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POLITIK - AUSLAND - NAHOST

Nach den Anschlägen in Israel:
Eine Region in Flammen

Die Regierung in Jerusalem macht sich selbst zur Geisel des Terrors. Das Land braucht eine grundlegend neue Sicherheitspolitik.

- VON RAFAEL SELIGMANN -

Die Auswirkungen der jüngsten Terrorangriffe auf Israels Politik und Gesellschaft lassen sich nur begreifen, wenn man die Geschichte des jüdischen Staates kennt. Der jüdische Staat ist eine Kopfgeburt der Vereinten Nationen. Am 29. November 1947 sprach sich die UNO-Vollversammlung mit Zweidrittelmehrheit für die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat sowie ein internationales Gebiet Jerusalem aus.

Die arabischen Staaten sowie die Führung der Palästinenser waren jedoch nicht bereit, einen jüdischen Staat in ihrer Mitte hinzunehmen. Nach Abzug der Briten im Mai 1948 versuchten sie Israel mit Waffengewalt auszulöschen. Der erste arabisch-israelische Krieg (1948/49) endete mit einem militärischen Triumph Israels und mit der Vertreibung und der Flucht Hunderttausender Palästinenser. Die politische Führung Israels war jedoch unfähig, den militärischen Sieg in einen politischen Erfolg umzuwandeln. Carl von Clausewitz hat deutlich gemacht, daß der Sieg auf dem Schlachtfeld ohne politische Umwertung sinnlos bleibt. Die "politische Absicht ist der Zweck, der Krieg ist das politische Mittel, und niemals (!) kann das Mittel ohne den Zweck gedacht werden", postuliert er in seinem Werk "Vom Kriege".

Die arabischen Staaten weigerten sich über Jahrzehnte, Israels Existenz anzuerkennen. Israel mußte sich mit Feuerpausen an seinen Waffenstillstandslinien begnügen. Schlimmer für Israel war, daß sich die geflüchteten Palästinenser nicht mit der Vertreibung aus ihrer Heimat abfinden wollten und zu bewaffnetem Widerstand gegen den jüdischen Staat bereit waren.

Die Männer, die den bewaffneten Kampf mit Israel aufnahmen, nannten sich Fedajin, Opferbereite. Die Aktionen der Fedajin waren jedoch unkoordiniert und die Kämpfer meist militärisch nicht ausgebildet. So konnten die Fedajin lediglich begrenzte Operationen gegen die israelische Bevölkerung ausführen. Dies änderte sich, nachdem im Frühjahr 1952 die Freien Offiziere unter Führung Camal Abdel Nassers in Ägypten die Macht an sich rissen. Schon bald bildete die ägyptische Armee junge Palästinenser im Guerillakampf aus, armierte sie mit modernen Waffen und bot ihnen logistische Hilfe bei Überfällen gegen israelisches Gebiet.

Die israelische Armee war gegen die Partisanenüberfälle zunächst schier machtlos. In den fünfziger Jahren lebten in Zion weniger als zwei Millionen Menschen. Israels Waffenstillstandslinie war fast tausend Kilometer lang. Die relativ kleine Armee war nicht in der Lage, das Eindringen von Freischärlern auf israelisches Gebiet zu verhindern.

Um das tagtägliche Leben der Bevölkerung sicherzustellen, entwickelte der damalige Sicherheitsminister und Premier, David Ben Gurion, eine Sicherheitsdoktrin, an die sich Jerusalem bis heute hält. Primäres Ziel war die Sicherung der staatlichen Existenz. Außen- und Verteidigungspolitik hatten in erster Linie diesem Zweck zu dienen. Außenpolitik war in Ben Gurions Verständnis Sicherheitspolitik mit diplomatischen Mitteln. So lenkte Ben Gurion neben seinem Amt als Regierungschef auch das Sicherheitsressort. Israels Politiker sind bis heute dieser Denkweise verhaftet geblieben. Menachem Begin, Yitzhak Rabin und Shimon Peres, Ben Gurions engste Mitarbeiter im Sicherheitsministerium, bestanden darauf, Premier und Sicherheitsminister in Personalunion zu sein.

Generalstabschef Moshe Dayan entwickelte unterdessen eine operative Strategie. Ihr Kern war die Teilung der Sicherheit in eine fundamentale und eine permanente Sicherheitsebene. Fundamentale Sicherheit umfaßt militärische Auseinandersetzungen mit regulären arabischen Streitkräften, also den Kriegsfall. Permanente Sicherheit hat den Schutz der Israelis im Alltag zu gewährleisten.

Da eine hermetische Abriegelung der Grenze nicht möglich war, machte Dayan die jeweiligen arabischen Staaten für die Grenzsicherheit verantwortlich. Wenn ein arabisches Land Aktivitäten von Freischärlern gegen Israel zuließ oder diese gar förderte, dann mußte es mit militärischen Schlägen Israels an empfindlichen Stellen seines Territoriums rechnen.

