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Middle East Roundtable /
Edition 11
Eine israelische Sicht:
Zwei Szenarien
Obwohl die Zukunft der Israel-Hamas
Beziehungen nicht gut aussieht, so ist sie dennoch noch nicht in Stein
gemeißelt. Von Yossi Alpher
[ENGLISH]
Vor wenigen Tagen ist uns ein neuer Abkopplungsplan aus
Israel vorgestellt worden. Wie verlautet, wurde der amtierende
Ministerpräsident Ehud Olmert, d.h. seine Presseinterviews am Wochenende,
und ein vorläufiges politisches Programm vom palästinensischen
Ministerpräsidenten Ismail Haniyeh Präsident Abbas übergeben.
Olmerts Absichten sind recht klar – das ist ungewöhnlich für die Zeit der
Wahlen in Israel, wenn Kandidaten eher dazu neigen, sich an Allgemeines zu
halten. Er wird Hamas eine Gelegenheit geben, sich als fähigen
Verhandlungspartner zu präsentieren, wobei er jedoch wenig Vertrauen hat,
dass dies so sein wird. Kommt es nicht dazu, wird er von der Grundlage eines
nationalen Dialogs ausgehend mit der Räumung weiterer Siedlungen fortfahren.
Er hat aber bereits die Grenzen bestimmt und er wird den Sicherheitszaun
entsprechend korrigieren: erweiterte Siedlungsblöcke, die jüdischen
Stadtteile von Jerusalem und das Gebiet des Heiligen Bassins mit einigen
arabischen Stadtteilen in der Umgebung, eine Überlandverbindung zu Maale
Adumim sowie das Jordantal als Sicherheitsgrenze.
Die palästinensische Reaktion auf diesen Plan ist einheitlich negativ. Der
Chef der Hamas, Khaled Mishal, bezeichnete ihn als eine "Kriegserklärung".
Haniyehs Grundsätze sind ebenso deutlich. Alle Formen des Widerstands
(sprich: Selbstmordattentate) sind legitim. Bereits existierende Abkommen
werden "gemäß der Rechte des palästinensischen Volkes neu überdacht" werden.
Das Rückkehrrecht bedeutet die Rückkehr zu "Heim und Besitz". Die
Fortsetzung der derzeitigen Ruhe oder des Waffenstillstands ist bedingt
durch "das Ende jeglicher israelischer Aggression und die Freilassung von
Gefangenen". Die Zwei-Staaten-Lösung, die Anerkennung Israels oder der
1967er Grenze werden nicht als die Grundlagen eines palästinensischen
Staates erwähnt. Internationale Beziehungen werden auf dem Versuch
aufgebaut, "arabische und islamische Unterstützung in jedem Bereich zu
gewinnen". Diese beiden politischen
Erklärungen stimmen mit allem, was wir über die zwei neu entstehenden
Regierungen wissen, überein. Beide gelten zweifelsohne als Grundlage für
spätere Verfeinerungen, Überlegungen und Kompromisse. Um eine Regierung
bilden zu können, braucht Haniyeh noch den Segen von Abbas, der wie
verlautet die Grundsätze als "vage" bezeichnet hat. Olmert muss noch gewählt
werden, um dann eine Koalition zu bilden. Aber nehmen wir diese Entwürfe als
unseren Ausgangspunkt, dann können wir damit anfangen, die Rahmen zu
definieren, die sich in den in den kommenden Monaten abzeichnen werden.
