Radarkontrolle statt Nazijagd:
Polizei mobbt Beamte im Kampf gegen Rechts
Schon vor drei Wochen
berichteten Sonia Mayr und Dietmar
Schiffermüller
von drei Polizisten, die eigentlich nur gegen die rechte Gewalt kämpfen
wollen. Dabei waren sie sehr erfolgreich. Vielleicht zu erfolgreich -- und
wurden abgesetzt.
In der vergangen Woche berichtete Panorama
erneut aus dem Innenministerium Sachsen Anhalt. Die drei Polizisten wollen
zurück auf ihre Posten, wollen wieder Nazis jagen.
(Sie können den Bericht
auch als
Video anschauen)
Die Lage bringt der CDU-Landtagsabgeordnete
Herbert Hartung auf den Punkt: "Das ist für mich ein einfaches Desaster, was
hier jetzt geschehen ist. Die Beamten sind frustriert, sie sind selbst
erschüttert, und nervlich, glaube ich, fast am Ende."
Dessau, Polizeipräsidium. Hier beginnt vor
fünf Monaten eine Behördenposse, die sich zu einem regelrechten
Polizeiskandal auswächst.
Anfang Februar, Rapport in der Behördenleitung. Es geht um die
Kriminal-Statistik. Die Beamten waren erfolgreich im Kampf gegen Rechts. In
Sachsen-Anhalt gibt es die Kampagne "HINGUCKEN"
– sie nehmen sie wörtlich. Decken hunderte Straftaten im rechten Milieu auf.
Doch dem Polizei-Vize passt das offenbar nicht. "Das Ansehen unseres
Landes könnte nachhaltig geschädigt werden." Die Polizisten sind
irritiert, schreiben das Gespräch auf. Das wird ihnen zum Verhängnis.
Vertrauensbruch. Dabei dokumentieren sie
Ungeheuerliches. Polizei-Vize Glombitza legt nach.
"Als persönliche Einschätzung merkte Herr Glombitza an, dass man ‚ nicht
alles sehen müsse’."
O-Ton Herbert Hartung,
CDU-Landtagsabgeordneter: "Das ist für mich wirklich skandalös. Dass man so
was..., wir machen zuerst Hingucken, diese große Aktion, und jetzt wird
gesagt Wegschauen, das ist mehr als skandalös für mich. Das kann man einfach
nicht akzeptieren, so was."
Und so sieht so was aus. Der Polizei-Vize
bleibt in Amt und Würden, wird nur gerügt. Ein Interview verweigert man uns.
Alles sei ein Missverständnis, heißt es. Obwohl Innenminister Hövelmann im
wesentlichen die Zitate bestätigt. Nur: beamtenrechtlich sei der Vorgang in
Ordnung.
O-Ton Holger Hövelmann, SPD, Innenminister
Sachsen-Anhalt: "Für mich ergibt sich aus dem mir vorliegenden Bericht ganz
klar, dass die Vorwürfe, die gegen Herrn Glombitza erhoben worden sind,
keinesfalls ein Dienstvergehen darstellen."
Abgestraft werden nur die Polizisten. Er war
früher der Spürhund für rechte Straftaten. Doch jetzt muss er Radarfallen
aufstellen. Er war früher Experte für die Neonazi-Szene. Jetzt muss er sich
in der Provinz um Ruhestörer kümmern. Er war früher Chef der Dessauer
Nazijäger. Heute koordiniert er auf dem platten Land Streifenwagen.
PANORAMA vor drei Wochen.
Nachfragen bei den Polizisten. Ihren Frust können sie kaum verbergen.
PANORAMA: "Sie dürfen jetzt nicht mehr Leiter
des Staatsschutzes sein, was sagen Sie dazu?"
O-Ton Sven Gratzik, Panorama, 14.6.2007: "Ich
bin enttäuscht, diese Arbeit hat mir sehr viel Spaß gemacht."
PANORAMA : "Jetzt dürfen Sie keine
Straftaten, rechte Straftaten mehr aufklären. Was denken Sie darüber?"
O-Ton Christian Kappert, Panorama, 14.6.2007:
"Es macht mich traurig."
Nach der Sendung bitten wir den Innenminister
erneut um ein Interview. Treffen ihn auf einem Festival. Der öffentliche
Druck ist da, und Hövelmann verspricht eine gütliche Einigung.
O-Ton Holger Hövelmann, SPD, Innenminister
Sachsen-Anhalt:
"Wir werden mit den drei Beamten durch
Personalgespräche gemeinsam auf die Suche gehen, eine vernünftige berufliche
Perspektive zu vereinbaren. Und wenn es im polizeilichen Staatsschutz sein
kann, dann kann das auch eine Entscheidung sein."
PANORAMA: "Also eine Rückkehr eventuell zum
Kampf gegen Rechts?"
O-Ton Holger Hövelmann, SPD, Innenminister
Sachsen-Anhalt: "Das kann ich nicht ausschließen, natürlich."
Gestern Nachmittag im Innenministerium. Was
bleibt also von dem Versprechen? Die Antwort ist bitter: Nichts Greifbares.
Es bleibt alles beim Alten. Die Polizisten dürfen nicht zurück in den
Staatsschutz. Die Beamten sind verbittert. Und wehrlos. Mit PANORAMA sollen
sie nie wieder reden. Rein vorsorglich erhalten sie einen Brief. Die
Polizeidirektion meldet sich: "Ich untersage Ihnen
ab sofort, sich gegenüber den Medien hinsichtlich der sogenannten Dessauer
Polizeiaffäre zu äußern."
Und so kümmert sich am Ende nur noch einer um
sie: Ausgerechnet ein CDU-Mann, Mitglied der Großen Koalition in Magdeburg.
Er ist nur noch empört.
O-Ton Herbert Hartung,
CDU-Landtagsabegordneter: "Ich sehe es so, dass jetzt die Kleinen
geschlachtet werden sollen, und die anderen lässt man laufen. Und dass kann
nicht sein, das kann einfach nicht sein."
Dietmar Schiffermüller, PANORAMA Nr. 684
vom 05.07.2007 |