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Leugnen, (Spuren) verwischen und (Völkermord) vertuschen:
Frankreich und Ruanda

Von Bernard Schmid, Paris

Der Untersuchungsauftrag des Richters Bruguière

Jean-Louis Bruguière amtiert seit 1984 in Paris als Untersuchungsrichter, der auf Terrorismusdelikte spezialisiert ist. In der Vergangenheit ermittelte er beispielsweise gegen Libyen und den Iran. Damit bekleidet er natürlich einen politisch hochsensiblen Posten. Darüber hinaus hat der Richter nun offen seine Absicht bekundet, im Juni kommenden Jahres bei den Parlamentswahlen als Kandidat der konservativen UMP (der von Innenminister und Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy angeführten Regierungspartei) anzutreten. Die Pariser Abendzeitung 'Le Monde' widmet diesen Kandidatur-Absichten Bruguières, die sich um den Wahlkreis von Villeneuve-sur-Lot (Südwestfrankreich) ranken, in ihrer Ausgabe vom 6. Dezember immerhin ihre volle Seite Drei. Dort erfährt man auch, dass im Gespräch ist, dass Bruguière Minister werden könnte, falls Nicolas Sarkozy im April/Mai 2007 die französische Präsidentschaftswahl gewinnt. Spätestens damit wird die politische Dimension der Persönlichkeit Jean-Louis Bruguière unverkennbar.

Im Zusammenhang mit Ruanda war der Untersuchungsrichter Bruguière seit 1998 mit einem Verfahren betraut, das nicht Opfer des ruandischen Genozids angestrengt hatten. Sondern die Angehörigen von Franzosen, die kurz vor Ausbruch des Völkermords in dem ostafrikanischen Land getötet worden waren, und zwar an der Seite des damaligen Präsidenten Juvénal Habyarimana. Konkret handelte es sich um die (aus Frankreich kommende) Besatzung des Präsidentenflugzeugs von Habyarimana und um französische Militärs, die sich mit an Bord befanden. Dieses Präsidentenflugzeug wurde am Abend des 6. April 1994 kurz vor 20.30 Uhr abgeschossen : Während es sich im Landeanflug auf Kigali befand, wurde es von zwei Boden-Luft-Raketen getroffen. Die erste beschädigte einen Flügel der Präsidentenmaschine, und die zweite verwandelte es in einen Feuerball, dessen Trümmer in den Garten des Präsidentenpalasts fielen. Es gab keinen Überlebenden an Bord der Falcon 50. Abgefeuert worden waren die beiden Flugkörper von dem Hügel Masaka, der in der Nachbarschaft des Flughafens von Kigali liegt.

Startschuss zum Völkermord

Ungeklärt ist, wer genau die Boden-Luft-Raketen abgefeuert hat. Nicht ernsthaft umstritten dagegen ist, dass ihr Treffer den Startschuss zum Völkermord gab, der ab dem folgenden Morgen losbrach. In Kigali wurde damit begonnen, Straßensperren einzurichten, an denen Tutsi unter den Vorbeikommenden ausgesondert und auf den Seiten massakriert wurden. Getötet wurde in der Regel mittels Hieben, die mit einer Machete verabreicht wurden. Die Identifizierung der Tutsi wurde dadurch erleichtert, dass die "ethnische" Zugehörigkeit – zu den Tutsi (circa 15 Prozent der Bevölkerung), den Hutu (84 Prozent) oder zu der nur 1 Prozent ausmachenden Bevölkerungsgruppe der Twas - auf den Personalausweisen aufgedruckt war. Es dauerte damals eine Woche nach dem Abschuss von Präsident Habyarimana, bis eine funktionstüchtige Übergangsregierung auf die Beine gestellt worden war. Aber es brauchte nur wenige Stunden, um eine erschreckend effiziente, und im Folgenden über Monate hinweg unermüdlich funktionierende, Mordmaschinerie in Gang zu setzen. Stunden nach dem Absturz des Präsidentenflugzeugs fingen die Präsidialgarde, die Milizen der Hutu-Extremisten (Interahamwe genannt), bald auch mit Unterstützung durch die zivilen Verwaltungsorgane, und schließlich auch "gewöhnliche" Hutu aus der Bevölkerung, ihre "ethnischen Feinde" zu massakrieren an.

