Kantormania:
Von Salomon Sulzer zum Jazz Singer
Eine Ausstellung im Jüdischen Museum
Hohenems vom 17. Oktober 2004 bis zum 23. Januar 2005
Anlässlich
des 200. Geburtstages von Salomon Sulzer zeigt das Jüdische Museum Hohenems
eine Ausstellung, die exemplarisch das Leben von jüdischen Kantoren vom 19.
Jahrhundert bis in die Gegenwart beleuchtet. Die Ausstellung "Kantormania.
Von Salomon Sulzer zum Jazz-Singer" basiert auf der Idee, Sulzers Geburtstag
mit einem virtuellen Gesangswettbewerb zu begehen, zu dem Kantorinnen und
Kantoren aller Zeiten und Länder "eingeladen" werden.
Hierfür spielt es selbstverständlich keine Rolle, ob jene
aus dem Berlin des ausgehenden 19. Jahrhunderts oder aus Osteuropa, aus dem
Wien der Aufklärung oder aus der großen Broadway-Zeit New Yorks stammen. Sie
alle gratulieren mit ihrer virtuellen Teilnahme dem Hohenemser und Wiener
Kantor Salomon Sulzer, dessen Lebenswerk den Ablauf des jüdischen
Gottesdienstes, seine musikalische Ausgestaltung als auch den Berufsstand
und das Selbstverständnis des jüdischen Kantors nachhaltig veränderte.
Salomon Sulzer, der große Sohn der Hohenemser Gemeinde,
reformierte als Wiener Oberkantor nicht nur die Synagogalmusik von Grund
auf, er definierte auch den Berufsstand des jüdischen Kantorates auf neue
Weise. Ausgehend von Salomon Sulzer und seiner prägenden Rolle für die
musikalische Tradition des historischen Reformjudentums in Mitteleuropa und
seine Weiterentwicklung in Nordamerika sollen in der Ausstellung die
unterschiedlichen Lebensgeschichten einzelner Kantoren bis ins 21.
Jahrhundert speziell im Hinblick auf das Spannungsfeld zwischen religiöser
Profession und weltlicher Berufung dargestellt werden. Im Konflikt zwischen
Synagoge und Bühne wurden manche Kantoren als Stars beider Welten verehrt,
manche wiederum von den Rabbinern wegen ihrer säkularen Erfolge gescholten.
Schon Sulzer selbst wurde nicht nur als Reformer der Synagogenmusik berühmt,
sondern glänzte als begnadeter Sänger in der Wiener Gesellschaft unter
anderem bei den so genannten Schubertiaden.
Metaphorisch formuliert, wird das Jüdische Museum Hohenems
in einen anderen Ort verwandelt: den Backstage-Bereich einer Show-Bühne –
dort, wo in den Garderoben nicht nur Talare, Noten und Souvenirs, sondern
auch überraschende Memorabilia und Fan-Artikel ihren Platz finden.
Hier ist der Ausgangspunkt für die virtuelle Geschichte,
die der Ausstellungskonzeption zu Grunde liegt: Kantorinnen und Kantoren
treffen einander zum feierlichen Anlass von Sulzers Geburtstag zu einem
virtuellen Wettbewerb in Hohenems. Die Ausstellung fokussiert dabei in ihrem
Mittelpunkt die Biografien der einzelnen Kantoren und versucht deren
widersprüchliche Lebensgeschichten zu thematisieren, sei es jene des
weltberühmten Operntenors Joseph Schmidt, sei es jene von Al Jolson (Asa
Yoelson), der im ersten amerikanischen Tonfilm, "Jazz Singer", als Jack
Robin/Jakie Rabinowitz seine eigene, fiktionalisierte Geschichte spielt: ein
Kantor als Bühnenstar. Die Kantorenfamilie Malavsky ("Israel Singers") wird
in der Ausstellung ebenso portraitiert wie die großen Stars des
traditionellen polnischen Synagogengesangs. Sie alle suchten ihren Weg
zwischen Tradition, Reform und Kunst, zwischen religiöser Demut und
weltlicher Selbstverwirklichung.
Zum ersten mal werden bei dieser Gelegenheit auch
Aufnahmen orientalischer kantoraler Musik aus dem Österreichischen
Phonogrammarchiv präsentiert, die vor hundert Jahren im Rahmen einer
musikanthropologischen Exkursion im Auftrag der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften unter Leitung von Alfred R. Idelsohn im Nahen Osten
gesammelt wurden.
Ob nun am Ende wie bei Salomon Sulzer die Reform des
Gottesdienstes stand oder wie bei Al Jolson der Weg auf die Bühne des
Entertainments, ob Kantoren als Heldentenöre Karriere machen oder als
Vorsänger ihre Gemeinde verzaubern – die Ausstellung zeigt Diener der
Liturgie und Rebellen gegen die Tradition, konservative Erneuerer und
revolutionäre Orthodoxe in ihrer ganzen Vielfalt zwischen Ost und West und
Orient, der alten und der neuen Welt.
Neben der Ausstellung wird im neu renovierten Saal der
ehemaligen Synagoge/Feuerwehr Hohenems – noch vor dessen geplanter Eröffnung
im nächsten Jahr – am Tag der Eröffnung der Ausstellung ein großes
Kantorenkonzert die Vielfalt des musikalischen Spektrums kantoraler Kunst im
Tempel und auf der weltlichen Bühne präsentieren. Weitere Veranstaltungen
folgen.
Jüdisches Museum
Hohenems
Schweizer Straße 5, A-6845 Hohenems
Tel.: 0043-5576-73989-0, Fax: 0043-5576-77793
E-mail: office@jm-hohenems.at
Öffnungszeiten:
Di bis So 10 – 17 Uhr,
Führungen nach Voranmeldung
Vermittlung:
Mi, 20. Oktober, 15 Uhr
Einführung in die Ausstellung für Lehrerinnen und Lehrer
Hannes Sulzenbacher (Kurator) und Helmut Schlatter (Museumspädagoge) führen
gemeinsam durch die Ausstellung.
Andor Izsák (Europäisches Zentrum für Jüdische Musik, Hannover) führt in die
Tradition kantoraler Musik ein.
Für Schülerinnen und Schüler ab 10 Jahren bieten wir altersgerechte
Vermittlungsprogramme an, die an diesem Nachmittag vorgestellt werden.
Anwesende LehrerInnen erhalten eine Materialienmappe mit
Hintergrundinformationen gratis
Weitere Informationen unter:
www.jm-hohenems.at/vermittlung
Anmeldung erforderlich!
Zur Ausstellung erscheint eine gleichnamige CD mit zum
Teil unveröffentlichten Aufnahmen kantoraler Musik von 1900 bis 2000.
Die CD ist zum Preis von 15,- € beim Jüdischen Museum Hohenems erhältlich.
Über Salomon Sulzer
Rahmenprogramm
"Googling Sulzer":
Salomon Sulzers Bedeutung in der Gegenwart
hagalil.com
12-10-2004 |