antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

 

Leugnen, (Spuren) verwischen und (Völkermord) vertuschen:
Frankreich und Ruanda

Von Bernard Schmid, Paris

Zweifel wachsen

Offenkundig wird also, dass die Aussagen von angeblichen Augen- oder eher Ohrenzeugen, über die der Richter Bruguière verfügt, eher die Qualität von Denunzierungen abservierter ehemaliger RPF-Funktionäre -- also von Racheakten -- haben denn wirklichen Zeugniswert besitzen.

Auch in der französischen Medienlandschaft wuchsen in den letzten 14 Tagen die Zweifel an der staatsoffiziellen Version der Ereignisse von 1994 ganz erheblich. Hatte die Pariser Abendzeitung 'Le Monde' (durch die Feder ihres angeblichen Afrikaspezialisten Stephen Smith, der sich wiederholt zum Sprachrohr offenkundiger Staatsinteressen machte) noch im März/April 2004, zum zehnten Jahrestag des Beginns des Genozids, die französische Rolle in Ruanda verteidigt, so überwiegt jetzt allmählich die Skepsis. Noch in ihrer Ausgabe vom 22. November dieses Jahres, die in Paris am Abend des 21. November erhältlich war, also am Tag nach Bekanntwerden des Untersuchungsberichts von Jean-Louis Bruguière erschien, war ein (nicht namentlich gekennzeichneter) Leitartikel zum Thema mit den Worten "Ein heilsamer Prozess" überschrieben. Darin wird noch eine abwägende Haltung, eine unentschiedene Position eingenommen. Einerseits wird die Tatsache begrüßt, dass der französische Richter nunmehr auch die Verantwortlichkeiten der aktuellen ruandischen Staatsführung um Paul Kagamé (am Attentat vom 6. April 1994) zur Sprache bringe. Auf der anderen Seiten werden Versuche klar abgewehrt, daraus einen Erklärungsversuch für die Auslösung des Völkermords zu basteln, was als Geschichtsrevisionismus bezeichnet wird. Aber in der Ausgabe vom 28. November überwiegt in den Berichten des, derzeit in Nairobi ansässigen, Ostafrika-Korrespondeten der Zeitung bereits die scharfe Kritik an den Positionen Bruguières.

Ähnlich neigt sich die Waagschale bei der Pariser Tageszeitung 'Libération': Diese veröffentlicht zunächst auch eher abwägende Artikel, doch unter dem Strich überwiegt dann doch klar die Skepsis und Kritik gegenüber der Arbeit des Untersuchungsrichters. Der Journalist Christophe Ayad schreibt dazu etwa am 23. November: "Der Richter Bruguière wischt die Tatsache unter den Tisch, dass der Genozid (von 1994) seit Jahren vorbereitet worden war." Die Zeitung weist in einem anderen Artikel auch darauf hin, dass der Untersuchungsrichter Bruguière nie von einer anderen Arbeitshypothese ausgegangen sei als von jener, wonach es die Schuld der RPF am Flugzeugabschuss vom 6. April 1994 festzustellen gelte: "Er hat nicht die Hypothesen untersucht, wonach Hutu-Extremisten oder auch ausländische Söldner (das Flugzeug beschossen haben), und sei es nur, um sie widerzulegen."

Die Untersuchung des Richters Bruguière geht übrigens auf die Klage zu Tode gekommener französischer Militärs aus dem Jahr 1998 zurück. Aber zu ihnen gesellte sich im Jahr 2000 noch die Präsidentenwitwe Agathe Habyarimana als weitere Nebenklägerin hinzu. Die ehemalige Präsidentengattin, die zu Zeiten ihres Wirkens in Ruanda eine wichtige Stütze der rassistischen "Hutu Power"-Bewegung war, lebt heute in Frankreich und ist eines der Hauptsprachrohre der Lobby des ruandischen Geschichtsrevisionismus.

Noch schärfer positioniert sich, in ihrer Ausgabe vom 29. November, die linksliberale Wochenzeitung 'Charlie Hebdo', die früher einmal linksradikal war, aber durchaus nicht allgemein die französische oder westliche Außenpolitik ablehnt (ihre Redaktion unterstützte etwa den Kosovo-Krieg 1999). Noch im Frühjahr 2004 waren auch ihre Positionen zu Ruanda eher halbherzig gewesen. Auch sie nimmt jetzt eine klarere, schärfere, kritischere Position ein. Nunmehr beschuldigt die Wochenzeitung in Wort und Bild – also im o.g. Interview mit dem Historiker Marcel Kabanda, wie auch in der Karikatur ihres eigenes Zeichners -, den prominenten Richter und seine Hintermänner des Geschichtsrevisionismus und der Leugnung eines Völkermords.