Der Versuch, die Gesamtheit der Tutsi-Minderheit auszulöschen, war kein spontaner Einfall oder eine Idee, die plötzlich – ähnlich wie der Präsidentenflieger – vom Himmel gefallen wäre. Vielmehr war er über Jahre hinweg vorbereitet worden. Dabei hatten die "Hasssender" wie das berüchtigte 'Radio-télévision libre des mille collines' (RTLM, "Freies Radio und Fernsehen der tausend Hügel", unter Anspielung auf die topographische Beschaffenheit Ruandas) eine wichtige Rolle bei der Mobilmachung gespielt. Ihre Einpeitschtiraden, in denen die Tutsi in kaum  verhüllter Form mit Ungeziefer, das zu eliminieren sei, verglichen wurden, hatten sie über Monate hinweg kontinuierlich verbreitet : RTLM ging im Juli 1993 auf Sendung. Und selbst das technische Gerät für den Völkermord war längere Zeit vorher planmäßig bereit gestellt worden. Der Gebrauch von Macheten war in Ruanda damals in der Landwirtschaft üblich, aber die scharfen Werkzeuge waren nicht in so großer Anzahl vorhanden, wie sie später für den Völkermord "benötigt" wurden. Im Sommer 1993, also drei Vierteljahre vor dessen Beginn, erging eine Großbestellung über Millionen Macheten von Ruanda an die Volksrepublik China. Ein Faksimile des damaligen Lieferauftrags war im vorigen Jahr in einer kritischen Ausstellung über die französische Ruandapolitik, in der Nähe von Paris, zu sehen. Kurz: Das, was ab dem 7. April 1994 passierte, war offenkundig zuvor von längerer Hand vorbereitet worden.

Wer schoss das Präsidentenflugzeug ab ?

Aber wer genau das Präsidentenflugzeug vom Abendhimmel über Kigali geschossen hat, bleibt dennoch umstritten. Dazu gibt es zwei widerstreitende Thesen. Die eine, die in der französischen kritischen Öffentlichkeit als höchst plausibel gilt, besagt, dass die Tötung von Präsident Juvénal Habyarimana aus den Reihen des eigenen Regimes heraus vorbereitet worden sei. Dafür spricht, dass den extremistischen Kräften innerhalb des damaligen Machtapparats durchaus daran gelegen war, sich zu jenem Zeitpunkt des amtierenden Staatschefs zu entledigen. Denn Junéval Habyarimana hatte im August 1993, unter internationalem Druck, das Abkommen von Arusha (in Tanzania) mit der Rebellenbewegung RPF geschlossen, das einen Friedensprozess für Ruanda vorsah. Er stand unter Druck, dieses Abkommen einzuhalten, während zugleich ein Wiederaufflammen des Krieges zwischen der von Tutsi begründeten Rebellenbewegung und dem Regime in Kigali – das bereits damals eine rassistische Propaganda unter der Hutu-Mehrheitsbevölkerung betrieb – konkret drohte.

Die rassistische, extremistische "Hutu Power"-Bewegung hatte innerhalb des Regimes bereits wichtige Positionen erobert, während sie sich zugleich auch auf bestimmte Flügel in frisch begründeten Oppositionsparteien stützen konnte. Und sie hatte mit der Formierung ihrer Milizen, innerhalb des Staatsapparats und auf eigenständiger Basis, längst begonnen. Jener Milizen, die zu den ausführenden Hauptorganen des Völkermords werden sollten. Dass es ihnen nun gelegen gekommen wäre, sich des zu sehr auf Mäßigung und das internationale Image bedachten Präsidenten zu entledigen, das klingt durchaus glaubhaft. Und dass sein Tod ihnen als Fanal, als symbolisch wichtiges Startsignal zum Losschlagen dienen sollte, ebenfalls.

Eine Gegenthese lautet unterdessen, dass auch die Rebellenbewegung der Rwandan Patriotic Front (RPF) den Präsidentenmord verübt haben könnte. Hätte sie doch ein Interesse daran gehabt, das gegnerische Lager gewissermaßen am Kopfe zu treffen, um ihren Vormarsch auf Kigali zu beschleunigen.

