Fischer sprach dem Europäischen Parlament eine wichtige Rolle
beim europäischen Demokratisierungsprozeß zu. Es habe in der vergangenen
Woche hart für seine Rechte gekämpft. Der Anlaß dafür sei relativ
beliebig gewesen, meinte Fischer. Santer versprach, den bereits
bestehenden Verhaltenskodex für die Kommissionsmitglieder zu erweitern.
Es gehe nach der Korruptionsaffaire darum, Vertrauen wiederzugewinnen.
Zugleich erklärte Santer, die Kommission habe handlungsfähig bleiben
müssen, damit die Probleme, die unter der deutschen Ratspräsidentschaft
angegangen werden sollten, auch gelöst werden könnten. Clement zeigte
Verständnis für die Probleme der Kommission. Korruption gebe es auf
allen politischen Ebenen.
Einig waren sich alle Diskussionsteilnehmer darin, daß die
Institutionen in der Europäischen Union vor einer Osterweiterung
reformiert werden müßten. Die dafür notwendigen Vorbereitungen der
Europäischen Union nannte Fischer vorrangiges Ziel der deutschen
Ratspräsidentschaft. Besonders wichtig sei die Verabschiedung der
"Agenda 2000" mit den dazugehörigen Reformen des Agrarsektors und der
Finanzen. Die Kandidaten müßten sich ihrerseits beitrittsfähig machen.
Die Osterweiterung wird ein Mordsgeschäft
Österreichs Außenminister Schüssel hob hervor, die Aufnahme der
neuen Länder werde das größte wirtschaftspolitische Projekt der
kommenden zehn bis 15 Jahre, weil deren Märkte schnell wachsen würden.
Wörtlich sagte Schüssel: "Die Osterweiterung wird ein Mordsgeschäft."
Im Zusammenhang mit der Forderung nach einer Senkung der
deutschen Beitragszahlungen wies Fischer darauf hin, daß Europa nicht
nur Geld koste, sondern auch Profit bringe. Santer versicherte, daß im
Rahmen der Reformen der deutsche Beitrag fair gestaltet werden solle.
Kosovo: Eine Forderung an Europa
Angesichts der Krise im Kosovo bemängelten die Außenminister
Fischer und Schüssel, daß die Europäische Union noch immer nicht in der
Lage sei, gemeinsam aufzutreten und zu handeln. Schüssel betonte, die 15
Mitgliedstaaten müßten sich ihrer Verantwortung bewußt werden und
dürften nicht alles den USA überlassen. Zu klären sei insbesondere, wie
man mit Diktatoren wie Saddam Hussein und Slobodan Milosevic umgehen
wolle.
Fischer meinte, der Zwang, außenpolitisch gemeinsam handeln zu
müssen, bringe Europa langfristig nach vorne. Zugleich hob er hervor,
man dürfe nicht nur Diktatoren zur Rechenschaft ziehen, sondern müsse
den betroffenen Völkern eine europäische Integrations-Perspektive
bieten. Mit Blick auf Milosevic sagte Fischer, Belgrad müsse klar sein,
daß alle Optionen offen stünden. Schäuble hielt der Bundesregierung
dagegen vor, sie habe keine Antworten auf die Kosovo-Krise.