
Landser (II):
Ein zwiespältiges Urteil
Das Gerichtsurteil gegen die Band
Landser könnte schnell auf linke Musiker angewendet werden.
Von Jörg Sundermeier
Jungle World
11 v. 16.03.2005
Noch mehr Nazis können nun verknackt werden. Klaus
Tolksdorf, der zuständige Richter am Bundesgerichtshof, sprach das Urteil:
"Es mag zwar ungewohnt sein, eine Musikgruppe als kriminelle Vereinigung zu
sehen, aber hier geht es eben nicht um einen strafbaren Ausrutscher, sondern
um die permanente professionelle Begehung von Straftaten." Ungewohnt, doch
nötig. Die Band Landser, die ihre Produkte weitgehend klandestin vertrieb,
ist jetzt also eine kriminelle Vereinigung. Damit bestätigte der
Bundesgerichtshof einen Urteilsspruch des Berliner Kammergerichtes vom
Dezember 2003, das den Sänger der Band Landser Michael Regener zu einer
Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilte. Schließlich
verstoße "etwa jedes zweite Stück auf einer Landser-CD" gegen geltende
Gesetze, sagte Tolksdorf.
Die Bundesanwaltschaft ist allerdings nicht ganz zufrieden. Einerseits hilft
das Urteil: "Auch wenn die Volksverhetzung längst verjährt ist, können wir
immer noch wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung anklagen.
Außerdem leisten viele Staaten bei bloßen Agitiationsdelikten keine
Rechtshilfe, tun dies aber doch, wenn es um eine kriminelle Vereinigung
geht", meinte Bundesanwalt Joachim Lampe.
Doch andererseits hatte die Bundesanwaltschaft seinerzeit das Kammergericht
aufgefordert, "seine Messlatte zu prüfen und Neuland bei der Anwendung des
Paragrafen 129 StGB zu betreten". Das irritierte selbst den
Bundesgerichtshof. Man müsse die Auslegung der Gesetze "eng halten, weil
durch sie die Strafbarkeit sehr weit ins Vorfeld einer Gefährdung
hineinverlagert wird", meinte Tolksdorf. In diesem Fall etwa wurde ein
Telefongespräch Regeners mit seinem Anwalt abgehört, was ja keinesfalls der
geltenden Rechtslage entspricht.
Angesichts all dessen sollte die Freude bei Antifas eher verhalten sein.
Selbstredend ist es ein befriedigendes Gefühl, Regener für ein paar Jahre
weggeschlossen zu sehen, genauso, wie es befriedigt, den Neonazi Ernst
Zündel aus Kanada abgeschoben zu wissen; vielleicht befriedigt es einige
sogar, dass der Bundestag in der vorigen Woche Gesetze beschloss, die in
Zukunft ein paar Naziaufmärsche verhindern könnten.
Diese Befriedigung täuscht jedoch über einiges hinweg. Es gibt keine
staatliche Antifa. Der so genannte "Sommer der Staatsantifa" im Jahre 2002
sollte allen im Gedächtnis geblieben sein. Die staatliche Unterstützung von
Antifa-Initiativen hält sich weiter in Grenzen. Die Einschränkung des
Demonstrationsrechtes ist kein Gesetz, das nur die Rechte betrifft, und was
der Bundesgerichtshof hier und heute an einer Nazi-Band durchexerziert,
könnte, so legt es die Erfahrung nahe, morgen vielleicht auch auf linke
Gruppen angewandt werden. So ist etwa die Redaktion der Zeitschrift Radikal
bereits wegen des "Organisationsdeliktes", in diesem Fall sogar nach dem
Unterparagraphen 129a ("Bildung terroristischer Vereinigungen"), verfolgt
worden.
"Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf
gerichtet sind, Straftaten zu begehen, oder wer sich an einer solchen
Vereinigung als Mitglied beteiligt, für sie um Mitglieder oder Unterstützer
wirbt oder sie unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder
mit Geldstrafe bestraft", heißt es im Gesetzestext, der Absatz 3 lautet:
"Der Versuch, eine in Absatz 1 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist
strafbar." Folglich ist mit diesem Urteil eine Möglichkeit für polizeiliche
Vorfelduntersuchungen aller Art eröffnet worden.
Auch wenn es momentan nicht besonders en vogue ist, solche Paragrafen gegen
linke Gruppen anzuwenden, ist es doch äußerst merkwürdig, dass, wenn
bestehende Gesetze bereits in hinreichender Weise dazu verhelfen, Gruppen
wie Landser etwa wegen Volksverhetzung zu belangen und die Vertriebswege der
CDs einzuschränken, die Bundesanwaltschaft unbedingt darauf drängt,
verschärfend wirkende Präzedenzurteile zu erwirken. Gegen die Unzahl von
rechten Gruppen und Kapellen, die zurzeit vom Verfassungsschutz beobachtet
werden, wird jedenfalls äußerst zurückhaltend vorgegangen. Der klandestinen
Verbreitung von Neonazi-Liedern wird man nicht umfassend entgegentreten
können. Mit Regener hat man der Szene allerdings einen Märtyrer geschenkt,
nun ist der Mann ganz offiziell ein "ordentlicher" Staatsfeind.
Es gibt keinen Grund zum Jubeln. Linksradikale Gruppen und Bands, die keinen
Frieden mit ihrem Land machen möchten, sollten sich vorsehen.
Landser (I):
Ein folgerichtiges Urteil
Das Urteil des Bundesgerichtshofes richtet sich
vor allem gegen die organisierte Verbreitung von Volksverhetzung...
hagalil.com 16-03-2005 |