Was ist die RPF ?

Dazu muss man wissen, wer bzw. was die RPF ist. Die "Ruandische Patriotische Front" ist ein Zusammenschluss von aus Ruanda stammenden Tutsi, die von dort vertrieben worden waren oder aber im Ausland als Kinder von ruandischen Tutsi im (erzwungenen) Exil geboren worden waren. Denn Übergriffe auf die Tutsibevölkerung in Ruanda hatte es nicht erst im Jahr 1994 gegeben. Sie waren vielmehr durch einen langen Prozess der Ethnisierung gesellschaftlicher Verteilungskämpfe, den die einstige deutsche und später (ab 1918) belgische Kolonialherrschaft begonnen hatte, vorbereitet worden. Und ab 1959, noch vor der Unabhängigkeit, und erneut 1963 hatten bereits Massaker an mehreren Tausend Tutsi stattgefunden, die die Flucht weiterer Zehntausender Menschen zur Auswirkung hatte.

Der Hintergrund dafür ist folgender: Unter der deutschen Kolonialherrschaft (ab 1884), die infolge des Ersten Weltkriegs durch eine belgische abgelöst worden war, versuchten die Europäer, ihre damals allgemein verbreiteten Rassentheorien auch auf die ruandische Gesellschaft anzuwenden. Die zuvor hochkomplexe Gesellschaft des ehemaligen Königreichs Ruanda wurde künstlich in "Stämme" eingeteilt, die angeblich von einander abgeschottete "ethnische" Gemeinschaften bildeten – währen die betreffenden Gruppen in Wirklichkeit Sprachen und Sitten weitestgehend miteinander teilten und nur unterschiedliche soziale Differenzierungsformen kannten.

Im späten 19. Jahrhundert schleppten deutsche Rassenkundler die Theorie von der "hamitischen Rasse" nach Ruanda ein. Demnach gab es angeblich eine hochwüchsige, hellhäutigere, von Norden her eingewanderte Rasse von angeborenen Aristokraten (die "Hamiten", die aus dem Niltal stammen sollten) und eine klein gewachsene, unterwürfige, dümmliche und schwarzhäutige Rasse, die nur für eine bäuerliche Existenz gut war. Solche behaupteten "rassischen" Trennungslinien gab es zwar in der Realität nicht. Aber die Deutschen, deren Politik darin durch die Belgier quasi nahtlos fortgeführt wurde, wählten einfach jene, die ihnen dem "hamitischen" und aristokratischen Typus zu entsprechen schienen, für sämtliche Führungsfunktionen aus. Die Tatsache, dass diese Leute von ihnen mit Privilegien ausgestattet wurden, begründeten die europäischen Kolonisatoren auf diese Weise mit "rassischen" Merkmalen. Obwohl es ihnen im Kern darum ging, sich eine treue einheimische Elite heranzubilden, auf die sie sich verlassen könnten, schufen sie damit künstlich eine vermeintliche "Rasse", der in der einheimischen Gesellschaft alle Machtpositionen zukommen sollten. (In den 1930er Jahren war es zudem die belgische Kolonialherrschaft, die die Erwähnung der Zugehörigkeit zu einer "ethnischen" Gruppe auf den Personalausweisen der Ruander zur Pflicht erhob. Also jene "ethnische" Kennzeichnungspflicht, die 1994 so vielen Tutsi an den Straßensperren zum tödlichen Verhängnis werden sollte...)

