Der Streit um das Papstkreuz in
Auschwitz spitzt sich zu. Diesmal haben sich allerdings beide Seiten -
Juden wie Katholiken - gründlich verrannnt. Mit der Berufung auf die
Religion kommt hier keine Seite weiter. Im Gegenteil. Alles wird nur
noch schlimmer. Der Theologieprofessor Bender von der Katholischen
Universität Lublin meint, daß die Juden undankbar und bockig seien. Da
komme der Papst, reiche ihnen die Hand und das Kreuz zur Versöhnung, und
die Juden haben die Stirn, einfach NEIN zu sagen. Oberrabbinner
Joskowicz hat sich gestern im Radio leider auch nicht viel besser
vernehmen lassen: "Den Juden ist es verboten, neben Götzenbilder zu
beten. Das Kreuz muß weg."
Zum Hintergrund: Das Kreuz steht nicht in Birkenau,
sondern hinter dem Stammlager Auschwitz, an einer Stelle, an der die
Nazis vor allem politische Häftlinge (d.h. katholische Polen) erschossen
haben. Es steht nicht im Lager bzw. der heutigen Gedenkstätte. Der
Internationale Auschwitzrat kann also nicht über das Kreuz verfügen.
Anders sah die Situation bei den vielen kleinen Kreuzen und Davidsternen
aus, die auf einer Waldlichtung in Birkenau standen und wie eine
Heerschar Gartenzwerge daherkamen. Diese religiösen Symbole sind alle
entfernt, und hier gab es auch kaum Prostest.
Ich sehe zwei mögliche Lösungen des Konflikts: Der
Papst spricht ein Machtwort. Und da er noch nach Jerusalem will, könnte
es sogar das politisch richtige werden. Nur: wenn das Kreuz in Auschwitz
wegkommt, werden für die hier noch lebenden Juden schwere Zeiten
anbrechen. Nach dem Wegzug der Karmelitterinnen, der ja ebenfalls
erkämpft werden mußte - verkraften die Katholiken hier keine weitere
Niederlage mehr. Immerhin war Auschwitz über 50 Jahre lang in der
kommunistischen Propaganda ein Ort des POLNISCHEN Märtyrertums. Die
Polen haben erst nach der politischen Wende gehört (oder öfter gehört),
daß das in dieser Form nicht stimmt. Daß die ganze Welt Auschwitz als
Ort und Symbol der Shoah ansieht.
Die zweite Möglichkeit bestünde in dem Machtwort
eines weltweit als moralische Autorität anerkannten Oberrabbiners. Dies
sollte möglichst kein Ultraorthodoxer sein. Der würde dann wieder nur
das christliche Kreuz mit dem Golden Kalb vergleichen und die polnischen
Katholiken Götzendiener nennen.
Hier muß jede Religion aus dem Spiel bleiben. Ich
finde es auch problematisch, bei Auschwitz von "Heiligtum" zu sprechen,
egal, ob christlich oder jüdisch. Hitler hätte dann in ganz Europa
"Heiligtümer" hinterlassen. Eine Horrorvorstellung.
Am allerbesten wäre natürlich, wenn der Papst sagen
würde: "Das Kreuz kommt weg" und der Rabbiner: "Lassen wir das Kreuz
stehen" - Dann könnte man sicher eine für alle akzeptable Lösung finden.
Ein Bericht aus Warschau.
Vielen Dank an Gabriele Lesser
haGalil - Mitteleuropa:
Polen
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