Schon früh zeigte sich die
Tendenz die Juden in die Täterrolle zu drängen. Der "im Angesicht der
deutschen Geschichte zu seiner Verantwortung stehende
Vergangenheitsbewältiger" empfindet sich durch "jüdische Forderungen", die
stets als Undank und schließlich Maßlosigkeit abgewehrt werden, als ein im
Edelmut verkanntes Opfer: Der Fall Auerbach.
Der Fall Auerbach (Teil III):
Wenns ums Geld geht:
Dem Raubmord folgt der Kleinkrieg gegen die Juden
Zwei Tage nach Auerbachs Beerdigung
erschien im
Spiegel eine ausführliche Recherche über die Hintergründe des als
"tragisch" dargestellten Todesfalles.
In dem Enthüllungsartikel "Was nie zur Sprache kam" heißt es resümierend:
...dass diese Tragödie der Macht, des
Geldes und der Charakterschwäche einen ihrer Hauptimpulse dadurch bekam,
dass der bayerische Staat den Festpreis der Feststellungsbescheide, jene
oft erwähnten 47%, nicht einmal publiziert hat, dass er selbst damit
also an diesem Hyänen-Geschäft mit Unwissenden die Hauptschuld trägt,
und dass die bayerischen Banken gemeinsam mit den staatlichen
Aufsichtsstellen der Wiedergutmachung keine Möglichkeit gefunden haben,
solche Kunden, die Festellungsbescheide eintauschen wollten, in ihre
Bankhallen zu lassen und ihnen [...] ihre Papiere einzulösen.9
Um welchen Sachverhalt es dabei vermutlich
ging, hat der Mediziner und Soziologe Christian Pross in seiner 1988
erschienenen Studie "Wiedergutmachung - Der Kleinkrieg gegen die Opfer"
zusammengefasst:
Der bayerische Staat zahlte [...]
Entschädigungsbeträge von über 600 Dollar nicht in voller Höhe aus. Er
zahlte eine erste Rate in bar und eine zweite in Form von
'Entschädigungsschecks' oder 'Feststellungsbescheiden', die erst am 1.
Januar 1954 eingelöst werden konnten. Die DPs brauchten aber für ihre
Auswanderung dringend Geld und verkauften deshalb diese Schuldscheine
für nur 30-50% ihres Wertes an ein Konsortium renommierter bayerischer
Banken. Die Lagerkameraden, die blieben, vermittelten in der Regel
diesen Verkauf für eine Provision von 1% bis 3%.
Die Banken hatten im Lauf der Jahre Schuldscheine im Wert von ca. zwei
Millionen Dollar angehäuft. Der bayerische Ministerpräsident Hans Ehard
hatte ihnen im Jahr 1950 ausdrücklich die Genehmigung zu diesen sich am
Rande der Legalität abspielenden finanziellen Transaktionen erteilt. Es
soll eine geheime Absprache zwischen den Banken und dem
Finanzministerium gegeben haben, der zufolge das Ministerium bereit war,
die Schecks schon 1952 zu 60-65% ihres Nominalwertes einzulösen. Für die
Banken bedeutete das einen Profit von 50 und mehr Prozent.10
Wenn diese Interpretation - woran bislang
kaum ein Zweifel existiert - sich als stichhaltig erweisen sollte, dann
wären die Hauptschuldigen in der bayerischen Landesregierung und den Banken
zu suchen.
Die Affäre Auerbach wäre dann eine Affäre des Staates Bayern, seiner
Regierung und seiner Banken gewesen.
Nicht der Präsident des Wiedergutmachungsamtes hätte den Freistaat Bayern,
sondern eine Allianz aus CSU-Politikern und Bankern hätte die NS-Opfer um
einen Teil ihrer Entschädigung betrogen.
Anmerkungen
-
9 Der Spiegel, 20. August 1952, VI. Jg.,
Nr. 34, S. 8.
-
10 Christian Pross, Wiedergutmachung - Der
Kleinkrieg gegen die Opfer, Frankfurt a.M. 1988, S. 74.
Fortsetzung
folgt... Im Teil III.:
Zwei Tage nach Auerbachs Beerdigung erschien im Spiegel eine ausführliche
Recherche über die Hintergründe des als "tragisch" dargestellten
Todesfalles...
Dieser Beitrag erschien 2001 im von Julius H. Schoeps
herausgegebenen Sammelband:
Leben im Land der Täter
Jüdisches Leben im Nachkriegsdeutschland (1945-1952)
Mit Beiträgen von Werner Bergmann, Y. Michael Bodemann, Josef Foschepoth,
Angelika Königseder, Wolfgang Kraushaar, Ina S. Lorenz, Lothar Mertens,
Ulrike Offenberg, Julius H. Schoeps, Juliane Wetzel, u.a...
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21-08-2005 |