Realität und Illusion:
Land der Paradoxe
Kommentar von Aluf Benn, Ha'aretz, 22.06.2006
Übersetzung Daniela Marcus
Das erste Paradox: Die traditionelle Haltung der Araber
bezüglich der Gebiete, die 1967 von Israel besetzt wurden, war diejenige,
dass es keine Notwendigkeit für Verhandlungen, Dialog oder diplomatische
Anerkennung gibt. Die Araber forderten, dass Israel sich aus dem Sinai, von
den Golanhöhen, aus der Westbank und aus dem Gazastreifen zurückzieht, die
Resolution 242 des UNO-Sicherheitsrates umsetzt und somit die Angelegenheit
beendet. Israel war dasjenige Land, das ein Händeschütteln, gemeinsame Fotos
und das Wehen der Fahnen für die Evakuierung der Gebiete forderte. So wurde
die Formel "Land für Frieden" geboren. Anwar Sadat kam nach Jerusalem und
bekam den Sinai. Hafez Assad weigerte sich zu kommen und musste ohne den
Golan bleiben.
Nun sind die Rollen vertauscht. Israel möchte sich aus dem größten Teil der
Westbank zurückziehen und somit die Resolution 242 umsetzen, deren
Englischsprachige Version zu einem "Rückzug aus Gebieten" aufruft. Ehud
Olmert möchte von den Arabern nichts für die Gebirgskämme haben: keinen
Frieden, keine Liebesbriefe und keine politischen Gipfel. Doch nun sind die
Araber diejenigen, die den Rückzug an Verhandlungen und gemeinsame Fotos
binden. Man muss nur einmal sehen, wie Abbas um ein Treffen mit Olmert fleht
und welche Bemühungen der ägyptische Präsident Hosni Mubarak und der
jordanische König Abdullah auf sich nehmen, um Gastgeber eines solchen
politischen Gipfels zu sein. Ist das nicht seltsam?
Das zweite Paradox: Über Jahrzehnte hinweg wurden die israelische Besatzung
und die Gründung Dutzender von Westbanksiedlungen als Hindernisse für den
Frieden und als äußerst ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit der Region
wenn nicht der ganzen Welt dargestellt. Generationen von Diplomaten,
politischen Aktivisten und Intellektuellen veranstalteten eine Kampagne nach
der anderen, um die Besatzung zu beenden, die Siedlungen zu demontieren und
palästinensischen Terror als ein Befreiungskrieg gegen den Landraub, die
Checkpoints und die Demütigungen zu rechtfertigen. Eine Koalition arabischer
Nationen, nicht verbündeten Ländern und EU-Mitgliedern stand wie eine
internationale Mauer gegen die Bemühungen Israels, seine Kontrolle über die
Gebiete und deren Besiedlung mit historischen und juristischen Gründen zu
rechtfertigen.
Der Druck wirkte und Israel wurde überzeugt. Nun, nachdem es seine
Ernsthaftigkeit bereits mit dem Abkopplungsplan vom Gazastreifen bewiesen
hat, möchte es sich aus 90 % der Westbank zurückziehen und 70.000 Siedler
evakuieren. Was tun die Palästinenser und deren Unterstützer rund um die
Welt? Sie sagen "Nein" zu Olmert. Nein. Bewegt euch nicht. Bleibt in Itamar
und Elon Moreh und Psgaot bis wir euch erlauben zu gehen. Mohammed Dahlan
droht sogar mit Krieg, falls der Konvergenzplan durchgeführt werden sollte.
Was ist hier los? Ist es möglich, dass die Palästinenser die Gebiete nicht
mehr haben wollen nachdem Israel verstanden hat, dass sie eher eine Last als
ein Gewinn sind?
Das dritte Paradox: Die israelische Linke hat immer gepredigt, von der
Besatzungs-Mentalität abzulassen und die Palästinenser nicht als
Minderwertige sondern als menschliche Wesen, denen Respekt gebührt, zu
behandeln. Doch dies war zu Zeiten, da die Palästinenser Fatah-Leute zu
ihren Führern machten. Nachdem die Wähler in den Gebieten in einem fairen
und demokratischen Vorgang die Hamas gewählt haben, hat sich die Haltung der
Linken verändert. Nun besteht sie darauf, in die innenpolitischen
Angelegenheiten der Palästinenser einzugreifen und alles zu tun, um Abbas
die Übernahme der Kontrolle der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) zu
ermöglichen. Wie konnte es sein, dass die Palästinenser jemanden wählten,
den nicht die israelische Linke sondern sie selbst haben wollten? Die Linke
unterstützt die Demontierung der Siedlungen nur, wenn dadurch Abbas als ein
"Partner für ein dauerhaftes Abkommen" gestärkt wird. Wenn Abbas schwach
bleibt, ist es das beste, Hermesh und Har Bracha stehen zu lassen, zumindest
bis die Fatah zurück an der Macht ist.
Und die Realität: In der Realität müssen Prioritäten gesetzt werden. Wenn
Israel eine neue Grenze ziehen und die Siedler in sein Gebiet zurückbringen
will, muss es dies selbst tun. Den Konvergenzplan an palästinensische
Zustimmung zu knüpfen während die PA innerlich zerrissen ist, wird den
Rückzugsplan durchkreuzen.
Und die Illusion, Yitzhar und Itamar als Handelobjekte für die
Machtübernahme der Fatah zu benutzen, ist dumm und gefährlich. Der Fokus
muss auf das Hauptthema gerichtet sein und außerdem darauf, zu verstehen,
dass es hier gar keine Paradoxe gibt: Unter den gegenwärtig existierenden
Umständen wird die arabische Haltung immer das Gegenteil der israelischen
Haltung sein.
Abu Mazen:
"Wir wollen einen Staat in den Grenzen von 1967"
Nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Hamas und Fatah fand am
25. Mai eine Konferenz statt, die zur Versöhnung und zur Etablierung eines
inner-palästinensischen Dialogs führen sollte...
hagalil.com 22-06-2006 |