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Das Gefühl der Sicherheit verloren:
Deutschland verlassen!

Von Dr. Eli Lasch
Teil 2 aus dem Ersten Kapitel: "
Der Flüchtling"

Wir befinden uns im Jahre 1935. Meine Eltern wurden immer verunsicherter. Obwohl sie versuchten, uns ihre Besorgnis so gut es ging zu verheimlichen, wurde sie doch immer spürbarer.

Sie bereiteten ihre Auswanderung vor, das Verlassen all dessen, was ihnen Sinn im Leben gegeben hatte, des Landes, das sie noch bis vor Kurzem als ihre Heimat angesehen hatten. Sie, die sich nie als Juden gefühlt hatten, die sich sogar aktiv geweigert hatten als solche zu gelten, wurden wieder vom jüdischen Schicksal überrollt. Wie ihre Vorväter mussten auch sie wieder den Wanderstab ergreifen. Wieder wurden sie verjagt.

Aber sie konnten sich noch glücklich schätzen, denn sie hatten früh genug das Kommende erkannt und ihre Auswanderung gut vorbereitet. Schon einige Jahre zuvor hatte mein Vater seinen Arbeitsplatz bei der Bank, die von seinem Vater gegründet worden war, aufgegeben, um in eine englische Firma einzutreten, die vorhatte eine Fabrik in Palästina aufzubauen und deshalb geeignete Fachleute suchte, die bereit waren dorthin zu übersiedeln. So hatte er keine Schwierigkeiten ein Zertifikat (wie man damals die Einreiseerlaubnisse nannte) nach Palästina zu bekommen und brauchte auch nicht auf die Suche nach einer ihm angemessenen Arbeit zu gehen. Im Gegensatz zu vielen anderen, die Arzt- und Rechtsanwaltspraxen zurückgelassen hatten, und sich in Palästina ihr tägliches Brot als Hausierer und Autobuschauffeure erwerben mussten, wurde er einfach von seiner Firma versetzt, und bekam noch dazu eine Beförderung und ein dementsprechend höheres Gehalt.

Diesen Teil des Flüchtlingsschicksals hatte er sich zumindest erspart. Nur sein Vermögen ging ihm verloren und ich glaube auch ein großer Teil seiner Selbstsicherheit und Zugehörigkeit. Was er hingegen nicht verloren hatte, war seine Identität. Er fühlte sich auch weiterhin als ein Deutscher, der aus Gründen, die er weder verstehen noch akzeptieren konnte, von seiner Heimat verstoßen wurde und sie verlassen musste, um nicht, wie die Zurückgebliebenen, die nicht die "Schrift an der Wand" erkannt hatten, vernichtet zu werden. Zu diesen gehörten auch viele seiner Verwandten und Freunde.

Für den Großteil der Juden war Palästina, das gelobte und versprochene "Land Israel", die "Ewige Heimat" und die zionistische Bewegung deshalb das Heimkehrwerk. Das "verstand" zwar mein Vater und war sogar bereit, wenn nötig, sein neues Land zu verteidigen. Aber im Gegensatz zu meiner Mutter, die ja schon seit langem Zionistin war, sagte ihm das alles gefühlsmäßig sehr wenig, denn er hat sich nie als Jude empfunden, und sich deshalb auch in Deutschland nie als ein Heimatloser oder als ein "geduldeter Außenseiter" gefühlt.

Ein deutsches Heim in der Fremde

Im Gegensatz zu den früheren Einwanderern aus Osteuropa oder den arabischen Ländern, fühlte er sich in Palästina nicht in der Heimat sondern in der Verbannung und baute sich dort ein "deutsches Heim in der Fremde" auf. In vielen Hinsichten benahm er sich weder wie ein Flüchtling noch wie ein Einwanderer, sondern wie jemand, der sich entschlossen hatte, eine Arbeit in "den Kolonien" anzunehmen. War er nicht der Direktor einer Firma, die der englischen Kolonialmacht gehörte? Und so kleidete und benahm er sich wie ein Engländer und fühlte sich sehr mit seinen arabischen Untergebenen verbunden, denn diese behandelten ihn als den weißen "Sahib" und nicht als einen verbannten Flüchtling.

