talmud Tora Oberrealschule das Abitur. Er war sprachlich sehr begabt und hätte gern Literaturwissenschaft studiert. Da dies nicht möglich war, ging er nach Würzburg und kehrte nach zweijähriger Ausbildung zum Lehrer an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt 1938 zur Talmud Tora Schule zurück. Doch seine Tätigkeit an der Schule dauerte nur wenige Wochen: Am 30. November 1938 flüchtete er über Köln nach Belgien. Über seinen Leidensweg während der folgenden Jahre ist wenig bekannt. Fest steht nur, dass er später der deutschen Besatzungsmacht in die Hände fiel. Er kam in das KZ Neuengamme bei Hamburg. Im April 1945 wurde er - wahrscheinlich bei der Auflösung des Lagers durch die Nationalsozialisten - ermordet. 

[Quelle: Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg, München – Hamburg 2005, S. 236, Fußnote 1]

Leidersdorf, Heinz, geb. 26.2.1906 in Neuhaus/Elbe, ermordet in Auschwitz am 18.2.1943. Studienreferendar an der Talmud Tora Schule 1933 - 1935.

[…]     Heinz Leidersdorf wurde am 26.2. 1906 als Sohn des Kaufmanns Hugo Leidersdorf und seiner Frau Adele in Neuhaus an der Elbe geboren. Dort besuchte er die Volksschule, seit 1918 das Gymnasium in Lübeck, seit 1922 das Gymnasium in Lüneburg, wo er auch 1924 die Reifeprüfung bestand. Im Anschluss studierte er Biologie und Chemie an den Universitäten Köln, Marburg und Hamburg; hier schloss er 1933 sein Studium ab. Heinz Leidersdorfs weiterer beruflicher Werdegang bleibt etwas undeutlich. Heinrich Christian Meier behauptete, dass Heinz Leidersdorf seit 1932 Studienassessor an einem Hamburger Gymnasium war, seit 1933 an die Talmud Tora-Schule versetzt wurde. Die Anklageschrift des Reichsanwalts beim Volksgerichtshof vom 26.11.1936 vermerkte, dass sich Heinz Leidersdorf bemühte, durch Vermittlung von Verwandten nach Südafrika auszuwandern. Da dieser Plan scheiterte, soll er sich an die jüdische Berufsberatung gewandt haben. Durch deren Vermittlung wurde er laut Anklageschrift »ab Oktober 1934 gegen eine monatliche Vergütung von RM 40 an einer Hamburger jüdischen Realschule im Grindelhof Studien- referendar; im übrigen verdiente er sich seinen Lebensunterhalt durch Erteilung von Privatstunden.«  […]   In der Rubrik »Lehrkräfte, die an dieser Schule einzelne Stunden erteilen«, wurde der Studienreferendar Heinz Leidersdorf mit neun Wochenstunden aufgeführt.  […]  Im Protokoll der Sitzung [des Schulvorstands] vom 27. 11. 1935 konnte man folgenden Eintrag lesen:

Ferner wird die Angelegenheit des Studienreferendars Leidersdorf erwähnt, der von der Staatspolizei verhaftet worden ist and des Hochverrats beschuldigt wird. Herr Leidersdorf stand in keinerlei Angestelltenverhältnis zur Schule, er war ihr von der Landesunterrichts- behörde zur pädagogischen Ausbildung überwiesen. […]

[…]     Tatsächlich war Heinz Leidersdorf am 2.11.1935 festgenommen und in sogenannte Schutzhaft überführt worden. Gemeinsam mit dem kaufmännischen Angestellten Walter Munter und dem Schriftsetzer Wilhelm Defert wurde er wegen Vorbereitung zum Hochverrat angeklagt. Laut Anklageschrift soll Heinz Leidersdorf 1928 Mitglied der KPD gewesen, 1931 auch der »Roten Studentengruppe« an der Hamburger Universität beigetreten sein. Heinz Leidersdorf, der bis zu seiner Verhaftung in der Hansastraße 82 wohnte, soll innerhalb der KPD Unterkassierer im Stadtteil Eppendorf und Vertrauensmann der KPD in der Studentengruppe gewesen sein. 1931 wurde er, so die Anklageschrift, »angeblich wegen unangebrachter Parteikritik« aus der KPD ausgeschlossen. […]
[…]     Heinz Leidersdorfs älterer Bruder starb als Soldat im Ersten Weltkrieg. Der Vater Hugo Leidersdorf nahm sich am 27. 11. 1933 das Leben, seine Ehefrau Adele wurde am 6. 12. 1941 im Alter von 63 Jahren nach Riga deportiert und dort ermordet. Ihr Sohn Heinz wurde im Januar 1943 deportiert, nach Auschwitz; als Todesdatum wurde der 18. 2. 1943 angegeben.