In den Spalten des konservativen 'Figaro', und dies ist ungewöhnlich, kommt zum Thema ohnehin einer der schärfsten Kritiker der französischen Ruanda-Politik. Dafür gibt es einen konkreten Grund: Ihr Korrespondent Patrick de Saint-Exupéry (der den Bericht von Untersuchungsrichter Bruguière etwa in der Ausgabe vom 25. November 2006 gnadenlos demontiert) war 1994 vor Ort und hat den Völkermord, aber auch das Eingreifen der französischen Armee selbst miterlebt. Seitdem geht er ohne jede falsche Rücksichtnahme mit der offiziellen Politik ins Gericht, gehe es um jene des damaligen "sozialistischen" Präsidenten François Mitterrand oder der damaligen konservativen Regierung unter Edouard Balladur. Beide großen Parteien waren damals also an den Entscheidungen beteiligt, und haben deshalb ein Interesse an der Vertuschung der damaligen Vorgänge. Ach ja : Regierungssprecher war übrigens damals (1994) niemand anders als ein gewisser Nicolas Sarkozy...

Die Leugner-Lobby

Das bedeutet nun leider nicht, dass es in Frankreich keine Lobby für den Geschichtsrevisionismus in Sachen Ruanda gebe. Zu den widerlichsten Organen in dieser Hinsicht gehört das (links)nationalistische Wochenmagazin 'Marianne', das – im Bestreben, die französische Rolle schön zu reden – bis heute von "gegenseitigen Massakern von Tutsi und Hutu" spricht. Wunderschön: So gibt es, und das ist praktisch, keine Opfer und keine Täter mehr (sondern nur Opfer und nur Täter auf allen Seiten). Eine Position, die man unter der Bezeichnung "doppelter Genozid" bis vor nicht so langer Zeit auch in anderen französischen Medien zu finden war, etwa – ein bisschen verklausuliert formuliert – noch in jüngerer Vergangenheit in den Artikeln von Stephen Smith in 'Le Monde'. Diese Position befindet sich aber unverkennbar im Rückzug, ihre Vertreter scheinen in die Defensive gedrängt worden zu sein.

Auf die vielleicht aggressivste und ekelhafteste Art und Weise vertritt die These, wonach sich Frankreich 1994 in Ruanda nichts oder jedenfalls nichts Wesentliches habe zu schulden kommen lassen, der Schriftsteller Pierre Péan. Es handelt sich um einen alternden Verehrer von François Mitterrand, der dem Charme und der falschen Faszination des früheren "sozialistischen" Monarchen dereinst bei der Arbeit an seinem Buch über "Eine französische Jugend" (Une jeunesse française) erlegen zu sein scheint. In diesem Buch schilderte Péan vor rund 15 Jahren die rechtsextremen Aktivitäten, an denen Mitterrand in seinen Jugendjahren in den 1930er Jahren teilgenommen hat. Statt kritikfähig gegenüber der Figur François Mitterrands zu werden, ist Péan jedoch (zumindest nachträglich) einer historischen Faszination auf den Leim geganen. Wie eine Furie verteidigt heute der Schriftsteller Péan die Rolle Frankreichs und Mitterrands in Ruanda 1994. Der Völkermord ? Wenn es überhaupt einen gab (und nicht nur gegenseitige Angriffe), dann wurde er durch den Flugzeugabschuss vom 6. April 1994 ausgelöst, Pierre Péan zufolge. Den Flugzeugabschuss wiederum hat ihm zufolge die RPF verschuldet. Diese hat es aber dank einer willfährigen Lobby auch unter –- zu Unrecht an Schuldgefühlen und von einem Kolonialismus-Schuldkomplex geplagten--Weißen geschafft, ein beträchtliches Gehör für ihre Lügen in diesem Zusammenhang zu finden.

