"Unkorrekte Geldflüsse"
Nach Prüfbericht
steigt Druck auf Habsburg
Die ÖVP wartet ab, alle anderen Parteien drängen massiv
auf einen Rücktritt des EU-Abgeordneten Karl Habsburg, nachdem
Wirtschaftsprüfer Geldflüsse von der Hilfsorganisation World Vision zur
Paneuropa-Bewegung bestätigt haben.
WIEN (red.). Der VP-Europaparlamentarier Karl Habsburg lehnt
einen Rücktritt im Gefolge der Spendengeld-Affäre weiter ab. Im
ORF-Radio bekräftigte er am Dienstag, daß er bei der EU-Wahl im Juni
1999 erneut kandidieren wolle. Hingegen drängten SPÖ, FPÖ, Liberale und
Grüne auf einen sofortigen Rücktritt Habsburgs. Dies waren die
unmittelbaren Reaktionen auf einen vorläufigen Bericht, den die
Wirtschaftsprüfungskanzlei KPMG am Montagabend vorgelegt hat: Darin
werden "unkorrekte Geldflüsse" von der Hilfsorganisation World Vision
zur Paneuropa-Bewegung Habsburgs in der Höhe von rund 640.000 Schilling
bestätigt. Ein Teil davon ging in den Habsburg-Wahlkampf.
Daß Geld von World Vision in den EU-Wahlkampf 1996 geflossen
sei, sei eine "echte Überraschung" für ihn, so Habsburg. Es würden alle
zu Unrecht bezogenen Gelder umgehend mit Zinsen über ein bereits
eingerichtetes Treuhandkonto zurückbezahlt. Er hat für heute, Mittwoch,
eine Präsidiumssitzung der Paneuropa-Bewegung einberufen. Dabei soll für
die Finanzgebarung "ein völlig neuer Boden gelegt" werden.
Für VP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat war es am Dienstag
"sicher zu früh", über mögliche Konsequenzen und die politische Zukunft
von Karl Habsburg zu entscheiden. Sie will die heutige Paneuropa-Sitzung
abwarten und hofft, heute ein Gespräch mit Habsburg führen zu können.
Damit geriet auch sie ins Schußfeld. Die Liberalen orteten
Hilflosigkeit, die Grünen ein "jämmerliches Schauspiel" bei der ÖVP.
Rauch-Kallat sollte gleich mit Habsburg abtreten, verlangte
FP-Generalsekretär Peter Westenthaler.
Laut Bericht der Wirtschaftsprüfer erfolgten die "unkorrekten
Geldflüsse" über Druckereirechnungen von World Vision von Juni 1995 bis
Oktober 1998. Auf Rechnungen über rund 67.000 Schilling gebe es den
Vermerk "Gegenleistung für Adressen". 1996, im EU-Wahljahr, habe es eine
World Vision-Aussendung an Paneuropa-Adressen gegeben. Weiters kommen
die Prüfer zum Schluß, daß World Vision aufgrund eines offensichtlich
gefälschten Vertrages in Summe rund 220.000 Schilling zuviel Miete für
ein Veranstaltungslokal bezahlt hat. Karl Habsburg prüft rechtliche
Schritte gegen den Ex-Generalsekretär der Paneuropa-Bewegung, Wolfgang
Krones. Dieser sitzt wie seine Frau, Tina Krones-Taurer,
Geschäftsführerin von World Vision Österreich, in U-Haft.
Strafanzeige in München
Indes hat sich Otto Habsburg, EU-Abgeordneter der CSU, hinter
seinen Sohn Karl gestellt: Dieser werde die Sache klären können. Auch
Otto Habsburg blieb unter Beschuß. Anlaß war, daß er seinen Vergleich
der Angriffe gegen seinen Sohn mit der Judenverfolgung ("Karl wird
angegriffen, weil er den gewissen gelben Stern trägt, den Namen
Habsburg") am Montag nicht zurückgenommen hat.
Der jüdische Verein* "ha Galil" hat deswegen bei der
Staatsanwaltschaft München Strafanzeige gegen Otto Habsburg erstattet.
*)Anmerkung
/ Richtigstellung: Strafanzeige wurde erstattet vom Magazin haGalil
onLine (München), nicht vom Förderverein haGalil e.V. (Berlin).
Die Presse, Datum:09.12.1998, Ressort:Innenpolitik
Aus einem Kommentar der 'Presse'
vom 07.12.1998
Die Tragik eines alten Mannes
VON ANNELIESE ROHRER
Otto Habsburg hat bis jetzt auch all jenen, denen die verkrampften
Bemühungen um eine Habsburg-Renaissance via Sohn Karl nur ein abfälliges
Lächeln entlockt haben, immer einen gewissen Respekt abverlangt. Nun aber
hat er sich in dem verzweifelten Bemühen, zu retten, was sein Sohn aufs
Spiel gesetzt hat, zu einem Vergleich hinreißen lassen, der nicht nur seiner
Intelligenz Hohn spricht, sondern auch noch den guten Namen beschädigt.
Was immer die Familie Habsburg als Unrecht ansieht, es ist nicht mit jenem
des Holocaust zu vergleichen. Auch bei größter Betroffenheit kann die
Verfolgung der Habsburger wohl nicht mit den Massenmorden an Juden
gleichgesetzt werden.
Man muß sich das einmal vor Augen führen: Weil irgendwelche
Möchtegern-Monarchisten sich vor Jahren Karl Habsburg als Schachfigur
ausgesucht haben und es jetzt um veruntreute Gelder geht, verliert der
Chef des Hauses Habsburg jedes Maß, jedes Gefühl für
Verhältnismäßigkeit. Und demoliert sich nach einer langen
Europa-Karriere selbst.
In Wahrheit kann dies nur der tragische Schlußpunkt unter eine
Serie von Fehlverhalten seines Sohnes sein; einer Serie, die immer und
immer wieder mit "Blauäugigkeit", Naivität und Intrige der anderen
erklärt wurde. Es muß doch auch dem Vater aufgefallen sein, daß sein
Sohn wenig klug handelt; daß nicht immer nur "die anderen" schuld
gewesen sein können. Dem Vater und dem Sohn bleiben jetzt nur mehr
Verschwörungstheorien.
haGalil onLine -
Freitag 11-12-98 |