Interview:
Der in Deutschland geborene und in Haifa lehrende Soziologe Natan Sznaider über
Kosmopolitismus, jüdisches Territorium und sein neues Buch "Gedächtnisraum
Europa"...
Trotz aller
Rituale und Gedenktage:
Das jüdische Denken ist aus Europa
verschwunden
Wir leben in finsteren
Zeiten - Zeiten, die das jüdische Problem
zum Allgemeinproblem werden lassen.
Sozialwissenschaftler haben angesichts der
neuen Barbarei einen schweren Stand: Unser
Handwerkszeug taugt nicht viel, wenn es
darum geht, die heutigen Gefahren zu
verstehen. So drehen wir uns im Kreis,
versuchen die Welt in alten Kategorien zu
verstehen, die wir alle noch so fleißig
gelernt haben...
Universalismus und Partikularismus nicht als sich gegenseitig
ausschließende Begriffe, sondern als gelebte Praxis:
Jüdischer Pluralismus
In der
Menschheit, so kann man sagen, gibt es
keinen Ort für die Menschen in ihrer
Besonderheit. Das Weiterbestehen und
Weiterbestehen wollen von Partikularität
wird nur noch als Rückschritt und Reaktion
verstanden. Wenn man die europäische
jüdische Erfahrung jedoch mit in die Analyse
holt - und genau das ist unser Anliegen -,
werden Universalismus und Partikularismus,
das Allgemeine und das Besondere keine sich
gegenseitig ausschließenden Begriffe mehr
sein, sondern gelebte Praxis. Das ist
historisch schwierig, denn diese gelebte
Praxis, die jüdische kulturelle Existenz in
Europa, existiert trotz der physischen
Anwesenheit von Juden in Europa nicht
mehr...
Natan Sznaider:
Gedächtnisraum Europa
Die
Visionen des europäischen Kosmopolitismus.
Transcript Verlag, Bielefeld 2008.
|