Und an dieser Stelle werden die Ausführungen von Pierre Péan in seinem 2005 erschienene Buch "Noires fureurs, blancs menteurs" ("Schwarzer Furor und weibe Lügner", wobei der Furor jener der damaligen Tutsi-Rebellen ist und die Lügner ihre angeblichen Unterstützer, die gutgläubig ihren Lügenmärchen Glauben schenkten) schlichtweg ekelhaft. Denn um zu beschreiben, wie das ganze Lügenkartell seiner Auffassung nach funktioniert -– irgendwie muss er es ja erklären, dass die Lügen im Zusammenhang mit dem Genozid seiner Auffassung nach solch gigantische Verbreitung gefunden haben –- greift Péan unverhohlen zu Rassentheorien. Er bezeichnet die Tutsi als eine "Rasse" und schreibt unter anderem, bei ihr existiere seit langem eine "Kultur der Lüge" (culture du mensonge). Auberdem schaffe es diese Tutsi-Rasse und die von ihr geformte Lobby, ihre "schöne Frauen " (von denen anscheinend eine gefährliche Faszination ausgeht) "in den geeigneten Betten zu platzieren", um auch Europäer dazu zu bringen, an ihre Lügen zu glauben. Eine namentlich genannte Augenzeugin des Völkermords in Ruanda, die dort einen Teil ihrer Familie verloren hat, beschuldigt Péan wörtlich, "leicht auf die Tränendrüse zu drücken". Ansondern sucht er bei Franzosen oder Europäern, die kritisch über Ruanda berichtet haben, akribisch nach, wer etwa "mit einer Tutsi verheiratet" sei. (Vgl. dazu eine fundierte Kritik hier : http://lmsi.net/article.php3?id_article=604 , und hier : http://www.billetsdafrique.info/Noires-fureurs-blancs-menteurs.html )

Als das Buch von Pierre Péan im vorigen Jahr vorgestellt wurde, verlautbarte aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen, dass man "in der Umgebung von Premierminister Dominique de Villepin" die Dinge ähnlich betrachte wie Pierre Péan sie sieht. (Vgl. dazu die angegebenen Quellen.) Dazu übergibt sich nun jeder weitere Kommentar.

Im Falle Ruandas und der französischen Rolle beim Völkermord dort sind es nicht mal die klassischen Rechtsextremen, die bislang die übelste Rolle gespielt haben. Der größte Teil der politisch aktiven Rechtsextremen (abgesehen natürlich von denen, die selbst Soldaten sind und in Ruanda eingesetzt waren) dürfte keine Ahnung von Ruanda haben und interessiert sich wohl auch nicht sonderlich dafür. Der traditionelle "Afrikaexperte" der extremen Rechten, der Geschichtsprofessor an der Universität Lyon-3 Bergand Lugan, hätte zwar durchaus das moralische Kaliber, um auch diesen Völkermord zu leugnen (nachdem er in der Vergangenheit Universitätskollegen an Lyon-3 unterstützt hat, die tatsächliche Auschwitz-Leugner oder –Relativierer waren). Und seine Vision der Vorgänge in Afrika ist natürlich fast ausschließlich von Rassentheoremen geprägt.

Nur unterscheidet sich seine Parteinahme dabei von der bisherigen Positionierung des offiziellen Frankreich in den (ideologisch ethnisierten) Konflikten, die in Ruanda und seinen Nachbarländern seit Ende der 1950er Jahre aufgebrochen sind: Bernard Lugan ist dagegen, dass die französische und belgische Politik damals die Fronten gewechselt hat, um sich statt auf die Seite der "geborenen Aristokraten" (Tutsi) nunmehr auf die Seite der "dunkleren", bäuerlichen Mehrheitsbevölkerung (der Hutu) zu schlagen. Seiner Auffassung, die er in Büchern dargelegt hat, zufolge hätte man vielmehr damit fortfahren sollen, das "aristrokratische Element" in Gestalt der Tutsi als Bündnispartner zu betrachten. Insofern kommt er in der Praxis zu völlig anderen Schlussfolgerungen als jene Realpolitiker, die – um ihre Einflussnahme nach der Unabhängigkeit dieser Länder aufrecht zu erhalten -- rassistische Hutu-Bewegungen in Ruanda als Verbündete betrachtet haben.

Allerdings ist derselbe Bernard Lugan, der Ruanda aus eigener Anschauung kennt (er hat von 1972 bis 1983 an der dortigen Nationaluniversität unterrichtet), seit November 2003 zum Experten der Verteidigung am Internationalen Gerichtshof für Ruanda im tanzanischen Arusha ernannt worden. Er verteidigt dort mittels seiner Gutachten den ehemaligen ruandischen Finanzminister Emmanuel Ndindabahizi, der der Beteiligung am Völkermord und an Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt ist. Und so findet vielleicht doch zusammen, was zusammen gehört...

>> Weiter

>> Zurück

hagalil.com 06-12-2006

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved