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Meldungen aus den Jahren 1995 - 1999 |
Politik:
Ein kleiner Ausflug nach Betlehem
Am letzten Samstag im Februar bin ich mit einem Trupp Journalisten mit Gush
Shalom (Friedens-Block) in die Region Betlehem gefahren. Um zehn am Morgen
haben wir uns am Bahnhof getroffen. Schon dorthin zu kommen, stellt am
Morgen des Shabat ein ziemliches Hindernis, das sich nur mit dem Taxi
bewältigen läßt, da keine Busse fahren. Mit ungefähr 50 Leuten ging es los,
darunter Uri Avnery, dem wohl bekanntesten Friedensaktivisten Israels.
Auf dem Weg dorthin hatte ich ein ziemlich interessantes
Gespräch, ob man die Situation heute in Israel mit einer
neun-Parteien-Regierung mit der Weimarer Republik vergleichen kann, darf
oder soll. Ganz offen wurde ich befragt, was mir zur hiesigen Situation so
einfällt. Das wird man hier nicht selten gefragt, aber normalerweise
empfiehlt es der Verstand, eigentlich nichts zu sagen und ausschließlich
Fragen zu stellen. Aber im Kreis dieser Leute, die sogar Jerusalem als die
Hauptstadt zweier Staaten akzeptieren würden, schien das etwas anders zu
sein. So verging die Zeit bis zur Ankunft in Betlehem wie im Flug. Dort hat
uns ein Mitglied des Palästinensischen Parlaments gezeigt, was die Siedler
in der letzten Zeit so angestellt haben: Erweiterungen, neue Straßen, um die
Siedlungen zu verbinden (Bypass-Roads), natürlich mitten durch Plantagen und
Felder der Palästinenser. Die Wut vieler Araber wird recht verständlich,
wenn man erfährt, daß Siedler erst vor kurzem, schwer bewaffnet und mit
Bulldozern kamen, um Jahrhunderte alte Olivenbäume einfach umzuhauen.
Bei einem Stop auf einem die Gegend überblickenden Hügel teilte uns
Salah Ta´Amri mit, daß sich beim Herodion Siedler gerade mit
Palästinensern anlegen würden, die dort ihre Olivenbäume pflanzen
wollen. Wir sind dann dorthin und sahen, wie die Armee die Siedler
verteidigt. Die Armee ist beauftragt die Siedler zu beschützen, da die
Regierung die Siedlungen toleriert, sogar dann, wenn die Siedler illegal
Land besetzen. Der Kampf um die Felder gehört für die Leute dort leider
zum Alltag. Ich erfahre, dass fast alle Siedler fundamentalistische
Amerikaner seien, die erst in letzter Zeit kamen, sozusagen in der
Annahme, die Geschichte der Siedlungen könne bald vorbei sein...
Besagte Siedlung war erst vor zwei Monaten provisorisch erbaut worden,
kurz nach dem Whye-Agreement. Am nächsten Morgen konnte ich ein Bild auf
der ersten Seite der Ha´Aretz (der englischen Ausgabe) sehen, daß
ungefähr fünf Meter neben mir aufgenommen worden war. Es zeigte einen am
Boden liegenden alten Mann und einen anderen, der Zeichen machte und um
Hilfe rief. Die Beschreibung paßte zwar nicht ganz, denn die "100 peace
activists" kamen spontan, nur um schlimmeres zu verhindern. Zum Glück
hatte sich der 90jährige Mann bald wieder erholt. Auch solche Bilder
gehören zu Israel, beziehungsweise zur Unterdrückung in den besetzten
Gebieten. Man muß auch diese kennen, um die stete Nahrung des Hasses -
auf beiden Seiten - zu verstehen. Die Fundamentalisten werden auf beiden
Seiten alles andere als weniger.
Politik und Wahlen
Am 17.Mai wird in Israel gewählt. Der Wahlkampf kommt langsam in
Gang. Auf Säulen und Mittelstreifen sieht man schon die Plakate, und schon
vor einem Monat trugen alle Busse in Tel Aviv Premier-Minister Netanjahu mit
dem Slogan "A strong leader for a strong country" durch's Land. Speziell
dieser Spruch hat zu einiger Diskussion geführt. Mit ein paar Gesprächen
wurde mir die hiesige politische Situation sehr deutlich vor Augen geführt:
Unter anderem meinte eine jüngere Lehrerin an meiner Schule, daß sie, wenn
sich die politischen Verhältnisse nicht ändern, sich ernsthaft Gedanken
machen muß, wohin sie auswandern will. Das liegt im Trend, denn 1998 sind
mehr Leute aus Israel aus- als eingewandert. Genaue Zahlen gibt die
Regierung allerdings nur für die Einwanderung bekannt.
Die politische Streitkultur kann man hier auch nicht als
besonders entwickelt betrachten. Nicht nur in der Knesset, dem israelischen
Parlament, sondern auch sonst brüllen sich politische Gegner bevorzugt
nieder. Grundsätzlich fällt auf, saß Israelis scheinbar davon ausgehen, daß
Hebräisch vor allen Dingen laut gesprochen werden muß. Ob auf der Strasse
oder in der Knesset, der Gegner wird mit möglichst voller Lautstärke
angeschrien. Wenn man diese israelische Eigenart nicht kennt, ist man erst
mal recht verdutzt. Ausreden lassen oder gar zuhören scheint nicht zur
Mentalität zu passen.
Zur Demokratie gibt es je nach Herkunftsland unterschiedliche
Vorstellungen. Die zionistischen Einwanderer aus Europa und Ben Gurion
wollten eine strikte Trennung von Religion und Staat und eine
demokratische Struktur nach amerikanischem Vorbild. Die Einwanderer aus
den arabischen Staaten, Äthiopien oder Rußland haben einen anderen
Bezug, sie haben mit dem demokratischen System erstmals in Israel
Kontakt bekommen. Speziell die Russen integrieren sich schlecht in die
israelische Gesellschaft und wohnen in vielen Städten und Orten fast nur
unter sich. Das zeigen auch die russischen Parteien, die sich
etablieren. Einer der Führer einer solchen Partei meinte vor kurzem, daß
ihm ein Präsidialsystem wie in Rußland am liebsten wäre, denn hier würde
einfach ein starker Mann, wie damals Breschnew, fehlen. Solche Aussagen
vergrößert die Kluft zwischen den "Israelis" und den
"Neu-Eingewanderten" natürlich nur.
Der zweite schwelende Konflikt in Israel betrifft den Einfluß der
Religiösen, vor allem der Orthodoxen, auf den Staat. Diese verhindern
zum Beispiel nach wie vor, daß am Shabbat (Samstag) Busse in den meisten
Städten fahren dürfen. Das hat zur Folge, daß es sehr teuer wird,sich
hier Samstags fortzubewegen, wenn man kein Auto hat. Die sozial
schwachen werden damit grob in ihren Freiheitsrechten beschnitten.
Die wildesten Spekulationen laufen schon darüber, was passiert, wenn
erst der äußere Feind - die Araber - und damit das Feindbild ganzer
Generationen verschwindet. Auf diesen Machtkampf darf man gespannt sein,
denn das wird die Gemüter weiter zerreißen als alles bisher bekannte....
Tobias, Tel Aviv
Menschen die
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haGalil onLine
- Freitag 09-04-99 |
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