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Jüdische Weisheit
 
 

JUDEN in der ehemaligen Tschechoslowakei
von Chaim FRANK

19. Jahrhundert / Jahrhundertwende

Zu Beginn des 19.Jhdts.haben sich erhebliche Verbesserungen für die Juden angebahnt, die andrerseits wiederum auch eine starke Assimilierung mit sich brachte, die nicht unbedingt als ''nur'' positiv zu sehen sei, was zumindestens den traditionellen Sinn des Judentums betraf.

Es muß auch nicht die Tatsache unbedingt als ''paradox'' gesehen werden, daß es arme Juden gab, die, als man die Mauern des Ghettos einriß, diese aus Protest durch Drahtverhaue - wie es in Prag geschah - ersetzen. Denn viel zu lange und viel zu oft waren es sie, die armen und ärmsten Juden, die durch ihre Umwelt erniedrigt und ausgestoßen wurde. So bot wenigstens die sichere Ghettomauer, hinter denen sie als Juden lebten, nicht nur Schutz, sondern auch ein gewisses Wertgefühl, daß eben nur innerhalb des geschlossenen Judentums, als soziales Gefüge, existierte.


Gebäude der Chewra Kadischa, Prag
Quelle CCCR
Und das Ghetto zu verlassen, gelang - auch schon früher - ohnehin nur jenen, die die wirtschaftliche Situation zu nutzen wußten, und mit der dadurch erworbenen ''Freiheit'', früher hieß so etwas ''Sonderprivilegien'' zielbewußt umgehen konnten, d.h. durch günstige Verbindungen es zu einem Status eines Hofjuden zu bringen. Das konnte natürlich nicht jeder.

Die Moderne drang also in alle Fugen und Ritzen des bis dahin starr vor sich dahin vegetierenden Ghettodaseins, es brachte Reformen bis in den Cheder hinein - bedingt durch die allgemeine Schulpflicht -; Und der mittelalterliche Typ des Talmud-Tora Gelehrten, oder des Finanz- und Handels- und Hofjuden, wurde durch eine neue Generation jüdischer Intelligenz, von Medizinern, Juristen und später auch Philosophen und Allgemein-Wissenschaftler, bedrängt.

Als Beispiel stehen hier, der Arzt Jonas JEITELES (1735-1806), Elias ALTSCHUL, eines der ersten jüdischen Professoren der Prager Karls-Universität, oder der Jurist Wolfgang WESSELY, aus Trebitsch, welcher der erste jüdische Professor an der juridischen Fakultät zu Wien wurde. Und ihnen standen andere, aus dem wirtschaftlichen Bereich keineswegs nach.

Ich kann hier nicht alle nennen, aber immerhin ein paar bedeutende Persönlichkeiten will ich nur namentlich benennen:

Das wären die Brüder PORGES, mit ihrer Kattunfabrik, die als Lumpensammler begannen und es durch Fleiß und Mut es geschafft hatten, daß sie 1841 sogar in den Adelsstand (Herren von Portheim) erhoben wurden; oder Israel HOENIG, der als Jahrmarktskrämer begann, und später, 1752 die Pacht des Tabakmonopols erwarb, wurde als Armeelieferant 1789 in den Adelsstand erhoben; auch Simon LÄML, der 1787 in Prag einen Wollhandel gründete, schaffte es während der Napoleonischen Kriege der Armee dienlich zu werden und erhielt 1812 den Adelsstand; Sein Sohn, Leopold, wurde Direktor der Tschechischen Sparkasse, und ist 1848 sogar in den böhmischen Landtag gewählt worden.

Sie und die vielen, vielen anderen später ebenfalls berühmt und wichtig gewordenen jüdischen Persönlichkeiten hatten einen gemeinsamen Nenner: sie entstammten alle noch dem Ghetto; und ihre Kinder und Enkelkinder waren sich dieser Tatsache bewußt, ohne sich derob zu schämen.

1848, das Revolutionsjahr, wurde nicht nur politisch wichtig, sonder es wurde zu einem ''Goldenen Schlüssel'' auch für das Judentum, wo die Proklamation des Österreichischen Grundgesetzes auch die Gleichberechtigung der Juden vorsah, selbst wenn sie noch lange nicht in den Kronländern zu bemerken war.

Es entstand eine hitzige Kontroverse ''für'' oder ''gegen'' die Emanzipation der Juden, bei der 1850 sogar der Schriftsteller Karel HAVLICEK-BOROVSKY (1821-1856), ein großer Nationalist, von seiner früheren Meinung sich abwandte und Partei für die Juden ergriff:

''Auch wir sollen zur Reform des Judentums beitragen, wir sollten uns zu unseren israelitischen Mitbürgern als zu gleichberechtigten Bürgern verhalten, wir sollten sie nicht schmähen, sie auf keine Weise herabsetzen.

Wenn wir tatsächlich ein so schwaches und nichtswürdiges Volk sind, daß uns einige Tausend Juden in Fragen des Handels usw. überholen können, dann sind wir nicht einmal wert, bedauert zu werden.''