Zu diesem Zweck beauftragte Dayan einen jungen Offizier, Ariel Sharon, mit der Aufstellung der Einheit 101. Die waghalsigen Aktionen dieser Truppe sorgten nicht für mehr Sicherheit an Israels Grenzen. Sie führten vielmehr zu einer Eskalation von der permanenten zur fundamentalen Sicherheitsebene und damit zu Israels Teilnahme am Suez-Krieg von 1956. Zions Armee errang einen Sieg. Jerusalem war jedoch, ebenso wie im Waffengang zuvor, unfähig, politischen Gewinn daraus zu ziehen. Im Gegenteil: Israel geriet außenpolitisch in zunehmende Isolation. Dennoch beantwortete Israel ein Jahrzehnt später die Überfälle von Freischärlern aus syrischem Gebiet mit massiven Militäraktionen, die syrische Armee unterstützte die Partisanen. Die Eskalation führte 1967 zum nächsten arabisch-israelischen Krieg.

Eine geringe Bevölkerungszahl, lange Waffenstillstandslinien sowie das fehlende Hinterland (das Land ist im Ballungsraum zwischen Tel Aviv und Haifa kaum 20 Kilometer breit) sind die Rahmendaten für Israels Strategie der fundamentalen Sicherheit. Im Falle eines drohenden Angriffs der arabischen Armeen mobilisiert Israel seine Reservisten und versucht mit einem präventiven militärischen Schlag die Initiative zu gewinnen. Diese strategische Hallstein-Doktrin macht Israel jedoch zur Geisel jedes konfliktbereiten arabischen Regimes. Es genügt, Freischärleraktionen gegen Israel zu unterstützen oder Israel direkte militärische Nadelstiche zu verabreichen. Solange es an dieser Strategie klebt, muß Israel mit Macht zurückschlagen. Damit läßt sich der jüdische Staat nach Belieben in einen Krieg treiben. So war es 1956, 1967 und im Libanonkrieg von 1982.

Durch den Beschuß israelischer Bevölkerungszentren mit Raketen, versuchte Iraks Diktator Saddam Hussein, Jerusalem 1991 in den Golfkrieg zu ziehen und sich so zum Führer der arabischen Staaten und der Armeen aufzuschwingen. Nur massiver amerikanischer Druck und umfangreiche Waffenlieferungen konnten Israel von einem Eingreifen im Golfkrieg abhalten.

Die Führung der Hamas und ihr militärischer Arm kennen Israels strategisches Dilemma. Durch eine Eskalation von Terrorangriffen gegen die Zivilbevölkerung wollen sie Jerusalem zum Angriff gegen ihre Zellen in Gaza und im Westjordanland provozieren. Dies wäre das Ende der Autorität der PLO-Führung unter Yassir Arafat. Das Ergebnis wäre ein langwieriger Untergrundkrieg, den Israels Militär ebensowenig gewinnen könnte wie den Waffengang im Libanon vor 14 Jahren.

Das Desaster des Libanonkriegs hat Israel vorsichtig gemacht. Peres ist klug genug, die israelische Armee nicht in einem langen Untergrundkampf im Gazastreifen ausbluten zu lassen. Die Hamas-Strategen haben andere Optionen. Durch eine Fortsetzung der Terroraktionen können sie Jerusalem zum militärischen Handeln zwingen. Israel würde versuchen, die Stützpunkte der Hamas in Syrien und Libanon auszuheben. Damit würden die zaghaften Friedensbemühungen zwischen Syrien und Israel zunichte gemacht. Sie würden in einen neuen Krieg getrieben werden.

Dieses Szenario weist auf die politischen und finanziellen Hintermänner der Hamas. Iran, das einen arabisch-israelischen Ausgleich ablehnt, möchte Syrien mit allen Mitteln von einer Verständigung mit Israel abbringen. Durch die Unterstützung von Terroraktionen der Hamas kann Teheran Jerusalem und Damaskus in einen Konflikt treiben. Gewinner wäre das Mullah-Regime. Als die entscheidende Macht in der Region könnte Iran das Geschehen in der Region steuern. Ohne Zustimmung Teherans wäre eine wirksame Abmachung in Nahost unmöglich. Welche Kräfte in Teheran die Hamas unterstützen, ist nicht entscheidend. Bedeutsam ist vielmehr, daß dies offenbar geschieht.

Aufgrund seiner ungünstigen geostrategischen Situation und des sturen Festhaltens an seiner offensiven Sicherheitsdoktrin ist es relativ einfach, Israel durch gezielte Terrormaßnahmen in eine Konfrontation mit seinen arabischen Nachbarn zu treiben. Absolute Sicherheit gegen Terroranschläge kann es nirgends geben - schon gar nicht bei dem Konfliktpotential in Palästina. Daher muß von allen Seiten versucht werden, auf Israelis und Palästinenser einzuwirken, die Quellen des Terrors auszudünnen, um eine Eskalation zu vermeiden. Gelingt dies nicht, dann waren alle Friedensversuche zwischen Israelis und Arabern umsonst. Dann steht die Region vor unserer Haustür in Flammen.

Rafael Seligmann lebt als Schriftsteller und Essayist in München. Er studierte Neuere Geschichte, Internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik in München und Tel Aviv. Seligmann promovierte 1981 mit einer Dissertation über "Israels Sicherheitspolitik". Von ihm erschienen unter anderem folgende Bücher: "Israels Sicherheitspolitik. Zwischen Selbstbehauptung und Präventivschlag" (1982), "Mit beschränkter Hoffnung. Deutsche, Juden, Israelis" (1991 und 1993)

Wenn Sie mehr lesen wollen, DS - Das Sonntagsblatt - Nr. 12

© DIE WELT, 27.5.1997

Zum Streit Walser/Bubis/Dohnany:
Die Sprengung des Konsenskäfigs

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