Gabriela Hütter:
Sprache der Bomben?
Zehn Tage in Franzen, im ehemaligen Schulgebäude.
Zweiunddreißig junge Menschen aus vier verschiedenen Ländern.
Zweiunddreißig heranwachsende Persönlichkeiten. Pubertierend, unrund in sich
selber, neugierig, wissbegierig, quirlig, hungrig, unordentlich und
schnell!!!! Schnell im Denken, Schnell im Aufnehmen von Inhalten, schnell im
Umsetzen, schnell im Organisieren eines "Streiks": am fünften Tag stehen sie
geschlossen um fünf Uhr früh auf und verlassen das Schulgebäude.
Mein workshop beginnt um neun. Niemand da. Sehr witzig,
denke ich. Sie haben offenbar keine Lust, brav im Kreis zu sitzen und den
"inner sound" eines Kollegen zu erforschen. Die Minuten rinnen dahin, meine
Stimmung wird immer schlechter. So konsequent habe ich mir die Teenager
nicht vorgestellt! Was wollen sie mir mit dem Ausbleiben sagen? Ich
entdecke, dass ich zittere. Ich vermisse sie. Ich habe Angst, es könnte ein
Unglück passiert sein. Gleichzeitig entdecke ich Wut in mir.
Gegen zehn höre ich (endlich) ihre jungen Stimmen. Lachen, Singen, Kichern,
Schreien. Schreien!!!!!!
Sie erklären, dass sie als Gruppe geschlossen gegen die gestrige Methode des
Aufweckens (laute Musik, hihihihihi) protestieren. Danach arbeiten sie
konzentriert an abstrakten Ausdrucksweisen negativer Gefühle. Konsonanten.
Keine Vokale. Beinahe Stille. Denken. Wir Teammitglieder beschließen, unsere
Weckmethode wieder auf den Anfangsmodus zu stellen.
Sprache dieser Teenager: prägnant, offensiv, provokant. Intelligent und
verständlich. Sie erklären: sie haben sich als Jugendliche solidarisiert.
Ich frage die Menschen meiner Altersgruppe ( Mitte-Vierziger! Kollegen! ) in
Europa, in Israel, GLOBAL, wie wir zu einer Sprache der Bomben gefunden
haben? Warum lassen wir zu, dass Menschen unseres Alters Kriege führen?
Warum haben wir uns dermaßen "weich klopfen" lassen?
Warum sind wir so schwach?
Ich persönlich finde keine greifbare Antwort. Bruchfetzen vielleicht, etwa
"der Hochleistungsdruck unserer Informationsgesellschaft deformiert unsere
Instinkte", blabla, und schon wieder depressives Magenwirbeln.
Schnell.
Schnell.
Ich hoffe und wünsche, dass die Teenager dieser Zeit NICHT in Trägheit,
Stumpfheit, Kriegsbereitschaft verfallen.
Ich hoffe und wünsche, dass sie schnell, schreiend, provozierend, denkend
und konfliktfähig bleiben. Und ich bitte die geschätzten Erwachsenenkollegen
all over the world, die Jugendlichen zu SCHÜTZEN. Denn SIE SPRECHEN DIE
SPRACHE DER BOMBEN NICHT.
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Beiträge von
Veronika Lion (österreichische Teilnehmerin)
Rafi Kropiunigg (Österreichischer
Teilnehmer)
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