Mit den früheren Einwanderern, die nicht als Flüchtlinge sondern aus ideologischen Gründen nach Palästina gekommen waren, wollte er so wenig wie möglich zu tun haben, denn diese verkörperten für ihn die Wirklichkeit, die er weder annehmen wollte noch konnte. Deshalb war und blieb unser Haus in Palästina ein typisches deutsches Bürgerhaus, in dem nur Deutsch gesprochen wurde und im dem nur Deutsch und Englisch gelesen wurde, und deshalb hatte auch mein Vater bis zu seinem Lebensende nie Hebräisch gelernt. Auch der ganze Freundeskreis meiner Eltern bestand aus vertriebenen deutschen Juden, und als im Jahre 1936 das philharmonische Orchester in Palästina gegründet wurde, waren die deutschen Juden die ersten, und für eine lange Zeit auch die einzigen, Abonnenten.

Die Einwanderer aus den anderen Ländern, die zumeist aus Ost Europa und besonders aus Russland und Polen gekommen waren, interessierte das alles nicht: Sie lebten in dem Mythos der Landarbeit, ihre Devise war: Weg vom Geist und vom Intellekt und zurück zur Erde, und ihre Helden waren die neuen jüdischen Landwirte und die Arbeiter, die neue Straßen und Wege anlegten. Während meine Eltern mit ihren Freunden über Hegel und Schopenhauer sprachen, waren ihre Vorbilder die so genannten "Schomrim", die Wächter der Felder und Siedlungen - die ersten Juden, die seit der Zerstörung Jerusalems vor 2000 Jahren Waffen zur Selbstverteidigung und nicht im Dienste anderer ergriffen hatten. Diese, die Vorläufer der israelischen Armee, versuchten ihrerseits die Beduinen, die wahren und freien Herrscher der Wüste (die Palästina damals war), nachzuahmen, und bemühten sich, ihnen so ähnlich wie möglich zu werden. Westliche Musik und westliche Manieren wurden von ihnen als dekadent angesehen und verlacht. Da diese die Erstankömmlinge waren, prägten sie für lange Jahre die Identität des "Jischuw", der damalige Name des neu entstandenen jüdischen Gemeinwesens in Palästina. Und so sprach man Hebräisch, sang sehr gemütvolle russische Lieder, tanzte den rumänischen Volkstanz Hora oder die arabische Debka bis spät in die Nacht hinein, und wenn man müde war, setzte man sich um ein Lagerfeuer und trank bitteren "beduinischen" Kaffee.

Da meine Eltern und ihre Freunde sich ja so und so weiterhin als verbannte Deutsche fühlten, machten sie auch keinerlei Versuche sich diesem Lebensstil anzupassen, und so waren und blieben sie in dem Land, das ihre neue Heimat werden sollte, Fremde in einem fremden Land. Ein Land, das von den von ihnen "verachteten Ostjuden" geprägt und beherrscht wurde, und in dem ihr Verhalten und die Kultur, auf die sie so stolz waren, verlacht und verspottet wurde. Langsam verwandelten sie sich genau in das, was sie bei ihren Vorvätern verspottet hatten: in Juden die einem Land nachtrauerten, das sich nur noch in ihrer Erinnerung befand. Ein ideales Land, das mit jedem Jahr das verging schöner wurde, und sich immer mehr von der Realität entfernte: Das gelobte und verlorene Land - Deutschland. Und wir Kinder befanden uns in der Mitte, zwischen zwei Welten...

>> Fortsetzung...

In Eli Laschs neuesten Buch (wir berichteten) erfahren wir viel über Leben und Stimmung in Deutschland, während der letzten Jahre vor der Schoah, als auch über die Atmosphäre in der Einwanderer aus Deutschland, kurz vor der Gründung des Staates Israel, lebten. Wir bringen in lockerer Folge Ausschnitte aus dem Buch: "Das Wunder von Gaza - Vom Flüchtling zum Arzt der Flüchtlinge".

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hagalil.com 02-08-2007

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