
Junge Freiheit:
Freie Rechtsschreibung
Das Bundesverfassungsgericht entschied,
dass die Aufnahme der Jungen Freiheit in Verfassungsschutzberichte gegen die
Pressefreiheit verstieß.
Von Andreas Speit
Jungle World 27 v.
06.07.2005
Die Damen und Herren am Hohenzollerndamm in Berlin dürften
erfreut gewesen sein. Nach mehreren Jahren des Rechtsstreits mit dem
nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz hat die wichtigste Publikation der
"Neuen Rechten", die Junge Freiheit, einen Erfolg erstritten. Am 28. Juni
verkündete das Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe, dass der
Verfassungsbeschwerde der Zeitung gegen ihre Aufnahme in den
Verfassungsschutzbericht stattgegeben wurde.
Der Erste Senat unter Leitung des Präsidenten des BVG, Jürgen
Papier, entschied, dass mit der Aufnahme der Zeitung in die
Verfassungsschutzberichte des Landes Nordrhein-Westfalen in den Jahren 1994
und 1995 ihr "Grundrecht auf Pressefreiheit verletzt" wurde, und verwies die
Sache an das Verwaltungsgericht zur erneuten Bewertung zurück.
Seit über zehn Jahren und zuletzt in seinem Buch "Phantom
'Neue Rechte'" beklagt der Geschäftsführer der Zeitung, Dieter Stein, dass
"mit der Erfindung einer fest umrissenen 'Neuen Rechten', die eine
intellektuelle Strömung innerhalb des verfassungsfeindlichen (…) und durch
'Erwähnung' im Verfassungsschutzbericht zu ächtenden Rechtsextremismus" sei,
die Junge Freiheit, "ihre Mitarbeiter, Autoren, Interviewpartner und Leser"
diskriminiert werde.
Ab dem Jahr 1995 hat der nordrhein-westfälische
Verfassungsschutz in seinen Berichten unter den Rubriken
"rechtsextremistische Publikationen" und "rechtsextremistische
Organisationen" erläutert, dass die Zeitung "tatsächliche Anhaltspunkte für
den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen" liefere. Das
Verwaltungsgericht in Düsseldorf und das Oberverwaltungsgericht in Münster
bestätigten 1997 und 2001 diese Bewertung.
In seinem Beschluss erklärte das Oberverwaltungsgericht, dass
die Junge Freiheit sich gegen das "Demokratieprinzip" und das
Diskriminierungsverbot richte und eine "missachtende, fremdenfeindliche und
antisemitische Ausrichtung" aufweise, die "die Opfer des Holocaust in
zynischer Weise" herabwürdige. Auch wenn sich in der Zeitung Beiträge ohne
diese Ausrichtung fänden, erwecke die Junge Freiheit durch die
"Veröffentlichung einer größeren Anzahl antidemokratischer,
fremdenfeindlicher und antisemitischer Beiträge objektiv den Eindruck", für
diese Ziele einzutreten.
"Die Karlsruher Entscheidung ist nicht nur ein Riesensieg für
die Junge Freiheit. Sie ist vor allem ein Sieg für die Pressefreiheit", sagt
Stein, der 1986 in Freiburg beim Grillen im Garten die Idee zu einer
Zeitschrift hatte, weil er von der Vorstellung einer "Kulturrevolution von
rechts" fasziniert war. Heute mag er nicht mehr von der "Neuen Rechten"
sprechen. Er schweigt auch von der angestrebten "kulturellen Hegemonie",
hofft er doch, die Junge Freiheit als rechtskonservative Zeitung in einer
"demokratischen Gesellschaft" zu etablieren, die in "unerträglicher Weise"
von der "Political Correctness" geprägt sei.
