
Steglitz-Zehlendorf:
Marschieren für die Wehrmacht
Der CDU-Bürgermeister von
Steglitz-Zehlendorf, Herbert Weber, steht erneut im
geschichtspolitischen Abseits. Eine Rede ist aufgetaucht, in der er
Deserteure verunglimpft. Rücktrittsforderungen lauter.
Von Philipp Gessler
Es wird eng für Herbert Weber, den Bürgermeister
von Steglitz-Zehlendorf. Nachdem der CDU-Mann schon vor wenigen
Wochen von großen Teilen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zum
Rücktritt aufgefordert worden war, erneuern PDS und Grüne diese
Forderung. Erstmals scheint sich auch Widerstand in der eigenen
Fraktion zu regen. Der Grund: Weber hat sich erneut ins
(geschichts)politische Abseits begeben. In einer Rede zum
Volkstrauertag hatte der Lokalpolitiker Wehrmachtsdeserteure
verunglimpft.
Damit ist die CDU Steglitz-Zehlendorf innerhalb
weniger Wochen ein weiteres Mal in ein reaktionär-bräunliches Licht
gerückt. Erst nach massivem öffentlichem und innerparteilichem Druck
hatte sie auf eine Erklärung zum 8. Mai, zum 60. Jahrestag des
Kriegsendes, verzichtet, in der es, gleichberechtigt mit der
Erinnerung an den Holocaust, hieß: Man erinnere auch an "den
Schrecken und das Leid der Bevölkerung", die "die Rote Armee von
Ostpreußen bis nach Berlin zu verantworten hat".
Weber hatte diesen ursprünglichen Beschluss
verteidigt und erklärt, die Beschränkung des Gedenkens auf zwölf
Jahre Nazi-Diktatur sei eine "sublime Form der Geschichtsfälschung".
Sein CDU-Fraktionskollege Torsten Hippe sagte zudem, er könne nicht
verhindern, dass er in einzelnen Fragen der NPD nahe stehe.
Daraufhin hatte der CDU-Landesvorstand einen Ausschluss Hippes
beantragt.
In seiner Rede am Volkstrauertag zitierte Weber den
früheren FDP-Bundespolitiker und ultrakonservativen
"Ritterkreuzträger" Erich Mende mit der Aussage: "Die meisten
Deserteure hatten etwas auf dem Kerbholz und wussten, warum sie
abhauten." Einen "unbekannten Deserteur" zu ehren sei eine
Verirrung, die nur mit Geisteskrankheit, Hetze oder maßloser
Verhetzung zu erklären ist". Es gebe, so Weber, in Deutschland eine
"Fokussierung auf Auschwitz als Erinnerungsreligion (Deutschland
denken heißt Auschwitz denken)".
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Albert Meyer,
sagte, diese Passagen zeigten, dass Weber "jenseits jeglicher
demokratischer Gesinnung" stehe. Die Grünen-Landeschefs Almuth
Tharan und Till Heyer-Stuffer betonten, wer Deserteure pauschal
verunglimpfe, "darf keine verantwortliche politische Funktion
innehaben". Es habe sich bestätigt, dass der Abwahlantrag von SPD
und Grünen gegen Weber berechtigt sei. Über ihn wird am 20. April
entschieden.
Übrigens: Webers Rede wurde auf die Homepage der
"Staats- und Wirtschaftpolitischen Gesellschaft" (swg) in Hamburg
gestellt, einer ultrarechten Vereinigung, die von einem früheren
Goebbels-Referenten 1962 mit gegründet worden ist. Nach Ansicht der
PDS-Bezirkspolitikerin Sieglinde Wagner deutet einiges darauf hin,
dass Weber das Manuskript der Rede der swg überließ. Ebenso wie das
seiner Rede zur BVV-Debatte vom 16. Februar zum 8.-Mai-Gedenken:
Denn im Protokoll dieser BVV-Sitzung ist eine andere Rede zu lesen
als die, die auf der swg-Seite - mit Fußnoten! - archiviert wurde.
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haGalil onLine
28-03-2005 |