Umgang mit der Causa Hilsner:
Zweierlei Wien-Führer
Von Petr Vasicek
Sylvester 2004 in Wien.... Hauptmeldung in den Medien, die Philharmoniker
spielten aus Gründen der Pietät mit den Tsunami-Opfern beim diesjährigen
Neujahrskonzert den traditionellen Radetzky-Marsch nicht ... und wenig
später der erste Passant, der ungefragt am Würstelstand seine Sympathien für
Adolf Hitler deklariert... Besuch
einer wohl ausgestatteten Buchhandlung in der Innenstadt, Blättern in
neueren Wien-Führern, darunter auch "Jüdisches
Wien" des rührigen ortsansässigen Mandelbaum - Verlages: Die übliche
Aufzählung von jüdischen Prominenten vor allem der Jahrhundertwende, die
gängigen Einladungen zu sog. Geheimtipps (z. B. jüdischer Friedhof in der
Seegasse, der allerdings spätestens seit Claudio Magris' "Donau" jedem
Wienfahrer bekannt sein dürfte).
Traurig stimmt, dass die Autoren die 2002 angebrachte
Gedenktafel für
Leopold Hilsner im 2. Bezirk (am Haus Obere Donaustrasse 4) ebenso
wenig für wichtig und würdig empfanden wie sein 2 Jahre zuvor restauriertes
Grab in der Israelitischen Abteilung des Zentralfriedhofs (4. Tor). All die
Widerstände, vom Wiener Bürgermeister bis zum damaligen Botschafter
Tschechiens, wären doch einer Erwähnung wert gewesen. Zumal der Autor des
Vorworts, Klaus Lohrmann, damals einen bei anderen Quellen nicht eben
sorgfältig abgeschriebenen Artikel im katholischen Wochenblatt Die Furche
zum Thema verfasste. Diametral
verschieden dafür der neueste Touristenführer des Prager Aspi-Verlages (www.aspi.cz).
Der Autor Václav Fiala lädt da ganz automatisch zu den Hilsner-Stätten in
Wien ein, und das in einem Buch, das sich nicht dezidiert der jüdischen
Thematik widmet. Also neben Mozart, Beethoven, Freud und Schnitzler durchaus
auch jenes selbst vom jetzigen Bundespräsidenten nicht einmal posthum
rehabilitierte Opfer altösterreichischen Ritualmordwahns. Ganz "normal",
"beiläufig", eben zur Geschichte Wiens gehörend.
Václav Havels legendäre Wort von der "Rückkehr nach Europa"
erfährt in Hinsicht auf manifesten oder latenten Antisemitismus in Wien eine
nicht wirklich unfreiwillige Aktualität. Der Umgang mit der geistigen
Botschaft der Causa Hilsner in Prag und in Wien spricht Bände.
Der Fall Hilsner:
Ritualmord in Polna vor hundert Jahren
hagalil.com 02-03-2005 |