Jugendaustausch zu 40 Jahren deutsch-israelische Beziehungen:
Gelebte Normalität – und niemals vergessen
Von Alexander Völkel
60 Jahre nach Kriegsende und Holocaust feiern
Deutschland und Israel das 40-jährige Bestehen ihrer diplomatischen
Beziehungen. Hat sich das Verhältnis normalisiert und sind es Beziehungen
wie zu jedem anderen Land? Teilnehmer von Jugendbegegnungen zwischen dem
israelischen Kreis Emek Hefer und dem deutschen Kreis Siegen-Wittgenstein
berichten über ihre Eindrücke.
"Ich finde das deutsch-israelische Verhältnis noch etwas
besonderes. Geschichte geht nicht weg, sondern bleibt", findet Katharina
Oster (17) aus Wilnsdorf. Es gebe noch immer Nazis in Deutschland. Und immer
mehr seien gegenüber Juden und dem Staat Israel negativ eingestellt. "Daher
ist es wichtig, dass es weiter Austausche und Jugendbegegnungen gibt, um
Vorurteile abzubauen. Es ist schließlich nicht irgendein Land", betont die
Schülerin. Sie hat in Israel positive Erfahrungen gesammelt, auch in der
zentralen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem: "Sie haben uns dort gesagt,
dass wir deutschen Jugendliche ja nicht schuld und verantwortlich sind."
Diese Erfahrungen teilt auch Dorothea Dengel. Die
18-Jährige hat vor allem unter den Jugendlichen nur freundschaftliche
Beziehungen gespürt. "Es ist zwar eine andere Mentalität. Aber es ist keine
andere freundschaftliche Beziehung als beispielsweise zu Spanien." Dennoch
bewege man sich als Deutscher in Israel anders. "Ich hatte schon Angst
davor, das Anschuldigungen kamen – sie kamen aber nicht."
Rolf Herrmann macht eine besondere Rolle der deutschen
Politik aus – nicht nur durch die Geschichte, sondern auch durch die
aktuelle Situation im Nahost-Konflikt. "Wir tragen eine besondere
Verantwortung", betont der 22-jährige Politikstudent aus Littfeld. Gemeinsam
könne man einen großen Beitrag zur Völkerverständigung leisten, vor allem
durch persönliche Begegnungen. "Toleranz lernt man eben nicht aus Büchern."
Allerdings sei es positiv, dass man in Deutschland nicht zu allem Ja und
Amen sagen müsse, sondern auch konstruktive Kritik erlaubt sei.
Trotz aller Normalisierung sei diese Kritik auf
israelischer Seite nicht unbedingt beliebt, berichtet Assaf Zeevi aus Kfar
Yona. "Von Deutschland erwartet Israel eine besondere Verantwortung."
Dennoch sei man an einer Normalisierung interessiert, so der israelische
Student der Landschaftsarchitektur. Ein gutes Verhältnis bestätigt auch Omri
Adomi. Der 22-jährige Wehrpflichtige aus Beit Cherut betont aber auch, dass
das Verhältnis nicht einfach, weil nicht unbelastet sei. Daher seien
persönliche Kontakte wichtig. "Ich wollte gerne mal in einer christlichen
deutschen Familie leben, um einen eigenen Eindruck vom Leben in Deutschland
zu bekommen", sagt der junge Israeli. "Ich kannte Deutsche vorher nur aus
Holocaust-Filmen." Durch den Besuch in Siegen seien Brücken entstanden und
Verständnis gewachsen. Das helfe auch im täglichen Leben. Seine
Armee-Einheit habe für eine Woche gemeinsam mit deutschen Soldaten
gearbeitet. "Für manchen Israeli war das etwas zu viel." Sie hätten nicht so
ganz gewusst, wie sie abseits der offiziellen Begegnung miteinander umgehen
sollten. "Durch den Austausch haben wir eine gemeinsame Sprache gefunden."
Tamar Spiegel aus Herev Leet, hatte vor dem Besuch Angst,
dass niemand in Deutschland sie mögen oder sie sogar hassen könnte, weil sie
eine Jüdin ist. "Zum Glück war es ganz anders", sagt die 23-Jährige. Ihre
Familie stammt aus Polen, ihre Großeltern überlebten den Krieg als
Partisanen – der Rest der Familie wurde umgebracht. Durch den Besuch in
Deutschland habe sie begonnen, anders über Geschichte zu denken. Nur eines
dürfe man nicht: Die Nazi-Greuel vergessen. "Wir müssen die Erfahrungen über
die Generationen erhalten, damit sich das nicht wiederholt."
Das wünscht sich auch Kai-Stephan Schmidt aus Freudenberg:
"Wir dürfen niemals vergessen, aber unbefangen aufeinander zugehen."
Unbefangen wollte auch Kezia Becker aus Burbach auf die Israelis zugehen.
Ohne Politik im Hinterkopf. "Ich wollte einfach Spaß haben." Aber der Besuch
im Nahen Osten habe sie einfach gepackt. Die Herzlichkeit der Begegnung,
aber auch das besondere Verhältnis. "Die Beziehungen bleiben auch nach 60
Jahren etwas ganz besonderes", berichtet die 15-jährige Schülerin.

Ein gemeinsames Gedenken der Verbrechen und der Opfer an authentischen
Plätzen wie in Theresienstadt oder dem KZ Sachsenhausen gehören zum
Jugendaustausch dazu.

Brücken bauen:
Die Anfänge des
deutsch-israelischen Jugendaustauschs
Die Bemühungen um Kontakte zwischen der Jugend der
zwei Länder sind für deren Beziehungen zweifellos besonders bedeutungsvoll.
Die Anstöße zu diesem für beide Seiten so erfreulichen und nützlichen Werk
und seine Entwicklung sollen hier kurz dargestellt werden...
Dossier:
40 Jahre
diplomatische Beziehungen Deutschland-Israel
Am 12. Mai 1965 haben Israel und die Bundesrepublik Deutschland offiziell
diplomatische Beziehungen aufgenommen. "Aus der Geschichte lernen - die
Zukunft gestalten" lautet das Motto dieser Verbindung, die nun schon 40
Jahre andauert...
40 Jahre diplomatische Beziehungen Deutschland Israel:
"Eine gemeinsame
Verantwortung und eine gemeinsame Zukunft"
Im Mai wird auf politischer Ebene gefeiert: 40 Jahre diplomatische
Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Vier Jahrzehnte zwischen
Versöhnung und Normalität. Ein Blick in das Leben zweier
deutsch-israelischer Familien...
hagalil.com 24-05-2005 |