In diesem Versuch wurde die Zeitung immer wieder auch von
Prominenten unterstützt. Bereits im Jahr 2001 sagte der Herausgeber des
Focus, Helmut Markwort: "Ich sehe eine Tendenz, dass man rechte Positionen
immer mit rechtsextremen in einen Topf wirft." Weiter merkte er an: "Für
mich ist die Junge Freiheit ein Medium, das innerhalb des demokratischen
Systems steht." Aber der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz beobachte
"alles, was nicht auf dem linken Flügel der SPD beheimatet ist".
Nach der Entscheidung des BVG schrieb Lorenz Jäger in der
vorigen Woche in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass die Entscheidung
des BVG "an der Zeit" gewesen sei und forderte: "Die neue Landesregierung in
Düsseldorf wird gut daran tun, das Landesamt für Verfassungsschutz
gründlicher unter die Lupe zu nehmen", da die Behörde sich von
"Antifa-Matadoren" die "konkrete Definition dessen, was rechts und was
extrem ist", habe liefern lassen. Der "verheerende Zwang zum Konsensus der
'Mitte'" lähme "dieses Land und seine besten Leute".
Jäger lässt wie Stein unerwähnt, dass auch das Bundesamt für
Verfassungsschutz die Junge Freiheit unter "Intellektualisierungsbemühungen
im Rechtsextremismus" anführt und auch der Verfassungsschutz in
Baden-Württemberg sie im Blick hat. Sie gehen auch nicht darauf ein, dass
das BVG die Berichterstattung des Verfassungsschutzes über die Junge
Freiheit nicht grundsätzlich für unzulässig hält, sondern empfiehlt,
Missverständnisse für einen "flüchtigen Leser" zu vermeiden. Die Richter
fordern, dass die "verfassungsfeindlichen Positionen" der Zeitung genauer
und auch die Beziehungen zu den externen Autoren ausführlicher dargelegt
werden sollen.
"Wir werden die Einschätzung eindeutig belegen", betont der
Leiter des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, Hartwig Möller,
dessen Behörde auch "weiterhin darauf aufmerksam machen" will, welche
Gefahren durch "den intellektuellen Rechtsextremismus" drohen. "Hinter ihrem
gemäßigten Duktus verbergen sich oft antidemokratische und fremdenfeindliche
Konzepte", sagt er über die Junge Freiheit. In der zu erwartenden
Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht werde der Verfassungsschutz diese
Konzepte "enttarnen", auch wenn die Zeitung die "Trennlinie zwischen
demokratischem und rechtsextremistischem Spektrum" verwischen wolle.
In der Urteilsbegründung geht das BVG auch auf einen alten
Vorwurf an Interviewpartner und Autoren der Jungen Freiheit ein, die "nicht
im Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen stehen". So sagt das
Gericht, dass die Behörden die Behauptung genauer belegen müssten, dass die
Redaktion sich nicht mit diesen "Beiträgen" aus der "Mitte" identifiziere.
Egon Bahr, Peter Glotz, Günter Rexrodt, Jörg Schönbohm oder Rolf Hochhuth
könnten in dem weiteren Rechtsstreit von der Jungen Freiheit als "einziger
greifbarer Beleg" für ihre "demokratisch geläuterte Vorurteilslosigkeit"
herangezogen werden. Tatsächlich dienen diese Interviewpartner oder Autoren
gewollt oder ungewollt als demokratisches Alibi für die antihumanistischen
und antiemanzipatorischen Inhalte der Jungen Freiheit.
Skandalautomat:
Im Gespräch
Über die Funktion des Interviews in der neurechten
Wochenzeitung "Junge Freiheit"...
"Nation statt Demokratie":
Wenn
die 'Junge Freiheit' das Gespräch sucht...
Nach mehrjährigem Probebetrieb in Freiburg
zunächst in Potsdam, dann in Berlin installiert, liefert die "Junge
Freiheit" wöchentlich Recycling-Produkte aus der sogenannten "Konservativen
Revolution" der 20er und 30er Jahre...
hagalil.com 11-07-2005 |