[Quelle: Ursula Wamser, Wilfried Weinke, Auszüge aus: Der Studienreferendar Heinz Leidersdorf, in: Eine verschwundene Welt – Jüdisches Leben am Grindel,  Springe 2006, S. 262 ff.]

Levi, Richard, geb. 7.3.1911 in Essen, deportiert nach Auschwitz am 11.7.1942. Studienreferendar an der TTR seit November 1936. Lehrer bis 30.6.1941.

Richard Levi war für das höhere Lehramt qualifiziert und unterrichtete Deutsch, Geschichte und Englisch. 1937 schloss er seine Referendarzeit ab. Der sehr beliebte junge Lehrer blieb bis zu seiner Kündigung wegen «Sparmaßnahmen» an der letzten jüdischen Schule in Hamburg. Über seine Tätigkeit im letzten Jahr vor seiner Deportation ist nichts bekannt; in der Deportationsliste ist er als »Lagerarbeiter« verzeichnet. Gemeinsam mit seiner Frau Charlotte Levi geb. Lamm wurde er nach Auschwitz deportiert.

[Quelle: Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg, München – Hamburg 2005, S. 251]

Nachum, Emil, geb. 22.8.1893 in Hamburg, deportiert nach Minsk am 8.11.1941.

Lehrer an der Talmud Tora Schule von April 1920 bis November 1941.

Emil Nachum besuchte die Talmud Tora Schule in Hamburg und anschließend bis März 1913 die Bildungsanstalt für jüdische Lehrer in Hannover. Nach der ersten Lehrerprüfung war er stellvertretender Lehrer an der jüdischen Volksschule in Beuthen O/S und leitete dann von April 1914 bis zur Einberufung ins Heer im Oktober 1914 die einklassige jüdische Privatschule in Hersten/Westfalen, wo er nach der Rückkehr aus dem Heeresdienst im Dezember 1918 die zweite Lehrerprüfung ablegte. Als seminaristisch gebildeter Volksschullehrer unterrichtete er sowohl an der Grundschule wie an der Oberstufe der Volksschule der Talmud Tora Schule und trug in den letzten Jahren — wie seine Kolleginnen und Kollegen — eine sehr große Unterrichtslast. So leitete er 1940 eine 7. Klasse mit 23 Jungen und 25 Mädchen und erteilte 33 Wochenstunden.

[Quelle: Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg, München – Hamburg 2005, S. 256]

Stein, Mathias, geb. 8.4.1874, in Storndorf/Hessen, deportiert 1942 gemeinsam mit seiner Frau Clementine geb. Rothschild am 19.7.1942 nach Theresienstadt, am 26.9.1942 vermutlich weiterdeportiert nach Minsk. Lehrer an der Talmud Tora Schule vom 1.7.1897 bis 1938. Spitzname: »Olivio mit dem Glaspopo«.

Mathias Stein besuchte die Volksschule in Storndorf, danach die Präparandenschule in Burgpreppach und seit 1891 das jüdische Lehrerseminar in Hannover, wo er im April 1894 die erste Prüfung für Elementarlehrer ablegte, während er die zweite im Oktober 1896 in Kassel bestand. Von April 1894 bis Juni 1897 war er Lehrer an der israelitischen Volksschule in Gleidingen bei Hannover. An der Hamburger Talmud Tora Schule wurde er im Unterricht der Vorschule (später: Grundschule) eingesetzt und arbeitete meistens im 2. Schuljahr. 1937 konnte er sein 40-jähriges Dienstjubiläum feiern. Er wurde wahrscheinlich 1938 pensioniert.

[Quelle: Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg, München – Hamburg 2005, S. 262]

Toczek, Artur, geb. 22.11.1908 in Hindenburg, deportiert nach Theresienstadt am 15.7.1942, im Oktober 1944 deportiert nach Auschwitz. Studienreferendar an der Talmud Tora Schule ab August 1935, Lehrer bis 30.6.1942.

Artur Toczek unterrichtete nach der Referendarzeit als Oberlehrer an der Talmud Tora Schule. Er hatte die Lehrbefähigung für Physik und Mathematik. Seit Dezember 1941 - nach den Herbstdeportationen - führte  er eine Klasse, die aus den letzten Kindern der Quarta und Untertertia sowie den 7. und 8. Volksschulklassen kombiniert war und ersetzte damit seine bereits deportierten Kollegen Ernst Streim und Emil Nachum. Seine Frau Nelly Toczek geb. Nathan leitete jahrelang die Fachschule für Schneiderinnen in der Heimhuder Straße. Zusammen mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Töchtern wurde er in Auschwitz ermordet.