In der Hutu-Mehrheitsbevölkerung bildeten sich daraufhin allmählich (in einem historischen Prozess) Gegenreaktionen heraus, die ebenso rassistisch geprägt waren und nur das spiegelverkehrte Abbild der von den Kolonialmächten propagierten Theorien darstellten. Negative Eigenschaften wie Machtgier oder der Drang, sich gesellschaftlichen Reichtum unter den Nagel zu reißen, wurden auf vermeintliche natürliche Eigenschaften der "Tutsi-Rasse" zurückgeführt. Was nun im Vorfeld der Unabhängigkeit passierte, war Folgendes: Die belgische Staatsmacht und die, in Ruanda ebenfalls (infolge der Kolonisierung) sehr mächtige und stark verankerte, katholische Kirche bereiteten einen folgenreichen Frontenwechsel vor. Nunmehr ließen sie die, von ihnen zuvor aufgepäppelte, Elite aus angeblichen "Tutsi" fallen. (Ein Begriff, der keiner historisch gewachsenen "Stammes-" oder "Volksgruppe" entspricht, sondern einer durch die Politik kreierten gesellschaftlichen Gruppe, die aber eine ethnisierte Darstellung erfuhr.) Um auch nach der historisch absehbaren Unabhängigkeit Ruandas ihre Einflussmöglichkeiten nicht zu verlieren, so das Kalkül der Belgier und der mit ihnen verbündeten anderen Europäer, sei es besser, nunmehr gute Beziehungen zu den politischen Kräften der Hutu-Mehrheitsbevölkerung aufzubauen. Ab diesem Zeitpunkt setzten die Belgier, die bald ihren Platz als dominierende Vormacht einnehmenden Franzosen und die katholische Kirche deshalb auf ein Bündnis mit rassistischen Hutu-Parteien. Die formale staatliche Unabhängigkeit erlangte Ruanda 1962, und letztere Parteien gaben zunächst den Ton an. Sie bezeichneten ihr Programm als "soziale Revolution", während es sich in Wirklichkeit nur um eine Diskriminierung auf "ethnischer" Basis handelte, die gegen alle Tutsi als solche gerichtet war. 1959 und nochmals 1963 kam es zu größeren Massakern an ihnen.

Aus den dabei vertriebenen Tutsi und ihren Nachkommen, die im benachbarten Uganda aufwuchsen, rekrutierte sich die Rebellenbewegung RPF. Diese wurde 1985 in Uganda gegründet und kann in ihrem Grundschema grob mit der frühen PLO verglichen werden. Es ging bei den Aktivitäten der RPF darum, mittels einer Dosierung aus politischen Verhandlungen und Einsatz militärischer Gewalt, die Rückkehr der früher vertriebenen Tutsi in ihr ursprüngliches Wohngebiet in Ruanda durchzusetzen. Vergleichbar mit der frühen PLO (oder ihrem linksnationalistischen Flügel) ist auch die marxistische Rhetorik, das die Rwandan Patriotic Front jedenfalls bis in die frühen 1990er Jahre hinein benutzte. Vergleichbar mit der frühen PLO, und ihrer Instrumentalisierung durch diverse arabische Staaten, ist ferner auch, dass das ugandische Regime unter Yoweri Museweni zwar den Kampf der RPF auf ruandischem Boden unterstützte, aber gleichzeitig (und entgegen anderslautender Versprechen) den in Uganda im Exil lebenden Ruandern (also Tutsi) keine Bürgerrechte in seinem Land gewährte. Ein wesentlicher Unterschied zum Konflikt zwischen Israel und der PLO hingegen, der schlicht auf unterschiedlichen geopolitischen Interessen der Großmächte basiert, lag und liegt darin, dass die USA im fraglichen Zeitraum (von 1985 bis 94) die RPF mehr und mehr unterstützten.

Letztere begann ihren bewaffneten Kampf gegen das Regime in Kigali am 1. Oktober 1990, von ugandischem Boden aus operierend. Aber schon nach zwei Tagen der militärischen Operationen, die anfänglich eher dilettantisch durchgeführt schienen, wurde ihr charismatischer Chef Fred Rwigema im Kampf getötet. Daraufhin wurde der RPF-Mitbegründer Paul Kagamé rasch eingeflogen, um den Kopf der Guerillabewegung zu übernehmen. Kagamé weilte damals gerade bei einem militärischen Ausbildungslehrgang an der Militärakademie in Kansas (USA) ; einen Teil seiner Ausbildung hatte er in Nordamerika genossen. Denn ein letztes Element ist noch wichtig, um den Konflikt zwischen dem ruandischen Regime und der RPF – in seiner internationalen geopolitischen Dimension – zu verstehen: Es handelte sich dabei immer auch um einen Stellvertreterkrieg zwischen Frankreich und den USA. Auf dem Spiel stand dabei das Neuabstecken der Einflusssphären dieser Großmächte auf dem afrikanischen Kontinent.

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hagalil.com 06-12-2006

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