In einem best-case Szenarium wird Israel mit einer
Kadima-Arbeitspartei-Regierung es wollen, mit der Räumung weiterer
Siedlungen in der Westbank fortzufahren. Das soll zunächst nach Rücksprache
mit den Siedlern passieren, dann durch eine Gesetzgebung, die ihnen eine
generöse Kompensation anbietet, zusammen mit einem amerikanischen Segen, der
still und leise die Roadmap zu Grabe tragen wird. Obwohl Olmert dies nicht
klar zu Sprache bringt, wird Israel zeitweilig die militärische Kontrolle
über alle oder die meisten evakuierten Gebiete behalten, als
Sicherheitsvorkehrung und um Hamas die Behauptung, zusätzliches Gebiet
befreit zu haben, zu verwehren. Hamas wird trotz ihrer Einsprüche gegen
Israels einseitiger Ungeschicktheit dennoch einen Anreiz erkennen, den
Waffenstillstand aufrecht zu erhalten.
Hamas wird dann unabhängige und an die Fatah angegliederte Figuren in ihre
Koalition integrieren und wird ihre eigenen bewaffneten Kräfte mit denen der
PA zusammenschließen. Obwohl sie nicht die Zugeständnisse, die Israel und
die internationale Gemeinschaft fordern, erfüllt, wird sich trotzdem ein
kleines Maß an Vertrauen entwickeln und ein klein wenig finanzielle
Unterstützung wird fließen. Die Gaza-Durchfahrten werden zumindest teilweise
geöffnet sein und wirtschaftliche Verbindungen zwischen Gaza und der
Westbank werden weiterhin bestehen. Fatah wird sich neu zusammenstellen, Abu
Mazen wird etwas Führung ausüben. Ihr Druck kombiniert mit Hamas' Bedarf
nach finanziellen Mitteln und einem Minimum an Infrastruktur mit Israel
werden zur Entstehung eines bescheidenen Modus Vivendi beitragen, der für
die Dauer von ein paar Jahren anhalten könnte.
Im Gegensatz dazu wird Hamas in einem worst-case Szenarium zu
terroristischen Angriffen ermutigen oder diese zumindest ignorieren. Sie
wird ihre eigene terroristische Infrastruktur stärken und gleichzeitig
Kontakte zu Syrien und dem Iran erweitern ("arabische und islamische
Unterstützung"). Sie wird anfangen, die palästinensische Gesellschaft zu
islamisieren. Israel wird einem sich vergrößernden Kreis von bewaffneten
Islamisten, die in demokratischen Wahlen aufgestellt worden sind, gegenüber
stehen: Gaza, Westbank und Südlibanon. Der Iran wird mit seinem
Nuklearprogramm fortfahren und wird versuchen, die arabischen Islamisten in
seine Einflusssphäre einzuschließen. In
Jordanien und Ägypten wird die Unruhe steigen und damit die Unterstützung
von Hamas. Israel wird Verbindungen zwischen Gaza und der Westbank
vollständig einstellen und wird versuchen, zusammen mit Ägypten Gaza zu
isolieren. Gleichzeitig wird Israel versuchen, die Fatah aufzumuntern, in
der Westbank wieder an Macht zu gewinnen. Das Pariser Abkommen, das die
israelisch-palästinensische wirtschaftliche Integration kontrolliert, wird
außer Kraft treten, de facto, wenn nicht de jure. Die Wahrscheinlichkeit
einer breiten militärischen Konfrontation irgendeiner Art wird sich erhöhen.
Die internationale Gemeinschaft wird nach Wegen suchen, die sich
verschlechternde Situation zu isolieren.
Die Realität wird wie so üblich höchstwahrscheinlich in der Mitte dieser
beiden extremen Szenarien liegen. Vielleicht ist die meist ansprechende
Konklusion, die wir aus ihnen ziehen können, die, dass die Zukunft der
Israel-Hamas Beziehungen zwar nicht gut ausschaut, dennoch ist sie noch
nicht in Stein gemeißelt. Yossi
Alpher ist Mitherausgeber von bitterlemons.org und
bitterlemons-international.org. Er ist ehemaliger
Direktor des Jaffa Center for Strategic Studies an der Universität von Tel
Aviv und war Berater des früheren
Ministerpräsidenten Ehud Barak.
Übers. K.Badr
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hagalil.com 30-03-2006 |