[Quelle: Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg, München – Hamburg 2005, S. 264]

Hirsch, Bertha, geb. 4.7.1902 in Hamburg. Deportiert am 5.5.1943 nach Theresienstadt und von dort am 28.10.1944 nach Auschwitz. Schulsekretärin an der Talmud Tora Schule und später an der jüdischen Schule in der Karolinenstraße 35.

Bertha Hirsch wurde 1902 als Tochter von Dr. Max und Ernestine Hirsch, geb. Weiss geboren. Sie wohnte mit ihrer Mutter, einer Dentistin, – der Vater war bereits verstorben – in der Grindelallee 37, später in der Grindelallee 100 und der Heinrich-Barth-Straße 28.

Am 5. Mai 1943 wurden Bertha Hirsch und ihre Mutter nach Theresienstadt deportiert, wo die Mutter am 7.10.1943 angesichts der unmenschlichen Lebensbedingungen umgekommen ist. Bertha Hirsch wurde am 28.10.1944 nach Auschwitz weiterdeportiert und ermordet.

[Quelle: Staatsarchiv Hamburg, 522-1 Jüdische Gemeinden, 992b, Kultussteuerkarten Nr. 1559 und 7324]

Brager, Sally, geb. 26.1.1915 in Hamburg. Deportiert am 8.11.1941 nach Minsk. Schulwart an der Talmud Tora Schule bis zur Schließung im September 1939.

Sally Brager wurde 1915 als Sohn von Alfred und Martha Brager geb. Cohn geboren und wohnte als Hausmeister spätestens seit 1935 im Schulgebäude am Grindelhof. Anfang 1939 heiratete er seine Frau Ilse, geb. Abrahams (* 12.4.1916), deren Beruf in der Kultussteuer-kartei mit ‚Hausangestellte’ angegeben wird. Nachdem das Schulgebäude in den Besitz der Hansestadt Hamburg übergegangen war, wohnten Sally und Ilse Brager zunächst am Grindelhof 38 und ab März 1940 in der Rutschbahn 25. Hier kam am 24.11.1940 der Sohn Asriel auf die Welt. Sally Brager wurde am 8. November 1941 mit dem zweiten Deportationstransport, der Hamburg verließ, nach Minsk deportiert. Wenige Tage später, am 18. November 1941, folgten ihm seine Frau und das nicht einmal einjährige Kind Asriel mit dem dritten Transport, dessen Ziel ebenfalls Minsk war. Keiner hat die Verfolgung durch die Nationalsozialisten überlebt.

[Quelle: Staatsarchiv Hamburg, 522-1 Jüdische Gemeinden, 992b, Kultussteuerkarten Nr. 18665 und 20560]

Die Initiative Stolpersteine in Hamburg dankt posthum Frau Dr. Ursula Randt für die unermüdliche Unterstützung bei der Recherche der Daten für diese Stolpersteine. Ohne ihre Veröffentlichungen zum jüdischen Schulwesen in Hamburg und ohne die zahlreichen Gespräche in den vergangenen Monaten wäre unsere Recherche sehr viel schwieriger und unvollständiger gewesen.

Ursula Randt ist am 20. Mai 2007 nach längerem Leiden in Hamburg verstorben.  (Nachruf)

Wir werden ihr ein ehrendes Andenken bewahren. J.-H.M.

Literaturhinweise:
Ursula Randt, Die Talmud Tora Schule in Hamburg 1805 bis 1942, 1. Auflage, Dölling und Galitz Verlag, München – Hamburg 2005, ISBN 3-937904-07-7

Ursula Wamser und Wilfried Weinke (Hrsg.), Eine verschwundene Welt – Jüdisches leben am Grindel, zu Klampen Verlag, Springe 2006, ISBN 3-934920-98-5

Jürgen Sielemann, Hamburger Jüdische Opfer des Nationalsozialismus – Gedenkbuch, Staatsarchiv Hamburg 1995, ISBN 3-923356-71-4

Bundesarchiv, Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945, Koblenz 2006, ISBN
978-3-89192-137-1

Stolpersteine in Hamburg
Email: stolpersteine.hamburg@yahoo.de

Jüdische Schulen am Grindel:
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hagalil.com / 08-06-2007


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