Trotz dieser ''positiven'' Stellungnahme dieses tschechischen Nationalisten, tat sich die tschechische Seite schwer, die jüdische Emanzipation zu akzeptieren. Das kam vorwiegend daher, daß die jüdische Intelligenz und die wohlhabenden Kaufleute deutschsprachig waren und sich zum Habsburgerreich bekannten.

Als Vorreiter der tschechisch-jüdischen Annäherung gilt der Arzt und Schriftsteller Siegfried KAPPER (1820-1879). Er war bereits seit seiner Jugend durch den jüdischen Dichter Moritz HARTMANN (1821-1872) beeinflußt, der später auch sein Schwager wurde. Der Circel um Kapper, bemühte sich nicht nur um geistige Freiheit, sondern auch um die volle Gleichberechtigung der böhmischen Juden. Die Zeit war jedoch noch nicht reif für diese humane Idee, sie sollte erst nach Kapper's Tod, 1879, Früchte tragen.

Jedenfalls aber wurden ab 1849 das Familiantengesetz und die Bestimmung des Zwangsaufenthalts im Ghetto aufgehoben, und 1859 wurde den Juden sogar das Recht gewährt, Grund und Boden zu besitzen. Zwei Jahre später hatte die Stadt Prag physisch sein Judentum eingegliedert, d.h. die Judenstadt, das ehemalige Ghetto, wurde der V. Prager Stadtbezirk und zu Ehren des Besuchs des Kaisers im Ghetto, benannte man diesen Stadtteil ''Josevov'', die Josephstadt.

Jeruzalemska
Synagoge, Prag

Zwischen 1830 bis 1850 stieg die Einwohnerzahl Prags von 157.ooo auf 314.ooo Menschen, und Prag entwickelte sich auch von einer verträumten Universitätsstadt zu einem bedeutenden Industriezentrum der Habsburger Monarchie.

Das hatte weitreichende Folgen. Das Gesicht und die Struktur der Stadt, so die Entscheidung des Magistrats, mußte grundlegend verändert und mehr noch erneuert werden. Die Übervölkerung einzelner Stadtteile - auch das der Judenstadt - förderte eine hohe Krankheits- und Sterberate, der durch eine gezielte Assanierung Einhalt geboten werden mußte.

Von 1889 bis etwa 1900 war der größte Teil des ehemaligen Ghettos verschwunden und annähern 10 Jahre später standen nur noch neue und der Zeit entsprechend renovierte Häuser auf diesem Gebiet. Das Stadtbild der Josephstadt stand zu keinem Unterschied mehr zu jenen anderer Städte, man konnte sich sogar mit Wien und Paris - was die Schönheit und Pracht betraf - messen.

Diese Anmut und Herrlichkeit, die sich selbstverständlich auch in anderen böhmisch-mährischen Städten allmählich zeigte - zum Teil sogar sich gegenseitig übertrafen -, animierte gerade dazu sich mit schöngeistigen Dingen zu beschäftigen.

Schon 1871 bildete der deutsch-jüdische Kreis ''Concordia'' in Prag das kulturelle und künstlerische Zentrum für Schriftsteller und Künstler in Böhmen. Zu seinem Kreis gehörten später die Maler Emil Orlik, Hugo Steiner-Prag, Julius Singer, Georg Jilovsky, Gustav Böhm, und andere bedeutende jüdische Maler wie Max Horb, Georg Kars und Max Oppenheimer an. Sie stellten alle ihre Werke gemeinsam mit den tschechischen und österreichischen Künstlern im Rudolphinum aus.

Nicht nur in Prag, auch anderen böhmischen und mährischen Städte drang der Durst nach Kunst und Kultur, an deren Stillung nicht minder viele Juden beteiligt waren. Brünn, Olmütz, Leitmeritz, Lobositz, Budweis, Tetschen und viele andere Städte kannte jeder, oder genauer gesagt seine Cafe-Häuser und vor allem deren Theater und Musikbühnen.

Vorrangig nimmt hier die Stadt TEPLITZ-SCHÖNAU eine Sonderstellung ein, an deren Stadttheater kein Schauspieler und Mime vorbeikam, der später an großen Bühnen in Prag, Preßburg, Berlin oder Wien etwas werden wollte.

Teplitz, wo 1813 die Herrscher von Österreich, Rußland und Preußen die sogenannte Heilige Allianz gegen Napoleon schlossen, war bereits seit dem Mittelalter für seine Heißwasserquellen bekannt.

Zur Jahrhundertwende zählte die Kurstadt 35.ooo Einwohner, darunter auch 5.ooo Juden. Das Teplitzer Theater-Cafe wurde zu einem kulturellen Treffpunkt für viele wohlhabende österreichische und tschechische Bürger, und entwickelte sich alsdann auch zu einem gesellschaftlichen Mittelpunkt der Juden Nordböhmens, - nicht nur während der Sommermonate.

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