Egon Erwin Kisch:
Der rasende Reporter Am 31. März 1948, starb in Prag eine der schillerndsten
Persönlichkeiten aus der Welt des Journalismus: Egon Erwin Kisch.
In der
Zeit des Kalten Krieges wurde der 1885 in Prag geborene im Westen weitgehend totgeschwiegen.
Im Osten wurde der Schöpfer und Meister der literarischen Reportage
stets hoch gelobt.
Kisch unternahm zahlreiche
Reisen durch Europa, Nordafrika, die USA, die damalige UdSSR und China, bei
denen jene Reportagen entstanden, die ihn berühmt machen sollten. Sie sind
exakte Milieuschilderungen, die Sprache und Zeitkolorit in die
Berichterstattung einbeziehen. Seine unstete Lebensweise ließ den Buchtitel
"Der rasende Reporter" zum Synonym für den Autor werden. Doch Kisch war
alles andere als ein Kaffeehausliterat oder Sensationsreporter. Vielmehr
suchte er in seinen Reportagen politische und ökonomische Prozesse mit den
dahinter stehenden Schicksalen in ihrer historischen Bedingtheit literarisch
zu gestalten.
Mit seiner Arbeit in der Zwischenkriegszeit und später
auch im Exil war Kisch vom deutschen Sprachraum ausgehend in der ganzen Welt
ein Multiplikator und Vernetzer der linksbürgerlichen Intelligenz. Seine
vielfältigen literarischen und politischen Aktivitäten lassen sich nur durch
das Streben erklären, Gegensätze zu vereinen: Als Schriftsteller deutscher
Sprache legte er Wert auf seine tschechoslowakische Staatsangehörigkeit;
gegenüber bürgerlichen Freunden war er ein linientreuer Kommunist, den
kommunistischen Genossen ein kritischer Querdenker; das orthodoxe Judentum
lehnte er ab, doch die Schoah weckte in ihm Sympathien für den Zionismus.
Kisch wollte alles zugleich sein: Kommunist, Bürgerlicher,
Jude, Tscheche, Deutscher, Internationalist, Weltbürger. Ein Österreicher
war Kisch gewesen, nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie 1918 wollte er
es nicht mehr sein dennoch hat er sich unabänderlich in die Historie dieses
Landes eingeschrieben: im Mai 1913 bei der Aufdeckung der Spionage-Affäre um
Oberst Redl und im November 1918 als Rotgardist bei der Gründung der
Republik. Zu beiden Ereignissen sind zahllose Legenden im Umlauf, seine
Reportagen zum Fall Redl sind Ausgangspunkt für mehrere Verfilmungen des
Stoffs geworden.
1921 ließ er sich in Berlin nieder, wo er bis 1933 seinen
Hauptwohnsitz hatte. Am Morgen nach dem Reichstagsbrand (28. Februar 1933)
wurde er in Berlin verhaftet und nach Prag abgeschoben, seine Bücher wurden
von den Nazis öffentlich verbrannt. Die ersten Jahre des Exils verbrachte er
in Prag, Paris und den Beneluxstaaten, unterbrochen von politischem
Aktivismus in England, Australien und im Spanien des Bürgerkriegs (1937/38).
1940 konnte er über New York nach Mexiko entkommen. 1946 kehrte er nach Prag
zurück, wo er bis zu seinem Tod lebte.
- Jugend in Prag 1. Weltkrieg
- Weimarer Republik
- Exil:
Paris Australien Spanien USA
- Exil in Mexiko
- Heimkehr Tod 1948
- Tabelle zur Biographie
Durch die Öffnung der Grenzen nach Osteuropa konnte das
Jüdische Museum
Wien zur
50. Jahrzeit zahlreiche Exponate aus dem Prager Nachlass Egon Erwin Kischs
erstmalig zeigen. |