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Stadtrundgang:
Juden und NS-Zeit in Bad Wildungen

Zweimal im Jahr bietet Johannes Grötecke Rundgänge zur jüdischen Geschichte in Bad Wildungen an. Einer führt durch die Altstadt, wo früher viele Juden wohnten, der andere widmet sich ausschließlich dem jüdischen Friedhof.

Kontakt für die nächsten Termine

Johannes Grötecke hat dazu das Heft "Spurensuche" herausgegeben. Neu erschienen ist das Heft "Juden und NS-Zeit in Bad Wildungen", aus dem der nachfolgende einführende Text und die erste Station des Rundgangs entnommen sind. Die Hefte können per Email beim Autor bestellt werden.

Zum Stadtrundgang konkret

Dieses Heft soll Sie nicht mit Fakten und Zahlen erdrücken, es beschränkt sich auf recht wenige Daten. Zudem sind die Häuser so ausgewählt, dass sie oft stellvertretend für einen größeren Zusammenhang stehen; Ihnen wird also neben Informationen zu den einzelnen Stätten zusätzlich jeweils eine "Geschichte hinter der Geschichte" präsentiert.

Der Rundgang umfasst 14 Stationen und dauert ein bis eineinhalb Stunden. Er beginnt am Waisenhof, Endpunkt ist der Kirchplatz. Ihm liegen die aktuellen Hausnummern zugrunde (in der NS-Zeit waren es teilweise andere). Der beigefügte Stadtplan erleichtert Ihnen die Orientierung (Abb. unten). Da der Weg auch über Kopf Steinpflaster und durch Straßen mit Gefälle führt, sollten Sie recht gut zu Fuß sein.

Achten Sie beim Rundgang auch auf die Atmosphäre dieser über 750 Jahre alten Stadt, auf das schöne Fachwerk sowie den Wechsel von ruhigen Gäßchen und bevölkerten Straßen. Lesen Sie auch die Texttafeln an einigen Stationen unserer Tour, die allgemeine Zusatzinformationen geben.

Und jetzt kann es losgehen...
Station 1: Waisenhof
(Waisengasse/Ecke Hinterstraße)

Die Geschichte der Juden erscheint oft als eine endlose Abfolge von Missachtung, Isolierung, Verfolgung und Vertreibung. Der Waisenhof (Abb. rechts) steht am Beginn des Stadtrundgangs, weil er Symbol ist für "die andere Seite" dieser Geschichte, nämlich für die des guten Zusammenlebens, der Assimilation (Angleichung) und Integration von Juden in ihre christlich geprägte Umwelt (dazu siehe auch Literaturverzeichnis, Nr. 2, 4, 13, 15).

Erste Belege für die Anwesenheit von Juden in der Stadt reichen fast 600 Jahre zurück (bis um 1425). Aber sie lebten hier über Jahrhunderte nur vereinzelt und sporadisch. Ausgelöst durch das Zeitalter der Aufklärung und durch eine neue fürstliche Judenpolitik, wurden Juden dann ab Ende des 18. Jahrhunderts in Wildungen planmäßig angesiedelt. Ein weiterer Ausdruck der Emanzipation war, dass Juden in dieser Zeit Mitbegründer von Wildunger Gruppierungen waren, so des Schützenvereines, der Freiwilligen Feuerwehr und der Schuhmacher- und Lohgerberzunft. Wildunger Juden gründeten auch eigene Vereine, so den Humanitätsverein Chevra (für Bedürftige und Kranke), der ersten Frauenverein in Waldeck (Chebro Hanaschim) sowie Ortsgruppen des Bundes Deutsch-Jüdischer Jugend und des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten. Um 1865 entstand auch ein eigener jüdischer Friedhof am Weinberg in Altwildungen.

In dieses Bild eines aufstrebenden jüdischen Lebens passt, dass hier, mitten in der Altstadt und in den Räumen des ehrwürdigen, zweitältesten Waisenhauses Deutschlands (seit 1700), dann 1890 auch der Betsaal der jungen jüdischen Gemeinde der Stadt entstand, die 1877 gegründet worden war. Rasch stieg die Zahl der Juden in Wildungen bis auf knapp 150 (1933). Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von unter 3% und ist damit durchaus repräsentativ für diese Region.

Eine wichtige Erklärung für diese positive Entwicklung ist der aufstrebende Kurbetrieb der Stadt, der auch Juden Möglichkeiten für Ansiedlung, Gewerbe und Verdienst bot. Als Krankenschwester oder Stadtverordneter, als Kinobesitzer oder Kurarzt, als Kaufmann oder Hotelier arbeiteten Juden mit am Aufstieg der Badestadt. Ein (wenn auch aufgrund seiner Herkunft etwas heikler) Beleg für die These stammt ausgerechnet aus der Ortschronik der NSDAP (siehe Literaturverzeichnis, Nr. 17). Dort heißt es: "Wildunger Juden gehörten mit zu den angesehensten Bürgern. Sally Hirsch war sogar Stadtverordneter. In allen Vereinen waren sie zuhause. Die meisten von uns wären totunglücklich gewesen, hätten sie ihre Weihnachtsgeschenke nicht im anerkannt feinsten Spielwarengeschäft des Juden Sally Hirsch kaufen können (...) Es wäre Sache unserer Wildunger Metzger gewesen, aufklärend zu wirken. Sie taten es nicht. Das Vieh, das sie kauften, musste unbedingt vom Marx oder vom Oppenheimer oder vom Katz sein. Dass Hammerschlags Manufakturwarengeschäft am Marktplatz bei solcher Einstellung unserer Wildunger eine Goldgrube war, versteht sich am Rande. Wenn die "gnädige Frau" oder die "Frau ... Rat" oder die "Frau Doktor" oder sonst eine vornehme Dame irgend ein gutes Kleid brauchte, dann konnte das eben nur Hammerschlag liefern, allenfalls noch Leiser in der Lindenstraße, der ein sehr "seriöser" und "diskreter" und "hochanständiger" Kaufmann war (...). Bekannte "nationale" Männer unserer Stadt machten sich eine Ehre daraus, mit dem Juden Leopold Külsheimer an einem Tisch sitzen zu dürfen, mit ihm Skat spielen zu können oder neben ihm Sulperknochen zu verzehren".


Brunnenstraße Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts

So vorsichtig diese Quelle auch zu benutzen ist - sie zeigt (mit offensichtlichem Widerwillen verfasst), wie gut die Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden nach der Jahrhundertwende im Allgemeinen waren. Zudem bestätigen Zeitzeugenaussagen von einstigen Wildunger Juden, die den Holocaust überlebten, dieses gute Zusammenleben.

Der Handel mit Stoffen, Kleidung und Manufakturwaren, aber auch mit Vieh (inklusive Felle, Därme, Fleischwaren) sowie Berufe im Umfeld der auswärtigen Gäste (Hoteliers, Kurärzte) waren Domänen Wildunger Juden. Die meisten lebten ähnlich wie ihre nichtjüdischen Nachbarn: Man wohnte in der Altstadt, u.a. Neue Straße, Lindenstraße, Brunnenstraße (Abb. oben). Man fristete eine eher kleinbürgerliche Existenz, Reichtum und Wohlstand waren selten.

Spurensuche:
Der jüdische Friedhof in Bad Wildungen

hagalil.com / 30-12-2005


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